Konzertbericht: Tarja Turunen und Marko Hietala w/ Chaoseum

24.09.2024 München, Backstage (Werk)

Während Nightwish ihr aktuelles Album „Yesterwynde“ erfolgreich charten, sind mit TARJA TURUNEN und MARKO HIETALA erstmals zwei ehemalige Mitglieder gemeinsam auf Tour. Nach Südamerika bereisen die beiden unter dem arg plakativen Titel „Living The Dream Together“ nun auch Europa und bieten eine überzeugende Show mit einigen nostalgischen Momenten sowie ersten Anhaltspunkten, wie die weitere Zusammenarbeit und damit vielleicht auch der gemeinsame Traum aussehen könnte.

Anfangs gibt es erst einmal 20 Minuten von CHAOSEUM auf die Ohren. Die Schweizer eröffnen den Abend, überzeugen mit einem optisch durchgängigen Konzept und geben direkt ordentlich Gas. Dabei reichern sie ihren Mix aus Nu Metal und Metalcore in sechs Songs immer wieder mit ein bisschen The-Cure- und Massive-Attack-Vibes an. „Smile Again“ überzeugend dabei unter dem Strich am meisten, gleichwohl wirkt es trotz der kurzen Spielzeit so, als ob man am Ende bereits vieles, wenn nicht gar alles von CHAOSEUM gehört hat. Für Core-Fans vermutlich eine Alternative, an diesem Abend im Vorprogramm allerdings auch etwas deplatziert.

Als MARKO HIETALA zusammen mit seiner Band die Bühne betritt, wird er nach einer vergleichsweise langen Umbaupause mehr als herzlich empfangen. Nach seinem Ausstieg bei Nightwish war es längere Zeit ruhiger geworden um den gebürtigen Finnen, der inzwischen in Spanien lebt. Untätig ist er ganz offenkundig nicht gewesen, denn zusammen mit seinen Musikern mäandert MARKO HIETALA anspruchsvoll zwischen knackigem Rock, progressiven Elementen und wuchtigem Power Metal. Markos exzellenter Gesang prägt die Stimmung der einzelnen Lieder, die beiden experimentelleren „Isäni Ääni“ und „Juoksen Rautateitä“ trägt er auf Finnisch vor und berührt damit nicht wenige Besucher. Beim bis dato unveröffentlichten „Rebel Of The North“ und dem brandneuen „Frankenstein’s Wife“ wird es kompositorisch straighter und speziell diese beiden Nummern gehen gut ins Ohr.

Gleichzeitig sind sie ein erster Vorgeschmack auf ein neues Album, welches gemäß Marko im Januar kommenden Jahres erscheinen soll. Seine Ansagen verteilt er geschickt über das gesamte Set und präsentiert sich dabei ebenso charmant wie wortgewandt. So bezeichnet er sich als „Scientific Hippy“ und ergänzt, dass sich diese Eigenschaft auch in seiner Musik widerspiegelt. Vor „Left On Mars“ bemerkt er, dass ihm die Duettpartnerin fehlt, und Tarja Turunen betritt zum ersten Mal unter lautem Jubel die Bühne. Der Song ist kompositorisch sicherlich nicht das Ende der Fahnenstange, beweist aber, wie gut die beiden Stimmen harmonieren und dass hier auch fernab der bekannten Nightwish-Songs noch eine Menge Potential liegt. Am Ende spricht MARKO HIETALA noch gewitzt über allerlei Kriegsverbrecher auf der Erde, ehe er mit dem leider etwas unspektakulären Black-Sabbath-Cover „War Pigs“ das insgesamt starke Set beendet.

TARJA TURUNEN beginnt wenig später ihren Auftritt mit „Eye Of The Storm“. Sofort wird deutlich, dass die Finnin auch mit 47 Jahren nichts von ihren stimmlichen Qualitäten eingebüßt hat. Mühelos wechselt sie während der gesamten Show zwischen unterschiedlichsten Ton- und Stimmungslagen, sucht immer wieder den Kontakt zu ihren Fans und präsentiert sich insgesamt bestens gelaunt. Zwar ist das Backstage an diesem Dienstagabend nicht ausverkauft, doch gerade im vorderen Teil herrscht durchweg mehr als gute Stimmung. Tarja ist in den letzten Jahren alles andere als untätig gewesen und hat neben einem Weihnachtsalbum auch ein erstes Best-Of veröffentlicht. Eben jenes dient als Richtschnur für die Songauswahl der aktuellen Tour, wobei besonders die epischen „Falling Awake“ und „I Walk Alone“ wieder einmal hervorstechen. Gut zur Hälfte ihres Auftritts nimmt Tarja am Keyboard Platz und leitet „Oasis“ mit einigen persönlichen Worten ein. Sie spricht über Selbstzweifel und darüber, dass es immer ihr Traum gewesen sei, mit ihrer Musik die Menschen glücklich zu machen. „Oasis“ sei eine ihrer ersten Kompositionen und solle alle ermutigen, ihren Träumen immer weiter zu folgen.

Mag die Essenz ziemlich banal klingen, so wirken die Worte der finnischen Ausnahmesängerin authentisch. Bei „Shadow Play“, einem ihrer neuesten Songs, wird es im Anschluss wieder deutlich schneller und kurz darauf folgt wohl der Teil, auf den sich viele Gäste am meisten gefreut haben. MARKO HIETELA kehrt für drei Songs auf die Bühne zurück und vertont zusammen mit Tarja die Stücke „Dark Star“, „Dead Promises“ und den Nightwish-Hit „Planet Hell“. Obwohl die ersten beiden Nummern nie für ihn konzipiert gewesen sind, überzeugt Marko als gleichberechtigtes, männliches Gegenstück zu Tarjas Gesang. Nach „Planet Hell“ spekulieren einige Konzertbesucher auf „The Phantom Of The Opera“, doch im Zugabenblock gibt es mit „Wish I Had An Angel“ lediglich noch einen weiteren, gemeinsamen Song als etwas vorgezogenen Rausschmeißer, der besonders für langjährige Nightwish-Fans zu den absoluten Highlights zählen dürfte. Mit dem stimmungsvollen „Until My Last Breath“ beendet Tarja das Konzert schließlich alleine.

Obwohl der Name Nightwish an diesem Abend nicht einmal fällt, schwebt der Geist der gemeinsamen Bandvergangenheit über dem gesamten Konzertabend im positivsten Sinne. Sowohl MARKO HIETALA als auch TARJA TURUNEN präsentieren sich solo und im Duett als hervorragende Musiker bzw. Sänger, die wieder zueinander gefunden haben und wunderbar harmonieren. So könnten die beiden im Paket insbesondere für all diejenigen, die mit der aktuellen Ausrichtung von Nightwish weniger anfangen können, eine willkommene Alternative sein. Vielleicht wächst hier auf Dauer auch das neue „alte“ Nightwish heran, die Voraussetzungen dafür sind zweifellos gegeben. 

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