Konzertbericht: Tanzwut w/ Harpyie

17.10.2019 München, Backstage Halle

Seit mehr als 20 Jahren sind die Mittelalter-/Industrial-Rocker TANZWUT um Frontmann Teufel nun schon aktiv und zählen damit zu den Urgesteinen der Szene. Mit ihrem neuen Album „Seemannsgarn“ zieht das Septett nun erneut durch die Lande und macht auch in der bayerischen Landeshauptstadt Station. Warum es wieder nur für die Backstage Halle gereicht hat (und nicht einmal die ist brechend voll), ist ein Rätsel, zumal TANZWUT seit jeher für abwechslungsreiche Bühnenshows stehen. Im Gepäck hat die Band die Jungspunde von HARPYIE, die den Abend eröffnen dürfen.

Die Ostwestfalener starten sehr episch in ihr Set, jedes Bandmitglied wird mit einem Intro in bester Kriegermanier vorgestellt und betritt maskiert die Bühne. In Anbetracht der knappen Spielzeit vielleicht etwas lang, aber durchaus imposant. Mit dem Kracher „Blut und Spiele“ legen HARPYIE aber schließlich richtig los und machen eines schnell klar: angestaubter 0815-Mittelalter-Rock ist das hier nicht. Brettharte Metalcore-Riffs, inklusive Breakdowns, ballern aus den Boxen und werden von leichtfüßigen Folk-Melodien gekrönt. Diese frische musikalische Ausrichtung zieht sich durch das gesamte Set und hebt HARPYIE deutlich ab vom Großteil der ohnehin immer kleiner werdenden Mittelalter-Szene. Erfrischend sind auch die Texte von Fronter Aello, die mehr Bezug zur heutigen Zeit und weniger zum Mittelalter haben. Die Spielfreude und Energie der Musiker springt schnell auf die Zuschauer über und eine beachtliche Anzahl textsicherer Fans unterstützt Fronter Aello bei Nummern wie „Berserker“, „Schneeblind“ oder „Fauler Zauber“. Abgerundet wird die Show mit „Löwenherz“, einem Song der zwar kein typischer Rausschmeißer ist, dafür aber sowohl Band als auch Publikum sehr am Herzen liegt.

Auch wenn es für die ganz großen Bühnen bisher nicht gereicht hat, verspricht jede TANZWUT-Show ein akustisches und auch optisches Highlight zu werden, denn trotz kleiner Bühne haben die Jungs so einige Überraschungen im Gepäck. Das Set wird von „Herrenlos und frei“, dem Abschlusstrack der aktuellen Scheibe eröffnet. Wie üblich zelebrieren TANZWUT die Eröffnung ihrer Show und besonders Keyboarder Alexius macht hinter einem Schiffsbug aus Metall einiges her. In den folgenden knapp zwei Stunden bleibt besagter Schiffsbug aber nicht das einzige Showelement, vielmehr setzen TANZWUT auf dieser Tour noch einen drauf und haben unzählige Masken, Kostüme, Banner und sogar eine kleine Schnee-Maschine im Gepäck, die „Ich bin der Nachtwind“ stimmungsvoll untermalt. Daneben dürfen aber natürlich auch leuchtende Gitarren, Bässe und Trumscheite nicht fehlen.

Musikalisch liegt der Fokus natürlich auf dem aktuellen Album „Seemannsgarn“, doch daneben finden auch viele Songs vom „Schreib es mit Blut“-Album den Weg in die Setlist. Allen voran natürlich der Titelsong der Scheibe, der ein absoluter Fanliebling ist. Zu dieser Kategorie gehören sicherlich auch „Brüder im Geiste“, „Das Gerücht“ oder das unkaputtbare „Auferstehung“. Von den neuen Songs finden vor allem „Galgenvögel“, „Puppenspieler“ und „Francoise Villon“ großen Anklang bei den Fans, vielleicht auch weil letzterer von einer schwarz gewandeten Gestalt ohne Gesicht auf dem Akkordeon begleitet wird. Immer wieder überrascht ist man, wie gefühlvoll und sanft Teufel singen kann. Heute stellt er dies bei „Ich bin der Nachtwind“ und „Seemannsgarn“ erneut unter Beweis und besonders die Ansage, er hätte den Titelsong des neuen Albums für seine Tochter geschrieben zeigt den Sänger von einer ganz privaten Seite.

Mit „Die letzte Schlacht“ beenden TANZWUT sehr passend das reguläre Set, kommen aber nach wenigen Augenblicken schon wieder zurück auf die Bühne. Alexius darf den Zugabenblock mit einem „Dracula“-Solo eröffnen, das in „Toccata“ vom „Schattenreiter“-Album übergeht. Mit dem einzig wahren Liebeslied „Bitte bitte“ von den Ärzten, „Der Wächter“ und schließlich „Hymnus Cerberi“ greifen die Jungs nochmal tief in die Mottenkiste und die Fans freuen sich über die alten Gassenhauer.

    1. Herrenlos und Frei
    2. Galgenvögel
    3. Schreib es mit Blut
    4. Auferstehung
    5. Ich bin der Nachtwind
    6. Der Puppenspieler
    7. Freitag der 13.
    8. Seemansgarn
    9. Das Gerücht
    10. François Villon
    11. Bruder Leichtsinn
    12. Reicher als ein König
    13. Gib‘ mir noch ein Glas
    14. Reiter ohne Kopf
    15. Brüder im Geiste
    16. Geteert und gefedert
    17. Das Gewissen
    18. Die letzte Schlacht
    19. Toccata
    20. Bitte bitte (Die-Ärzte-Cover)
    21. Der Wächter
    22. Hymnus Cerberi

Nach insgesamt knapp drei Stunden Mittelalter-Rock ist der Abend vorbei und die Fans mehr als zufrieden. Es ist schön zu sehen, dass es immer noch Bands des Genres gibt, die sich nicht an den Rock-Mainstream anbiedern oder ihre Konzerte für pathetische Reden nutzen, sondern einfach nur Lust auf die Musik und das Lebensgefühl haben. TANZWUT sind auch nach 20 Jahren kein bisschen altersmüde und mit jungen Bands wie HARPYIE gibt es noch Hoffnung für die Szene.

Publiziert am von Juan Esteban

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