Konzertbericht: Talco Maskerade

02.10.2020 München, Backstage (Arena Süd)

Im Sommer die Open-Airs, im Herbst, Winter und Frühling die Club-Shows. Das war, der Logik der Jahreszeiten und Temperaturen folgend, der übliche Trott. Doch die Corona-Pandemie hat so manch gewohntes Prozedere so rapide wie radikal verändert – und so auch diesen Rhythmus. Denn wenngleich Indoor-Shows mit entsprechenden Auflagen wieder möglich sind, ist die Open-Air-Show doch die fraglos nochmal sicherere Variante – und so veranstaltet das Backstage München bis in den Oktober hinein auf der Area der Arena Süd Konzerte im Freien.

Dass das gewagt ist, steht außer Frage, fallen die Temperaturen nachts doch bereits in den einstelligen Bereich – und Warmtanzen ist im Rahmen des Infektionsschutzes natürlich verboten. Umso erfreulicher für die rund 400 Ska-Fans, die sich am heutigen Freitagabend in Fünfergruppen an Bierbankgarnituren verteilt haben, dass ein kräftiger Fönwind München und der Show von TALCO nochmal einen fast lauen Spät(-spät-spät)sommerabend beschert.

Die Italiener haben die Quarantäne produktiv genutzt und unter dem Titel „TALCO Maskerade“ eine Akustik-Version ihrer selbst erschaffen. Während das dazugehörige Album „Locktown“ erst im Frühjahr 2021 in die Läden kommt, reisen die aus Marghera bei Venedig stammenden Musiker mit dem Programm bereits durch Europa.

Das Akustik-Programm als Abstandsshow in Pandemiezeiten erweist sich als fairer Gleichmacher: Denn nicht nur das Publikum muss heute sitzen bleiben – auch TALCO selbst spielen sich sitzend durch ihr 75-Minuten-Set. In den ruhigen Parts verleiht das der Show eine Atmosphäre, zu der Sitzen tatsächlich passt. Und in den wilden, die zum Moshen einladen würden, kann man sich immerhin damit trösten, dass auch die ansonsten wild herum hüpfenden Musiker nur auf ihren Stühlen aus sich heraus können. Vielleicht liegt es daran, vielleicht an der bemerkenswerten Disziplin der Zuschauer, dass heute alle nur einen inneren Pogo tanzen, während sie nach außen hin fast still auf ihren Bierbänken sitzen.

Musikalisch funktioniert das Akustikprogramm erwartungsgemäß gut: Der melodiereiche Ska von TALCO lässt sich im Ruhigen wie Harten einwandfrei auch akustisch darbieten. Dazu wechselt Emanuele „Jesus“ Randon munter zwischen Gitarre, Banjo und Mandoline, während Fronter Tomaso „Dema“ De Mattia auch ohne schützende Zerrgitarrenwand fast immer die richtigen Töne trifft. Dass dieser heute Geburtstag feiert, sorgt zudem für unbeschwerte Atmosphäre: gleich mehrfach wird „Happy Birthday“ angestimmt, und als Dema zwischendurch von der Bühne muss, weil die Blase drückt, rechtfertigt er dies durch sein neues Alter.

Nach 75 Minuten, als nicht nur alle Klassiker wie die Fussballhomage „St. Pauli“ oder das Traditional „Bella Ciao“ gespielt sind, sondern auch die neue Single „Descarrilla“ und überhaupt alles, was man sich als TALCO-Fan nur wünschen kann, lässt sich eines festhalten: Wenn man nur will, funktioniert auch Ska im Sitzen. Draußen. Im Oktober. Zumindest solange die Temperaturen zweistellig sind.

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