Konzertbericht: Sycronomica w/ Commander, Waldwind

Bei SYCRONOMICA handelt es sich, anders kann man es nicht sagen, um eine Instanz der Münchner Black Metal-Szene. Und auch, wenn sie es mit der Bühnenpräsenz in den letzten Jahren vielleicht etwas übertrieben haben und ein wenig um AmonAmarth-Syndrom kränkelten, muss man ihnen dabei durchaus zu gute halten, dass sie ihre Sache eigentlich nie schlecht machen – so auch am heutigen Abend, für den es mit dem Abschied gleich zweier langjähriger Mitglieder einen wirklich triftigen Anlass gibt. Doch dazu später mehr, begann der Abend doch mit einer anderen Band.

Vor einem charmanten, handgepinselten Backdrop eröffnen die ambitionierten Pagan-Metaller von WALDWIND den Abend mit fast zwanzigminütigem Verzug. Wer bei „Pagan Metal“ nun jedoch an eingängige Songs mit fröhlichen Melodien und Ohrwurmcharakter denkt, wird bei WALDWIND nicht unbedingt glücklich – handelt es sich hierbei doch eher um jene Art „Pagan“ (oder wie immer man diesen Stil nun treffender bezeichnen mag), dem sich auch Negura Bunget verschrieben haben: Ausladende Songgebilde, zwischen Black Metal und atmosphärischen Improvisationen, erweitert um einige im Black Metal eher exotische Instrumente wie ein Didgeridoo oder, noch etwas aussergewöhnlicher, eine Posaune erweitert, die nicht nur als Effektinstrument, sondern im regulären Lineup bei jedem Song zum Einsatz kommt.
Das klingt, alles in allem nach einem interessanten Konzept. Ist es auch, jedoch bislang leider nicht viel mehr als das… mangelt es doch bei der Umsetzung noch im großen Stil. Zwar merkt man der Band an, dass sie ihre Musik lebt, und auch die von den Black Metal-Kollegen Nebelkrähe ausgeliehenen Sessionmusiker an Bass und Schlagzeug geben alles, jedoch ist das Resultat aller Bemühungen noch eher mäßig unterhaltsam: Zu strukturlos, chaotisch und uneingängig sind die Songs, zu hilflos wirken die die Songs verbindenen „Improvisationen“, und zu deutlich offenbart sich, warum die Posaune im Black/Pagan-Bereich nicht seit Jahren zur Standardbesetzung gehört: Bis auf ein, zwei Stellen, an denen der Effekt wirksam die Gesamtatmosphäre verdichtet, wirkt das Instrument durchweg fehl am Platz… ein Eindruck, der durch die Tatsache, dass zumindest heute auch nahezu kein Ton getroffen wird, weiter untermauert wird.
Entsprechend sparsam fallen die Reaktionen des Publikums aus – beziehungsweise des Teils, der sich nicht im Vorraum bei Bier oder, noch einen Schritt weiter, vor dem Gebäude bei einer Zigarette die Zeit vertreibt.
Treffendster aufgeschnappter Publikumskommentar: „Joa, das is‘ halt… Avantgarde“.
Mutig ist es allemal, was die Herren hinter Fronter Neurg, der mit großer Bühnenpräsenz zu retten versucht, was noch zu retten ist, darbieten… und allein das verdient eine gewisse Anerkennung.

Setlist WALDWIND:
Intro
01. Steinbock
02. Gen Wipfel
03. Lichter Wirren
04. Dämmerung
05. Nordlicht
06. Rote Wälder

Weniger experimentell, dafür deutlich routinierter geht es mit COMMANDER weiter. Während WALDWIND heute erst ihren dritten Gig absolviert haben, sind die Oldschool-Deather bereits seit zehn Jahren in der Szene unterwegs – und haben in dieser Zeit offensichtlich einiges an Routine gesammelt, die der Vierer von der ersten Sekunde an in seine Bühnenshow einbringt:
Nach kurzem Intro eröffnen die Deather ihr Set mit „Salvation For A Dead World“ vom Debüt-Album sowie „Trust in Man“ vom noch aktuellen „The Enemies We Create“-Langspieler.
Das Publikum, das sich mittlerweile nahezu komplett vor der Bühne versammelt hat, nimmt diese groovenden Old-School-Death-Brecher dankbar an und als Anlass, kräftig die Haare kreisen zu lassen. Doch auch die Band lässt sich nicht lumpen und gibt Vollgas, schaffen sie es doch offensichtlich spielend, auf der Bühne eine beachtliche Energie zu bündeln und diese direkt auf das Publikum zu übertragen.
Bereits mit dem dritten Song, „Chaos Awakening“, geht es dann zu Material des kommenden Albums, welches, obwohl noch unbekannt, vom Publikum nicht minder abgefeiert wird – wenn das mal nicht als gutes Zeichen zu werten ist.
Nach einer guten Dreiviertelstunde beenden COMMANDER mit „Schutt und Asche“einen vollends gelungenen Auftritt, bei dem es jedem Death-Metal-Fan warum ums Herz wurde.
Warum ums Herz wird einem auch bei den Merchandise-Preisen der Herren: Für 5€ werden sämtliche Shirts und CDs der Truppe rausgehauen, um Platz für das neue Album und entsprechendes Merchandise zu schaffen. Der Fan dankts, und so steigt die Zahl der COMMANDER-Shirtträger an diesem Abend deutlich.

Setlist COMMANDER:
01. Salvation For A Dead Man
02. Trust In Man
03. Chaos Awakening
04. New Slave Democracy
05. Fatalis – Chapter III
06. Vengeful Angel
07. Dead But Alive
08. My Worst Enemy
09. Ira
10. Valley Of Fallen Stars
11. Modern Slavery
12. Schutt und Asche

Zu guter letzt sind es nun SYCRONOMICA, deren Aufgabe es ist, die von COMMANDER vorgelegte Stimmung zu halten – ein Unterfangen, das sich als nicht ganz einfach erweist, wie sich allein daran zeigt, dass sich die Publikumsmenge zum Auftritt der Melodic Black Metaller hin zwar nicht drastisch, aber doch merklich reduziert hat.
Davon unbeeindruckt geben Sänger Oli und co. dennoch alles und starten nach dem Intro sogleich mit „Kaleidoscope“ sowie „Realm Of Dust And Ashes“ vom aktuellen Langspieler „Sycroscope“. Während die alten Sachen ja viel Augenmerk auf „düdelnde“ Keyboards setzen, geht es hier etwas gradliniger zu Werke, was der Band durchaus gut zu Gesichte steht – und wieder fliegen die Haare der ersten Reihen.
Doch auch ältere Songs dürfen heute natürlich nicht fehlen, und so finden mit „Für die Ewigkeit“ und „To The Rivers End“ (vom zweiten Album „Gate“) und „Creations Of Mine“ wie auch dem Titeltrack vom von vielen Fans immernoch als Bestes SYCRONOMICA-Album angesehenen „Paths“ auch die SYCRONOMICA-Klassiker ihren Weg ins Set.
Von Abschiedsschmerz ist wenig zu merken, statt dessen feiert die Band ein letztes Mal kräftig zusammen und bietet den Fans eine Show, die wenig Anlass zu Kritik bietet. Und doch, ein bisschen ein schales Gefühl bleibt am Ende doch, wirken die Auftritte von SYCRONOMICA auf mich einfach immer einen Zacken zu einstudiert, zu brechnet und zu steril. Wirklich mitreißend wirkt das Sextett auch heute nicht auf mich… aber vielleicht habe ich die Band in den letzten Monaten auch schlicht zu oft mit gefühlt immer gleicher Setlist erlebt.

Auch wenn der Sound bei WALDWIND alles andere als prickelnd war (vielleicht auch ein Grund für einige der Ungereimtheiten im Auftritt der Band), kann man alles in allem von einem wirklich gelungenen Abend sprechen: Für sieben Euro bekam der geneigte Fan doch einiges geboten… und auch, wenn bei einer derartigen Bandzusammenstellung sicher nicht jeder an allem Freude findet, so war doch für jeden etwas dabei.

Setlist SYCRONOMICA:
Intro: Preludium III
01. Kaleidoscope
02. Realm Of Dust And Ashes
03. Für die Ewigkeit
04. Creations Of Mine
05. To The Rivers End
06. The Call
07. Paths
08. Alt Lys Er Svunnet Hen (Cover)

Publiziert am 25. Juli 2010 von Moritz Grütz

Fotos von: Moritz Grütz