Festivalbericht: Summer Breeze Open Air 2010 – Teil 1

18.08.2010 - 20.08.2010 Dinkelsbühl

Dass das Summer Breeze sich langsam aber sicher zu DEM deutschen Festival entwickelt, ist nicht erst bekannt, seit es das erfolgreichste und beste in Süddeutschland ist. Die Organisation galt seit jeher darauf bedacht, trotz großer Bands für eine noch angemessen familiäre Atmosphäre zu sorgen und die Preise entsprechend akzeptabel zu halten. Das gelang die letzten Jahre über, das großartige Bandaufgebaut, das regelmäßig im bayrischen Dinkelsbühl aufgefahren werden konnte, rechtfertigte jeden Besuch. Auch anno 2010 durfte man sich einen Wolf auf die Tage vom 18.-21. August freuen – zurecht?

Mittwoch,18.08.10:

Party-Stage (Zeltbühne)
Mit den SUICIDAL ANGELS startet für mich das Summer Breeze 2010. Die Thrasher aus Griechenland, die spätestens seit ihrem Vertrag mit Nuclear Blast wohl jedem Fan dieses Genres bereits über den Weg gelaufen sind, beginnen ihren Auftritt engagiert mit „Mourning Of The Cursed“ von ihrem letzten Langspieler „Sanctify The Darkness“ und zeigen, dass sie in den letzten Monaten einiges an Live-Routine dazugewonnen haben. Der Show tut’s gut, und so wissen die vier Athener durch überzeugende Bühnenpräsenz durchaus zu überzeugen – ganz darüber hinwegtäuschen, dass sie musikalisch jedoch nicht zu den innovativsten Newcomern des Genres gehören, können sie damit jedoch nicht, so dass nach gut der Hälfte der Show doch langsam die Luft raus ist. Zumindest der Sound auf der Zeltbühne verspricht jedoch einiges – in Anbetracht der Tatsache, dass die meisten schwarz- und todesmetallenen Konzerte hier stattfinden, durchaus beruhigend.

Setlist SUICIDAL ANGELS:
01. Mourning Of The Cursed
02. Pestilence Of Saints
03. Bloodthirsty
04. Bleeding Holocaust
05. Vomit On The Cross
06. Jesus Lies
07. Inquisition
08. Dead Again
09. Apokathilosis

[Moritz Grütz]

Wenn Rastas Kreise ziehen und kantiger Brutal/Technical Death Metal aus den Verstärkern dröhnt, taucht sofort eine bestimmte Reihe von Namen im Kopf auf. SUFFOCATION stehen dabei an vorderster Front – das wusste auch die Summer Breeze-Audienz, die das zuvor bei Suicidal Angels schon reichlich gefüllte Zelt nun fast zum Bersten brachte. Den Startschuss in die nächsten ziemlich brutalen 45 Minuten gibt der „Pierced From Within“-Klassiker „Thrones Of Blood“, auf den auch sogleich dessen Hitvorgänger „Liege Of Inveracity“ folgt. Frontmann Frank Mullen zeigt sich fit wie eh und je, Formschwächen der vergangenen Jahre scheinen definitiv überwunden. SUFFOCATION fühlen sich auch sichtlich von der letztjährigen Veröffentlichung ihres aktuellen Werks „Blood Oath“ gestärkt, dessen Titeltrack ebenfalls zum besten gegeben wird, ehe sie mit „Infecting The Crypts“ nochmal einen Song ihres Debüts auf die Meute loslassen. Die US-Amerikaner können es immer noch – und wie!

Setlist SUFFOCATION:
01. Thrones Of Blood
02. Liege Of Inveracity
03. Cataclysmic Purification
04. Catatonia
05. Pierced From Within
06. Blood Oath
07. Entrails Of You
08. Infecting The Crypts

[Dennis Piller]

Nach SUFFOCATION geht es mit RAGE nicht ganz so hart, jedoch umso wuchtiger weiter: Das Dreigestirn Peacy, Victor und Andre kann mit seiner fast 25jährigen Bandgeschichte wohl auch auf genug Erfahrung zurückblicken, um einen Gig wie den heutigen routiniert über die Bühne zu bringen. So lassen sich RAGE auch nicht aus dem Konzept bringen, als die Technik, über die die Orchesterspuren eingesampelt hätten werden sollen, versagt: Statt hysterische Rettungsversuche zu unternehmen, schmeißen RAGE einfach ihre vorbereitete Setlist über den haufen und entscheiden spontan, was gespielt wird. Ob der Tatsache, dass die Orchester-Stücke von RAGE durchaus nicht die ungeteilte Liebe aller Fans genießen, eine Wendung, die von so manchem Zuschauer durchaus freudig aufgenommen wird. Da die Nordrheinwestphalen ansonsten von technischen Problemen verschont bleiben, alles in allem ein gelungener Auftritt, der vor allem eines gezeigt hat: RAGE haben an ihrer Musik mindestens genausoviel Freude wie ihre Fans – und genau so sollte das sein.

Setlist RAGE:
01. Edge Of Darkness
02. Soundchaser
03. Hunter And Prey
04. Into The Light
05. Drop Dead!
06. Empty Hollow
07. Higher Than The Sky
08. Down
09. Set This World On Fire
10. War Of Worlds
11. Carved In Stone

Mit UNLEASHED sind nun die nächsten Urgesteine bei der Nuclear Blast-Labelnight an der Reihe. Was zwischen den beiden Auftritten schiefgelaufen ist, bleibt wohl auf immer ein Geheimnis – Fakt jedoch ist, dass der Sound beim ersten Track der Schweden um Längen schlechter ist als der, mit dem RAGE ihren Auftritt beschlossen hatten.
So macht das „Hammer Battallion Unleashed“ seinem Namen anders als geplant alle Ehre, ist doch während der ersten Songs nahezu ausschließlich die Doublebass zu hören.
Zwar bekommen die Techniker dieses Problem im Laufe der Zeit halbwegs unter Kontrolle, von einem Sound wie noch bei den vorangehenden Konzerten sind UNLEASHED jedoch dennoch noch weit entfernt. Ob es nur daran liegt, oder doch auch an der Performance selbst, vermag ich nicht zu beurteilen – Fakt ist, dass der Auftritt, verglichen mit den letzten Clubshows oder dem Auftritt auf dem Party.San 2009 relativ schleppend in Fahrt kommt und auch bei seinen theoretischen Höhepunkten wie dem deutsch gesungenen „Wir kapitulieren niemals“ oder dem traditionell finalen „Death Metal Victory“ relativ lahm wirkt.

Setlist UNLEASHED:
01. Winterland
02. Blood Of Lies
03. This Is Our World Now
04. Shadows In The Deep
05. Hammer Battalion
06. The Greatest Of All Lies
07. Your Children Will Burn
08. Wir kapitulieren niemals
09. Into Glory Ride
10. Legal Rapes
11. The Longships Are Coming
12. Death Metal Victory

[Moritz Grütz]

Ihre Wurzeln lassen sich – rein musikalisch – durchaus bei den US-Amerikanern vermuten, mit denen sie an diesem Mittwochabend (oder besser gesagt diesem frühen Donnerstagmorgen) die Bühne teilen – und trotzdem sind ANNOTATIONS OF AN AUTOPSY eine ganz eigene Geschichte für sich. Spielten sie in ihrer Anfangszeit noch angesagten Deathcore, haben sich die Briten mittlerweile auf moderneren Death Metal eingefahren – der ihnen außerdem einen Vertrag bei Nuclear Blast Records einbrachte. Wie berechtigt das ist, zeigt das Publikum, das trotz später Stunde (es ist schon fast halb drei) noch zahlreich vor der Bühne steht, auch wenn dem ein oder anderen schön die Äuglein zufallen. Belohnt werden sie von einer mit reichlichen Breakdowns angereicherten Melange aus eingängiger Härte und purer Aggression, die sich die meiste Zeit über in Songs des aktuellen Albums „II: The Reign Of Darkness“ ausdrückt – nach einer Weile aber, zusammen mit der Uhrzeit, für die ersten Ermüdungserscheinungen sorgt.

Setlist ANNOTATIONS OF AN AUTOPSY:
01. Bone Crown
02. Prosthetic Erection
03. Human Dust
04. Cryogenica
05. Go Go Gadget
06. Welcome To Sludge City
07. Born Dead

Da kommen die darauf folgenden MILKING THE GOATMACHINE gerade recht, die – bevor sie die Bühne entern – scheinbar noch einen Raubzug in der Ziegenwarenabteilung des Supermarkts in Dinkelsbühl hinter sich gebracht haben. Die Ziegenmasken und Bühnendeko allgemein sind nicht nur sehenswert, sondern passen auch zur ausgeflippten Stimmung, die die Deutschen mit ihrer Musik vermitteln. Zwar hat das Quartett mit dem Debüt „Back From The Goats“ erst ein Album im Rücken, Songs wie „Goat Thrower“, „Surf Goataragua“ und „Bingo Bongo“ machen aber nicht nur Spaß, sondern stehen – zur Überraschung einiger Anwesender, die lediglich noch wegen des visuellen Unterhaltungsfaktors der Band geblieben sind – auch für sehr amtlichen Brutal Death/Grindcore. Ein tierisch starker Abschluss des ersten Festivalabends!

Setlist MILKING THE GOATMACHINE:
01. March Into Shed
02. Born, Lost, Captured
03. Eaten Blessed Scum
04. Sour Milk Boogie
05. Goat Thrower
06. Wasting Away
07. Here Comes Uncle Wolf
08. Beware Of The Wolf
09. Milk Me Up
10. Last Unigoat
11. Surf Goataragua
12. Feed The Goat
13. Bingo Bongo
14. Back From The Goats

[Dennis Piller]

Donnerstag,19.08.10

Pain Stage
Früh geht es am Donnerstagmorgen hoch aufs Festivalgelände, denn: Auf der Pain Stage wird nicht nur der Gewinner des am Vortag ausgetragenen Newcomer-Contests feierlich gekürt, sondern dieser darf sich auch gleich mit einem weiteren Auftritt verewigen. Vollkommen zurecht konnten sich BLEEDING RED diesen Sieg sichern und zeigten unter der gleißenden Sonne, dass dies vollkommen zurecht geschah. Eine extrem stimmige Mischung aus Thrash und Death Metal, teilweise schwedisch-melodische Anleihen und eine spielerische Leichtigkeit, die wohl in den noch jungen Jahren der einzelnen Bandmitglieder fußt, waren es dann auch, die diesen – wenn auch etwas kurzen – Auftritt zu einem der besten des ganzen Festivals machten. Beachtlich für Jungspunde wie diese. Vor allem Frontmann Timo konnte mit netten und nicht übertrieben klischeehaften Ansprachen deutliche Sympathiepunkte sammeln, die eigentlich gar nicht nötig gewesen wären, denn: Auch das langsam aber sicher anwachsende Publikum vor der Bühne fuhr höllisch auf den Genremix ab, der seine Höhepunkte immer wieder in rasand schnellen Leads und Soli fand – ein beeindruckendes Zeugnis der technischen und spielerischen Fertigkeiten der Kombo. Taucht in Zukunft irgendwo der Name BLEEDING RED auf, muss man ganz genau hinhören. Auf die Jungs kommt noch Großes zu, ganz sicher.

Setlist BLEEDING RED:
01. Bloodforce
02. The Running Man
03. Wasted Screams
04. Calling For Your Downfall
05. Launch Damnation Fall

Main Stage
BARREN EARTH hatten im Anschluss eine nicht leichtere Aufgabe. Obwohl die Band praktisch ein Allstar-Trupp ist, aus derzeitigen und ehemaligen Mitgliedern von Kreator, Swallow The Sun, Amorphis und Moonsorrow besteht, ist der an sich relativ komplexe Melodic Death Metal keine leichte Kost für einen frühen Festivaltag. Weniger verwunderlich war es dann auch, dass die Mannen um Sänger Mikko Kotamäki (Swallow The Sun) ein wenig verloren auf der übergroß dimensionierten Main Stage wirkten, obwohl das Band-Banner in Übergröße deutlich im Hintergrund zu sehen war. Trotzdem gibt die Truppe ihr Bestes, intoniert den Titelsong ihres Debüts „Curse Of The Red River“ mit beachtlicher Präzision, zeigt sich ansonsten äußerst agil. In der zweiten Hälfte ihres Gigs wird dann auch klar, dass BARREN EARTH keinesfalls lediglich das Beste daraus machen wollen, sondern sich ordentlich ins Zeug legen. Die darauf folgenden „Leer“ und „Floodred“ überzeugen nämlich vollständig, dass melodischer Death Metal auch anno 2010 noch verdammt hart, kantig und nachdenklich sein kann. Schade, dass es die beiden letzten Songs ihres Sets waren. BARREN EARTH empfehlen sich für die nächsten Jahre definitiv als eine Band des frühen Abends.

Setlist BARREN EARTH:
01. Curse Of The Red River
02. Our Twilight
03. Forlorn Waves
04. Flicker
05. The Leer
06. Floodred

Main Stage
Die Sonne machte immer noch mörderisch zu schaffen, das Zelt des DRK hatte alle Hände voll mit Leuten zu tun, die sich zu früh zu viel hinter die Binde gekippt haben, ohne dabei die Rechnung mit ihrem Kreislauf zu machen. Topfit waren hingegen die Hüpfmonster von PARKWAY DRIVE, die am späten Nachmittag bisher am meisten Leute vor die Main Stage zogen. Dass das kein Wunder ist, kann man relativ schnell daran feststellen, dass die aus Australien eingeflogenen Metalcore-Helden wirklich den letzten Rest aus sich herausholen, auf der Bühne agieren, als hätten sie alle nur erdenklichen Aufputschmittel eingeschmissen. Dass es dazu lediglich das genau so steilgehende Publikum brauchte, zeigt sich am besten am Gassenhauser „Killing With A Smile“ und dem vom gesamten Volk intonierten Leichtspruch „Cry me a fucking river, bitch!“ Grandiose Show, die einen nach einem kleinen Mittagsschlaf definitiv wieder wachrüttelte!

Setlist PARKWAY DRIVE:
01. Unrest
02. Idols And Anchors
03. Romance Is Dead
04. Smoke ‚Em If Ya Got ‚Em
05. Sleepwalker
06. Dead Man’s Chest
07. Deliver Me
08. The Sirens‘ Song Wreckage Carrion Boneyards

Party Stage
Kaum weniger modern präsentieren sich dann TRACEDAWN im Party-Zelt. Auch wenn die jungen Finnen nicht die besten Lichteffekte haben und das Zelt unangenehm düster bleiben, „rocken die Jungs die Scheisse so richtig fett“, um es mit den überraschend deutlich zu verstehenden Worten des Frontmanns zu sagen. Das letzte Album „Ego Anthem“ schlug auch in Deutschland mit einigem Erfolg ein, überraschend sind die kreischenden weiblichen Fans aber dennoch, die die erste Reihe fest in ihrem Griff halten. Verübeln kann man es ihnen nicht, denn es sind recht schmucke Burschen, die da auf der Bühne stehen – und verdammt eingängige Musik machen können, muss erwähnt werden. Vor allem „Dirt-Track Speedball“ hält genau, was der Titel verspricht, ist ein rasant-melodischer Todesmetall-Spaß für die ganze Familie. Coole Band, coole Jungs, cooler Auftritt. Gerne wieder!

Setlist TRACEDAWN:
01. In Your Name
02. Justice For None
03. Make Amends
04. Test Of Faith
05. Dirt-Track Speedball
06. Scum

Main Stage
Szenewechsel, Genrewechsel – Pain Stage, Hardcore. AGNOSTIC FRONT. Mehr muss eigentlich gar nicht gesagt werden. Die US-Amerikaner stehen wie kaum eine zweite Band für den New York-Hardcore der frühesten Stunde, gelten vielen außerdem – berechtigterweise – als Vorreiter dessen, was heute als Metalcore bekannt ist. Was es damit wirklich auf sich hat, ist aber eigentlich auch egal, denn was die Mannen um Roger Miret hier wieder für eine Show abliefern, verdient einfach nur noch Respekt. Die jüngsten sind sie alle nicht mehr, trotzdem werden selbst die Songs der ersten beiden Alben mit erschreckender Detailtreue wiedergegeben, ein Unterschied im Gesang von Stigma ist höchstens darin zu bemerken, dass er noch angepisster klingt als vor 30 Jahren. Kein Wunder, dass bei Songs wie „Gotta Go“ und „Take Me Back“ keiner mehr still stehen bleiben kann. Energie pur!

Setlist AGNOSTIC FRONT:
01. Eliminator
02. Dead To Me
03. Outraged
04. For My Family
05. Friend Or Foe
06. All Is Not Forgotten
07. Peace,
08. Crucified
09. Victim In Pain
10. Warriors
11. Black And Blue
12. Gotta Go
13. Take Me Back
15. Addiction

[Dennis Piller]

Party-Stage (Zeltbühne)
Mit INSOMNIUM sind nun wahre Meister ihres Fachs an der Reihe – und vielleicht die Aufsteigerband der letzten Jahre: Bereits 2006, als die Truppe mit Satyricon ihre erste Deutschlandtour spielte, konnten die Finnen durch Sympathie und großartige Songs überzeugen – heute, vier Jahre und vier Touren später, gehören INSOMNIUM nicht nur zu regelmäßig gern gesehenen Gästen in unseren Breitengraden, sondern auch zu einer der besten Live-Acts, die der Melodic Death Metal zu bieten hat: Von Bühnenpräsenz über Zusammenspiel bis hin zur Interaktion von Front-Bassist Niilo Sevänen, der so viele Ansagen wie möglich auf deutsch vorzubringen versucht, mit dem Publikum… hier stimmt so ziemlich alles. Verstärkt durch SWALLOW THE SUN-Keyboarder Aleksi Munter präsentiert die Band zwar vorwiegend Matieral ihrer letzten beiden Album, „Above The Weeping World“ und „Across The Dark“, doch wer will sich beklagen – schließlich ist die Festivalspielzeit streng begrenzt und klar, dass man vor allem aktuelles präsentieren will. Dem Publikum gefällts, und so werden die Finnen abgefeiert wie kaum eine Band bisher: Taktmitklatschen und HeyHey-Sprechchöre in den Pausen zwischen den Songs sind hier obligatorisch, und als der Auftritt nach einer Dreiviertelstunde viel zu schnell vorüber ist, sind wohl im Geiste bereits die ersten Tickets für die kommende Herbst-Tour mit Dark Tranquillity gekauft.

Setlist INSOMNIUM:
01. Equivalence
02. Down With The Sun
03. Where The Last Wave Broke
04. The Harrowing Years
05. The Killjoy
06. The Gale
07. The Mortal Share
08. Weighed Down With Sorrow

[Moritz Grütz]

Pain Stage
Was habe ich mich – mit Tausenden anderen – auf diese Band gefreut: DARK TRANQUILLITY, die das Summer Breeze Open Air endlich wieder beehrten und einen dankbaren Slot in der Dunkelheit des Abends bekommen haben. Die Erwartungen der versammelten Anhängerschaft waren entsprechend riesig, Mikael Stanne und seine Männer mussten sich entsprechend ins Zeug legen, ihnen auch gerecht zu werden. Doch wenn man die schwedische Melodic Death Metal-Legende ein Mal gesehen hat, weiß man: Auf DARK TRANQUILLITY ist Verlass – überall und jederzeit, das beweisen sie auch mit diesem Auftritt wieder. Obwohl vor allem der Gesang die ersten zwei Songs über noch ein wenig zu leise ist, spielt Fronter Stanne wie gewohnt die tragende Rolle des Geschehens. Der Schönling ist äußerst agil, was das Stageacting angeht, wird gar nicht damit fertig, dem Publikum zu sagen, wie gerne er es hat.
Überraschenderweise werden auch nicht – wie bei einer Neuveröffentlichung denkbar – nur Songs des neuen Langspielers „We Are The Void“ dargeboten. Selbstverständlich machen davon stammende Titel wie „At The Point Of Ignition und „The Fatalist“ gleich zu Anfang oder „Dream Oblivion“ mächtig Stimmung auch unter den jüngeren Fans der Band, während – auf der anderen Seite – auch für Dauerfreunde etwas dabei ist, wie beispielsweise das von „The Gallery“ stammende „Punish My Heaven“. Da sich in der zweiten Hälfte der Show auch die kleinen Soundprobleme in Luft aufgelöst haben, kann Stanne vor allem mit den passagenweisen clean Vocals ordentlich punkten. Ein denkwürdiger Auftritt, den die Schweden hier inszeniert haben. Ganz großes Kino!

Setlist DARK TRANQUILLITY:
01. At The Point Of Ignition
02. The Fatalist
03. Focus Shift
04. The Wonders At Your Feet
05. Final Resistance
06. Therein
07. Lost To Apathy
08. Misery’s Crown
09. Punish My Heaven
10. Iridium
11. Dream Oblivion
12. Terminus (Where Death Is Most Alive)
[Dennis Piller]

Nach dem, wie den Gesichtern der Fans anzusehen ist, wohl gelungenen Auftritt von SWALLOW THE SUN folgt mit TRIPTYKON ein erster Höhepunkt des Summer Breeze 2010: Die Celtic Frost-Nachfolgeband, die mit ihrem Debüt-Album „Eparistera Daimones“ erst unlängst zu überzeugen wusste, hat sich bislang auf dem Live-Sektor rar gemacht – so dass wohl der Großteil der zahlreichen Anwesenden seinem ersten TRIPTYKON-Konzert beiwohnt.
Entsprechend hoch ist die Spannung beziehungsweise auch die Erwartung an den Auftritt. Pünktlich auf die Minute betritt um 21:45 Altmeister Thomas Gabriel Fischer in Begleitung seiner Band (u.A. mit Dark Fortress-Gitarrist V. Santura) die Bühne – im klassischen Celtic Frost-Look mit schwarzer Augenschminke und Seemannsmütze. Und auch sonst sind Celtic Frost hier präsenter denn erwartet: Gleich der erste Song, „Procreation (Of The Wicked)“, ist ein Klassiker aus den Anfangstagen der Schweizer, und auch „Circle Of The Tyrants“ und „Babylon Fell“ sind keine Neukompositionen TRIPTYKONs, sondern alte Bekannte. So finden mit „Goetia“ und „The Prolonging“ lediglich zwei echte TRIPTYKON-Songs ihren weg in die Setlist – für meinen Geschmack fast etwas zu wenig. Auch die Liveumsetzung bringt einige Schwierigkeiten mit sich: Konnten Celtic Frost bei ihrem mitreißenden Konzert auf Wacken 2006 (zugegebenermaßen in einem ganz anderen, weitaus größeren Setting) als Ganzes eine beeindruckende Stimmung heraufbeschwören, präsentieren sich TRIPTYKON – wie zu erwarten – als One-Man-Show des Warriors. Dieser füllt diese Rolle zwar gut aus, dennoch kann sich die Atmosphäre der bisweilen doch recht langatmigen, monotonen Songs live nicht zu 100% entfalten.
Insgesamt ein beeindruckender Gig, der, genau wie das Album selbst, dennoch ein wenig hinter den (vielleicht übertrieben hoch angesetzten) Erwartungen zurückbleibt.

Setlist TRIPTYKON:
01. Procreation (Of The Wicked) [Celtic Frost]
02. Goetia
03. Circle Of The Tyrants [Celtic Frost]
04. Babylon Fell [Celtic Frost]
05. The Prolonging

Immer wieder Garant für Spiel, Spass und Death Metal sind MACABRE, wie sich nicht nur bereits auf dem Brutal Assault zeigte, sondern auch heute wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt wurde: Drei Mann, ein mehr oder minder witziges Bandkonzept und ein Haufen Talent in Sachen Songwriting reichen offenbar aus, um ein Zelt zum feiern zu bringen. So ist es reichlich voll im Partyzelt, als die Herren aus Chicago mit ihren markaberen Anekdoten über Mord und Totschlag, biehungsweise Mörder und Totschläger loslegen. Und egal, ob Songs vom kommenden Album oder Klassiker von den bisher veröffentlichten Werken – dem Publikum gefällts und auch die Death Metal-Veteranen scheinen ihre Freude zu haben. Und bei all dem schwarzen Humor in den Lyrics sollte eines nicht vergessen werden: Man hat es hier mit drei Ausnahmemusikern zu tun.

Setlist MACABRE:
01. Zodiac
02. Trial
03. Bloody Benders
04. Serialkiller
05. Night Stalker
06. Scrub A Dub Dub
07. Burk And Haire
08. Wustenfeld
09. You\’re Dying To Be With Me
10. Ile Man
11. Hitchhiker
12. Vampire
13. Ed Gein

Nachdem die „Murder Metaller“ MACABRE also den letzten Meuchelmörder abgefeiert und die Bühne geräumt haben, ist es nun Zeit für ein weiteres von mir mit großer Spannung erwartetes Event – den ersten Auftritt der Kieler Black Metaller ENDSTILLE mit ihrem neuen, nicht minder prominenten Sänger Zingultus (Nagelfar, Graupel).
Statt das räudige, blutverschmierte und mitreißende Auftreten von Ex-Sänger Iblis zu imitieren, versucht Zingultus dabei, den würdevollen Ehrenmann zu geben – ein Auftreten, das dem in ein weißes Hemd gekleideten Fronter zwar, nicht zuletzt dank eines Rednerpultes, auf das gestützt er eine einleitende Rede verliest, recht gut gelingt, der Band als solcher jedoch dafür umso weniger gut zu Gesichte steht.
Vielleicht hat sich das Bild durch diverse ENDSTILLE-Konzerte schlicht zu tief in mein Unterbewusstsein eingebrannt, um es einfach beiseite zu legen… aber zumindest für mich passt das Saubermann-Image von Zingultus schlichtweg nicht zum Charakter dieser Band, deren Musik so räudig und dreckig aus den Boxen schallt, wie Iblis es in seinem Auftreten besser nicht hätte wiederspiegeln können. So vermag Zingultus, trotz wirklich achtbarer Leistung als Sänger, die Atmosphäre eines ENDSTILLE-Gigs nicht richtig aufleben zu lassen – eine Meinung, der offensichtlich nicht wenige der eh schon mäßig großen Fanschar sind, verkleinert sich diese doch noch während des Auftritts merklich. Daran kann auch die Präsentation eines eher mäßig aussagekräftigen neuen Stücks sowie der Gastauftritt des Kilt-Sängers Björn wenig ändern – doch zumindest schadet dieser auch nicht. Richtiggehend peinlich wird es jedoch, als ENDSTILLE Lugubrem, ihren mexikanischen Interimssänger, beim finalen „Navigator“ wieder auspacken. Mit Kinder-Corpsepaint der schlechtesten Sorte bepinselt, sich die Zunge mit einem Messer aufschneidend und Blut spuckend ist dieser zwar vielleicht „truer“ als Zingultus, dafür aber auch um längen lächerlicher und führt zumindest eines vor Augen: ENDSTILLE haben mit Zingultus zwar Iblis keinesfalls adäquat ersetzt, von allen Nachfolgern (Mannevond, Lugubrem…) ist er aber auf alle Fälle die beste Wahl und von derartigem Format, dass er es eventuell sogar schaffen könnte, ENDSTILLE mit der Zeit seinen Stempel aufzudrücken und einen Imagewandel herbeizuführen.
Alles in allem aber, und verglichen mit dem Auftritt auf der Mainstage des Summer Breeze 2008, ist zumindest dieses Gefecht noch ein herber Rückschlag für die Truppe aus Kiel.

Hohe Erwartungen hatte ich auch an den Auftritt der mysteriösen Düsterrocker THE DEVILS BLOOD, die nach den Deathern NECROPHAGIST an der Reihe sind – weniger, weil mich ihre Musik so unglaublich vom Hocker gerissen hätte, wie offenbar viele andere, als mehr, weil der Wirbel, der um diese Band gemacht wurde, kaum zu überbieten war. Spannend also, ob die Entdeckung des Darkthrone-Trommlers und selbsternannten Talent-Scouts Fenriz diesen Glorifizierungen als die Newcomerband schlecht hin gerecht werden könnte.
Sie wurde nicht, so viel sei vorhergesagt, unterhaltsam war das Konzert trotzdem, wenn auch auf andere Art und Weise… doch der Reihe nach…
Ob es an der späten Stunde liegt, oder daran, dass THE DEVILS BLOOD eben doch mehr gehyped werden, als sie tatsächlich beliebt sind, lässt sich nicht sagen. Fakt ist, dass es um kurz nach zwei überraschend leer ist im Partyzelt, zumindest leerer, als ich mir das erwartet hätte. Fakt ist auch, dass um 2:15 zwar weniger Fans als erwartet vor der Bühne stehen, es jedoch auch noch wenig Anlass gibt, überhaupt hier zu stehen: Denn statt ihren Auftritt zu beginnen, soundchecken THE DEVILS BLOOD in aller Ruhe weiter. Sicherlich, guter Bühnensound ist immer wünschenswert… aber wenns halt nicht klappt, muss man eben so raus und spielen – schließlich ist die Spielzeit auf einem Festival nicht nur knapp bemessen, sondern auch streng in Anfangs und Endzeit terminiert.
Mit einer guten Viertelstunde Verspätung beginnen THE DEVILS BLOOD ihren Auftritt dann doch noch – doch was hier geboten wird, ist wahrlich strittig: Statt einem rockigen Set, wie ich es erwartet hatte, präsentiert die blutübergossene Bande ihre Songs gehüllt in mäandernde Riffs, die entweder in einen rauschartigen Zustand oder aber eine Tiefschlafphase zu versetzen in der Lage sind. Während ich hart gegen zweiteres anzukämpfen versuche, verfällt die Band offensichtlich gänzlich in ersteren und streckt Songs weit über Albumänge durch stures Wiederholen des Mainriffs auf allen drei Gitarren. Als um 3:00 schließlich das Ende der regulären Spielzeit gekommen ist, sind THE DEVILS BLOOD wohl schon in einer anderen Welt angekommen: Wie in Trance spielen die Jünger des Teufelsblutes stur ihr Riff weiter und lassen sich auch von deutlichen Gesten des Stagemanagers nicht dazu verleiten, ihren Auftritt zu beenden. Als dieser schließlich zu drastischeren Mitteln greift, und erst die Bühnenmonitore, dann die PA ausschaltet und schließlich das Umbaulicht anmacht, geht Bandleader Selim Lemouchi zunächst kurz fluchend zum Verantwortlichen, um dann auf die Bühne zurückzukehren und unter dem Jubel des Publikums den Song nur über die Gitarrenverstärker weiterzuspielen.
Um dem Treiben ein Ende zu machen und wieder Herr der Lage zu werden, wird von den Verantwortlichen der Bühnenstrom schließlich komplett abgestellt, was Kindskopf Selim Lemouchi dazu verleitet, gegen Securitypersonal und Teile der eigenen Crew handgreiflich zu werden. Welche Substanzen neben der hypnotisierenden Wirkung des Auftritts für ein derartiges Verhalten verantwortlich sind, bleibt wohl Selims Geheimnis – alles in allem jedoch eine erbärmliche Aktion und ein beschämendes Ende einer alles andere als überragenden Performance.

Setlist THE DEVILS BLOOD:
01. Come, Reap
02. Rivers Of Gold
03. House Of 10.000 Voices
04. Rake Your Nails Across The Firmament
05. The Heaven’s Cry Out For The Devil’s Blood
06. The Graveyard Shuffle
07. Voodoo Dust
08. Christ Or Cocaine

Das unprofessionelle Auftreten von THE DEVILS BLOOD hat auch für die nachfolgenden AHAB Konsequenzen, können diese ihren eh schon reichlich spät angesetzten Gig deshalb erst mit guten zehn Minuten Verspätung beginnen – im Falle von AHAB bedeutet das: Ein Song weniger.
Mit „O Father Sea“ vom aktuellen Meisterwerk „The Divinity Of Oceans“ legen die Seebären auf der passend zur maritimen Atmosphäre in blaues Licht getauchten Bühne ihren Auftritt im für diese Uhrzeit immernoch recht ansehnlich gefüllten Partyzelt. Dennoch ist klar: Den Runningorder-Joker haben AHAB heute nicht gezogen, und auch allgemein muss ich an dieser Stelle sagen, dass mir die diesbezügliche Vorgehensweise der Summer Breeze-Organisatoren nicht eingehen will: Die Konzerte auf der Zeltbühne erst Nachmittags um drei beginnen zu lassen, dafür aber Bands zuzumuten, zwischen drei und vier Uhr nachts vor einem Häuflein voll- und schlaftrunkener Besucher zu absolvieren, erscheint mir wenig sinnvoll.
AHAB machen, und hier zeigt sich wiedereinmal die Qualität dieser Band, dennoch das beste daraus… und auch, wenn wohl Dank der durch THE DEVILS BLOOD herbeigeführten Verzögerung diesmal „The Hunt“ nicht mehr in die Setlist passt, bieten AHAB hier jedem Doom-Fan einen wirklich gelungenen Ausklang dieses Konzerttages.

Setlist AHAB:
01. O Father Sea
02. The Divinity Of Oceans
03. Old Thunder
04. Redemption Lost

[Moritz Grütz]

Freitag,20.08.10

Main-Stage
Nach einem alles in allem doch wenig überzeugendem Festival-Donnerstag kommt für mich das Summer Breeze 2010 erst mit den Folk Rockern von FIDDLER’S GREEN richtig in Fahrt. Die Jungs aus Erlangen lassen bei ihrem Auftritt wie erwartet wenig anbrennen (Ok, ich kannte die Band vorher nicht, aber der Ruf eilt ja doch manchmal voraus) und zocken gut gelaunt eine Dreiviertelstunde ihre wohlbekannten Klassiker auf – Ob nun „The Night Pat Murphy Died“ oder „The Rocky Road To Dublin“ spielt im Prinzip keine Rolle, das Publikum feiert alles gleichermaßen ab. Einen kleinen Höhepunkt bietet dabei ein ebenso beeindruckendes wie mitreißendes Geigensolo von Tobias Heindl, auf das später noch eine Percussion-Einlage mehrerer Bandmitglieder folgt, wobei unter anderem ein Blecheimer zum Instrument umfunktioniert wird. Derartige Blödeleien betonen auch, dass es bei Folk Rock sehr wichtig für die gesamte Performance der Band ist, wie viel Spaß sie auf der Bühne hat – FIDDLER’S GREEN haben definitiv eine Menge Spaß, bedanken sich oft beim Publikum und werden dementsprechend mit einem großen Applaus entlassen. Ein sehr sympathischer Auftritt einer Truppe, die man sich auch für wohl noch etwas schweißtreibendere Clubshows gut merken kann.

Setlist FIDDLER’S GREEN:
01. Life Full Of Pain
02. Sporting Day
03. Highland Road
04. Mrs Mc Grath
05. Irish Air
06. Rose In The Heather
07. Kick The Bucket Tunes
08. Rocky Road To Dublin
09. Folk’s Not Dead
10. The Night Pat Murphy Died
11. Bugger Off
12. Girls Along The Road

Pain-Stage
Die nächste Band nach FIDDLER’S GREEN sind für mich dann THE BLACK DAHLIA MURDER auf der Pain Stage. Ein krasser Stilbruch, der in der Mittagshitze auch gar nicht mal so gut klappen will: Der extrem heftige Melodic Death Metal der Truppe aus Detroit vermag an diesem Tag schlichtweg keinen richtigen Druck aufzubauen. Ob es nun am lauten, aber dennoch substanzlosen Sound oder schlichtweg daran liegt, dass die schwarzen Dahlien das Publikum auf der riesigen Festivalbühne doch deutlich weniger effizient mitreißen können als auf den kleineren, familiäreren Clubbühnen, irgendwie zündet der eigentlich explosive Stilmix heute einfach nicht, selbst die schwarzmetallisch angehauchten, großen Melodien, die bisweilen durch die Boxen schallen wollen bei mir heute keine rechten Begeisterungsstürme wecken. Dementsprechend ist es nur konsequent, den Platz vorzeitig zu räumen und stattdessen PANTHEON I im Partyzelt Aufmerksamkeit zu zollen.

Setlist THE BLACK DAHLIA MURDER:
01. Everything Went Black
02. Elder Misanthropy
03. Black Valor
04. Statutory Ape
05. Necropolis
06. Closed Casket Requiem
07. A Vulgar Picture
08. What A Horrible Night To Have A Curse
09. Funeral Thirst
10. Miasma
11. Deathmask Divine
12. I Will Return

Party-Stage (Zeltbühne)
Nach den Extreme Metalern von DESTINITY sind PANTHEON I die nächste Gruppe, die sich am Freitag auf die Bretter der Partybühne schwingt. Mal wieder ist die Stage-Bezeichnung vollkommen fehl am Platze, denn Party gibt es bei den Norwegern auf keiner Ebene. Stattdessen ballert die Band um Mr. Stavenes, bei 1349 besser bekannt als Seidemann, und Mr. Kevebek, früher ebenfalls bei genannter Band aktiv, dem geneigten Hörer ihren innovativen Mix aus rasenden Black Metal-Stürmen und charmantem, melodieführendem Cello um die Ohren. Da letzteres im Gegensatz zu den Verhältnissen bei diversen Clubshows heute sogar mal hörbar ist, funktionieren die Songs auch, wie sie funktionieren sollen: Aufrüttelnd, mitreißend und majestätisch sind Attribute, die auf Songs wie den Gassenhauer „Defile The Trinity“ durchaus zutreffen. Vielleicht ist es der Atmosphäre auch gar nicht mal so abträglich, dass Herr Stavenes die Stage diesmal nicht, wie in München, in vollgesautem Unterhemd entert. Nein, eine Band, die heute wirklich gut in Form ist, macht musikalisch alles richtig – Für die Ansagen sollte man sich dagegen überlegen, einen Scripter zu engagieren. Denn Freunde, mit Unmutsbekundungen gegenüber jeglicher Religion oder Huldigungen an den Gerstensaft räumt man heutzutage leider nicht mehr viel ab, und solche Ansprachen werden dem Anspruch einer Band wie PANTHEON I einfach nicht gerecht. Sympathie erkämpfen sich die Norweger dagegen wiederum für die Begeisterung, mit der sie verkünden, heute vor dem größten Publikum ihrer bisherigen Karriere gespielt zu haben – dabei ist das Partytent mit viel gutem Willen vielleicht zu einem Viertel gefüllt, und auch der Band wird früher oder später aufgefallen sein, dass bei kaum einer anderen Truppe so wenig los war. Dass man hier dennoch dankbar bleibt und sich richtig reinhängt, was die Show angeht, verdient durchaus einen Pluspunkt. Warum beim letzten Song allerdings mit Handkamera von der Bühne für die kommende DVD gefilmt wird, bleibt ein Mysterium der Old School- und Bootleg-Mentalität.

Setlist PANTHEON I:
01. Serpent Christ
02. Defile The Trinity
03. The Wanderer And His Shadow
04. Enter The Pantheon
05. Where Angels Burn

[Marius Mutz]

Party Stage
Es war mal wieder allerhöchste Zeit, dass die Vorzeige-Todesmetalltruppe DISBELIEF aus deutschen Landen zum Summer Breeze eingeladen wurden. Dieses Jahr war es dann endlich wieder soweit und dementsprechend hoch waren die Erwartungshaltungen an Mikrofonbefeuchter Karsten „Jagger“ Jäger und seine Deather. Das Quintett scheint sich dessen bewusst zu sein, denn dargeboten werden die mit Abstand größten Songs, die die Band je zustande gebracht hat – in einer absolut hörenswerten Setlist, wegen der wirklich keiner meckern konnte. Die tragende, gerölllawinenartige Stimme von Jäger intonierte Ohrwürmer wie „The One“, „Navigator“ und „A Place To Hide“ praktisch in Studioqualität, der Dampfwalze, die dadurch ins Rollen gebracht wurde, konnte sich wirklich keiner mehr entziehen. Das einzige, was während dieses grandiosen Auftritts leiden musste, waren die Nackenmuskeln – trotzdem gerne wieder!

Setlist DISBELIEF:
01. Intro (Hell)
02. A Place To Hide
03. Hate Aggression Schedule
04. Rewind It All
05. Navigator
06. Sick
07. The One
08. Misery
09. The Last Force: Attack!!

[Dennis Piller]

Um 20:15 geht es auf der Hauptbühne mit HYPOCRISY mit einem wahren Szeneurgestein weiter. Vor knapp einer Woche auf dem Brutal Assault konnte mich die Truppe um Peter Tägtgren ob mittelmäßigen Sounds und unvorteilhafter Setlist nicht sonderlich begeistern, heute zeigt sich bereits beim ersten Song, dass zumindest der Sound heute kein Problem darstellen soll: In fettestem Soundgewand schallt „Fractured Millenium“ aus den Boxen, und auch die Band scheint Spass an ihrem Tun zu haben. Jedoch beschleicht mich bereits nach dem dritten Track, dem groovenden „Eraser“, der Verdacht, dass Horgh seine Truppe auch heute, wie bereits auf dem Brutal Assault, nicht zu Höchstgeschwindigkeitsrekorden prügeln wird: Statt, wie ich es bereits auf diversen Clubshows der Schweden – zuletzt erst auf der Tour zum aktuellen Album – erlebt hatte, dem Publikum mit Vollgas einen Deathmetal-Kracher nach dem anderen um die Ohren zu hauen, entscheiden sich HYPOCRISY heute erneut zu einer sehr ruhigen Setlist. Doch nicht nur, dass überraschend viele langsame und ältere Nummern ihren Weg ins Set gefunden haben… zu allem Überfluss spielt man Songs wie den Lovesong „Let The Knife Do The Talking“, die normalerweise kräftig auf die Nackenmuskeln gehen, auch noch langsamer als auf Platte…
So werde zumindest ich nicht ganz warm mit der Darbietung der Band, nicht zuletzt auch, weil die Liebe zu alten Songs erneut so weit reicht, dass das eigentlich als Livehymne prädestinierte „Hang Him High“ vom aktuellen Album wieder nicht ins Set aufgenommen wird. Vollkommen unverständlich, zumal der Song sich auf Tour als der am besten funktionierende Song des neuen Albums erwiesen hatte…

Setlist HYPOCRISY:
01. Fractured Millenium
02. Weed Out The Weak
03. Eraser
04. Pleasure Of Molestation/Osculum Obscenum/Penetralia
05. Apocalypse/The Fourth Dimension
06. Let The Knife Do The Talking
07. Adjusting The Sun
08. A Coming Race
09. Killing Art
10. Fire In The Sky
11. Warpath
12. Roswell 47

Pain-Stage

Direkt im Anschluss an den Schwedentod folgt auf der Painstage neben Dark Funeral die einzige Black Metal-Band, die es auf eine der Freilichtbühnen geschafft hat: GORGOROTH.
Spätestens seit ihrer desolaten Leistung auf dem Brutal Assault schaue ich diesem Gig mit sehr gemischten Gefühlen entgegen – schließlich wird sich wohl heute zeigen, ob GROGOROTH in Tschechien nur einen schlechten Tag erwischt hatten, und sich nun zumindest halbwegs rehabilitieren können, oder aber erneut mit einer schlechten Performance den ersten Eindruck untermauern werden, dass die Band in dieser Besetzung einfach nichts mehr reißen kann.
Doch, soviel sei vorweggenommen: Wie ich zu der neuen Version von GORGOROTH stehe, kann ich auch nach diesem Auftritt noch nicht wirklich sagen… ist die Darbietung diesmal zwar um Längen überzeugender als das, was Infernus‘ neue Truppe auf dem Brutal Assault abgeliefert hat, nicht zuletzt, weil auch der Sound bietet diesmal wenig Anlass zu Kritk bietet… jedoch ist der Auftritt der Norweger selbst reichlich trocken: Mit 10 Minuten Verspätung beginnen GORGOROTH einen alles in allem ziemlich durchschnittlichen Auftritt ohne besondere Höhe- oder Tiefpunkte und präsentieren ohne jegliche Show oder Action ihr Material, wobei so ziemlich jede Schaffensperiode abgedeckt wird: Von „Destroyer“ über „Incipit Satan“ und „Good Seed“ bis hin zu neuem Material wie „Satan-Prometheus“ (inclusive sehr gelungenem Cleangesang, wie an dieser Stelle angemerkt sei) sind eigentlich alle großen Nummern der Band in der Setlist zu finden.
Die Durchschnittlichkeit der Darbietung selbst scheint das Publikum jedoch mehr zu enttäuschen, als die musikalisch gute Leistung der Band es zu begeistern weiß: Denn obwohl es eine große Schar Schaulustiger vor die Bühne gezogen hat, aus der mit Sicherheit nicht wenige gar keinen Black Metal hören, sondern sich nur ein schwarzmetallenes Spektakel erwartet hatten, gibt es nur verhaltenen Applaus und nicht wenige verlassen noch vor Ende der Show die Area. Vor Ende der Spielzeit verlassen auf GORGOROTH die Bühne: Nach nur 40 Minuten Spielzeit scheint es den Norwegern zu langen – da auch aus dem Publikum nur vereinzelte „Zugabe“-Rufe kommen, wirkt es eher lächerlich, als Infernus und Konsorten sich nach fast fünf Minuten für einen weiteren Song auf die Bühne bequemen…
Alles in Allem ein Gig, der den Keim der Hoffnung, dass GORGOROTH doch nicht ganz am Ende sie, wie es der Auftritt auf dem Brutal Assault angedeutet hatte, zumindest nicht ganz tottritt, auch wenn man klar festhalten muss, dass sich GORGOROTH zumindest hinsichtlich der Show durchaus wieder etwas mehr bemühen könnten.
Es müssen ja nicht immer gleich Stacheldraht, Schafsköpfe und gekreuzigte Nackerte sein, aber dass ein liebevoll gestaltetes Bühnenbild wahre Wunder bewirken kann, zeigen die Kollegen von WATAIN ja regelmäßig.

Setlist GROGOROTH:
01. Bergtrollets Hevn
02. Satan-Prometheus
03. Profetens Apenbaring
04. Aneuthanasia
05. Forces Of Satan Storms
06. Ødeleggelse Og Undergang/Blood Stains The Circle
07. Unchain My Heart
08. Destroyer
09. Katharinas Bortgang
10. Revelation Of Doom

[Moritz Grütz]

Main-Stage

Nach einem mit bisher vier Bands doch eher entspanntem Festivaltag zieht es mich erst zum Freitags-Headliner wieder vor die Bühne – HEAVEN SHALL BURN, die Melodic Death Metal-Truppe, die das Summer Breeze 2008 im Sturm nahm, in einer Stunde die Herzen tausender Metaler eroberte und diese legendäre Show auf ihrer „Bildersturm“-DVD dokumentierte, ist zurück. Die Erwartungen sind riesig, die unvergleichliche Party, die wir damals in Circle-Pit, Mosh-Spit oder Wall Of Death feierten, soll schließlich wiederholt werden. Die Voraussetzungen dafür sind für eine Show, bei der sich das Publikum so viel bewegen soll wie bei HEAVEN SHALL BURN aber durch den Wellenbrecher denkbar ungünstig. Und im Endeffekt kommt es so, wie man es sich hätte denken müssen: HEAVEN SHALL BURN haben visuell gewaltig aufgestockt, im Hintergrund laufen auf riesigen Monitoren diverse Szenen ab, die zwischen verstörend, skurril und amüsant alles bieten, was man sich von den Thüringern so erwarten kann. Dazu ist es vor der Bühne gesteckt voll wie sonst vermutlich nur bei CHILDREN OF BODOM (kann ich aber nicht durch Erfahrungswerte bestätigten), so voll, dass während der ersten paar Songs nichtmal Platz für einen Moshpit ist. Erst als der heute sehr um die Sicherheit der Fans besorgte Sänger Marcus „mindestens fünf kleine, statt einen großen Circle-Pit“ fordert, gibt es langsam Bewegung im Publikum, und manch ein Pit hält sogar den kompletten Song durch. Doch auch während der nächsten Songs, zu welchen auch Gassenhauer wie „Forlorn Skies“ oder „The Omen“ vom neuen Album zählen, muss man sich eine Party wieder eher selber machen, was durch den weiterhin bestehenden Platzmangel vor der Bühne auch nicht so recht klappt. Selbst die Wall Of Death, die neben des gigantischen Circle-Pits bei „Behind A Wall Of Silence“ vor zwei Jahren wohl das beeindruckendste Element der Show war, fällt dieses Jahr eher erbärmlich aus. Marcus weigert sich schlichtweg, das Publikum zu dirigieren, und genug Taktgefühl und Feeling für den Song bringen dann doch die wenigsten Fans auf, um im passenden Moment, und vor allem gleichzeitig, loszulaufen. Hier hätte die 2008 so geniale Interaktion mit dem Publikum Wunder gewirkt, um die Stimmung der Show zu verbessern.
Auch wenn das jetzt alles etwas negativ behaftet klingt, muss man doch dazusagen, dass auf der Bühne immer noch HEAVEN SHALL BURN steht, und keine Wald und Wiesen-Truppe. Die Stimmung ist gut (auch wenn die zig-Millionen Stagediver dieser nicht unbedingt zuträglich sind), und nach derartiger Publikums-Aktivität würden sich die meisten anderen Bands wohl die Finger lecken.
Insgesamt bleibt dann auch kein fader Beigeschmack von der Show – dass eine Offenbarung wie 2008 nicht mehr zu toppen sein würde, ist im Nachhinein selbstverständlich, und für diese Verhältnisse, gerade im Hinblick auf die Wellenbrecher, holen HSB insgesamt doch das bestmögliche heraus – Zumal es mit dem abschließenden „Black Tears“ und einem im Circle-Pit doch noch mal völlig ausrastenden Publikum einen würdigen Anschluss an die Größe der Show von 2008 gibt – Man darf, trotz nicht zu vermeidender Einbußen im direkten Vergleich, wiedermal begeistert sein.

Setlist HEAVEN SHALL BURN:
01. Architects Of The Apocalypse
02. The Weapon They Fear
03. Counterweight
04. The Omen
05. Buried in Forgotten Grounds
06. Intro + Endzeit
07. Combat
08. The Disease
09. Voice Of The Voiceless
10. Return To Sanity
11. Forlorn Skies
12. Lie You Bleed For
13. 7th Cross
14. Behind A Wall
15. Unleash Enlightment
16. To Inherit The Guilt
17. Black Tears

[Marius Mutz]

Party-Stage (Zeltbühne)

Eben jene WATAIN spielen um 22:50 auch qusi im Anschluss an GORGOROTH, jedoch nur auf der Partystage. Dass das jedoch nicht unbedingt von Nachteil ist beweisen die für ihr aktuelles Album, „Lawless Darkness“ viel gelobten Schweden im Folgenden: Im bis unters Dach gefüllten Partyzelt demonstrieren WATAIN eindrucksvoll, wie dicht die Atmosphäre eines Black Metal-Gigs sein kann, bietet man nicht bloß die reine Musik dar, sondern darüber hinaus einen stimmigen Rahmen aus Bühnenbild und Show aufspannt:
Wie bereits auf dem Brutal Assault gesehen ist die Bühne erneut mit diversen Side- und Backdrops sowie brennenden Dreizacken so ausstaffiert, dass jegliche Technik verhangen ist und die Band vor stimmiger Kulisse ihre Show darbietet. In diesem Rahmen reißt das durch Livemusiker verstärkte Trio aus Uppsala gekonnt seine Show herunter: Mit einer guten Mischung aus rockigen Black Metal-Hymnen vom neuen Album wie auch das ältere Material wie „Sworn To The Dark“ vom Vorgängeralbum nehmen die selbstsicher auftretenden WATAIN das Publikum im Sturm und lassen den Gig zu einem wahren Heimspiel werden:
Wer bei GORGOROTH Atmosphäre oder Stimmung vermisst hat, kommt hier, wie zu erwarten, auf seine Kosten (und, so er denn in der ersten Reihe steht, mit ein wenig „Glück“ noch einen Becher Kunstblut ins Gesicht). Vielleicht hat ja auch Infernus die Show gesehen und investiert in Zukunft auch wieder ein paar Gedanken mehr an Bühnenbild und Auftreten der Band. Musik allein ist bei einem Livekonzert eben nicht alles.

Setlist WATAIN:
— Intro
01. Malfeitor
02. Sworn To The Dark
03. Reaping Death
04. Legends Of The Black Light
05. Wolves Curse
06. Total Funeral

Nach DYING FETUS folgt mit HAIL OF BULLETS mein persönliches Festival-Highlight: Da sich die Holländer live reichlich rar machen, war ich vorher erst einmal in den Genuss einer Show der Mannen um Deathmetal-Koryphäre Martin Van Drunen gekommen, nämlich an gleichem Ort ziemlich genau zwei Jahre früher, als HAIL OF BULLETS das Summer Breeze 2008 eröffneten.
Musikalisch vielleicht nicht die Fleisch gewordene Innovation, ist es nicht zuletzt der Sympathiewert, der mir die Band so lieb macht: Ohne Intro bleibt die Band nach dem Soundcheck einfach auf der Bühne, die Musiker wünschen sich gegenseitig mittels Umarmungen Erfolg – ein Ritual, das andere Bands wohl nie vor Publikum vollziehen würden – und beginnen ohne viel Brimborium ihr Set. Die Begeisterung steht Reibeisenkehlchen Van Drunen dabei zu jeder Zeit ins Gesicht geschrieben: Mehrfach bedankt er sich beim Publikum in recht flüssigem, aber viel zu schnellem Deutsch für den Zuspruch, freut sich wie ein kleines Kind, einen Song des kommenden Albums als Livepremiere darbieten zu können und liefert, ganz nebenbei, eine mehr als beachtliche Sangesleistung ab: Ob dieser Mann seine Stimmbänder in einem Pakt mit dem Teufel bereits in jungen Jahren durch Basssaiten ersetzt hat, oder was diesen Mann sonst davor bewahrt, nach einem solchen Auftritt drei Jahre kein Wort mehr herauszubringen, ist durch keine vertrauenswürdigen Quelle belegt – sicher ist: Eine Stimme wie die von Van Drunen gibt es nur einmal.
So feiern die Kugelverehrer im gesteckt vollen Partyzelt einen wahren Siegeszug – unterstützt durch einen Sound, der besser nicht sein könnte, werden hier, um einen weiteren Kalauer einzubauen, wahrlich keine Gefangenen gemacht. HAIL OF BULLETS haben hier alle Erwartungen übertroffen: Mitreißend, sympathisch, souverän und schlichtweg beeindruckend.
Für mich definitiv der Auftritt des SB2010 – und sicher nicht die letzte Show der Holländer, der ich beiwohnen werde.

Setlist HAIL OF BULLETS:
01. General Winter
02. Red Wolves Of Stalin
03. Nachthexen
04. Operation Z
05. Warsaw Rising
06. Advancing Once More
07. Berlin
08. Ordered Eastward

[Moritz Grütz]

Nachdem die körperliche Verausgabung bei HEAVEN SHALL BURN wieder gut wachrüttelte, kann ich mich um 02.15 Uhr doch noch durchringen, zu ORPHANED LAND noch mal eine Viertelstunde zur Bühne vorzustiefeln. Die Erwartungen sind mal wieder recht hoch, auch wenn ich mir selber eingestehen muss, dass diese sich eher auf den Ruf der Band gründen – Bis auf „Norra El Norra“ kenne ich keinen Song der Jungs wirklich gut, und habe auch keinen so rechten Gesamteindruck von „Mabool“ und dem aktuellen „The Never Ending Way Of ORwarriOR“. Ob ich also zu viel oder zu wenig erwarte, steht in den Sternen bis ORPHANED LAND nach kurzer Verspätung endlich die Bühne betreten – ab diesem Zeitpunkt ist klar, zu viel kann man von dieser Truppe nicht erwarten. Die Mischung aus Progressivität und beinhartem Death Metal, aus klarem, hingebungsvollem Gesang und Geschrei und die nahöstlichen Elemente, die Ausdruck in derartig großartigen, mitreißenden Melodien findet, ist sicherlich eines der intensivsten musikalischen Erlebnisse, die man als Anhänger des Metals so haben kann. Kobi Farhi präsentiert sich stimmlich in Bestform und leitet mit sicherer Stimme durch die gesellschaftlichen (bisweilen auch religiösen) Thematiken, derer sich ORPHANED LAND annehmen. Die Folge ist ein faszinierender Taumel durch orientalische Melodien, die von stürmischen Rhythmusbrettern unterbrochen werden um dann wieder in mystische, sphärische Gesänge überzuleiten.
Höhepunkt der Show ist zweifellos das abschließende „Norra El Norra“, das an Klasse wohl mit kaum einem Song im Metal den Vergleich zu scheuen braucht. „Ok guys, the deal is you jump and we play „Norra El Norra“, okay?“ – Jup, alles klar, das Publikum zeigt abschließend noch einmal, wie sehr es ORPHANED LAND während der kompletten Show aus der Hand gefressen hat wie kaum einer anderen Band auf diesem Festival: Hier ist kaum eine Faust nicht in die Luft gestreckt und während des göttlichen akustischen Anfangssegments des Songs steht kaum ein Körper still. Die Majestät und die Botschaft, die dieser Song über seine komplette Spieldauer musikalisch ausstrahlt, entlässt den Hörer schlussendlich völlig zufrieden und ich glaube auch ein bisschen versöhnter mit der Welt in die Nacht – Nach dieser Erfahrung bleibt dann beim Gespräch auf dem Heimweg dann auch kaum Raum für anderes als Respektsbekundungen für die Musik dieser Band und vor allem für die Aufgabe, die sich diese Truppe aus Israel gesetzt hat – Über ihre Musik religiöse und politische Hindernisse zwischen Völkern zu überwinden – Schalom.

Setlist ORPHANED LAND:
01. Birth Of The Three (The Unification)
02. Olat Ha’tamid
03. Barakah
04. The Kiss Of Babylon (The Sins)
05. Sapari
06. Ocean Land (The Revelation)
07. Thee By The Father I Pray
08. Norra El Norra (Entering The Ark)
09. Ornaments Of Gold

Aus irgendeinem Grund reichte es mir selbst nach der göttlichen ORPHANED LAND-Show an diesem Freitag noch nicht, sodass ich mich nach kurzer Erfrischung am Camp nochmal zum Partyzelt begab, um um 03.20 Uhr, ich hätte es mir selber nicht zugetraut, doch noch die Show der aufstrebenden Post Rocker LONG DISTANCE CALLING zu sehen. Diese brachten ihre Spielzeit gewohnt routiniert herum – was in diesem Fall eine Menge Spielspaß, anrührende bis aufrüttelnde Songs und vor allem Songkonstrukte bedeutet, wie sie durchdachter und effektiver wenige Bands dieses Sektors (jaja, lupenreiner Post Rock sind LDC auch nicht, ich weiß…) einsetzen. Die Songauswahl die wie immer eine ausgewogene Mischung aus „Satellite Bay“- und „Avoid The Light“-Songs beinhaltet, mit der kleinen aber feinen Überraschung, dass das schon länger nicht mehr präsentierte „Aurora“ ebenso dargeboten wird wie ein Song vom neuen Album. Dazwischen gibt es noch den Übersong „Metulsky Curse Revisited“ zu hören, der beim ansonsten sehr jubelfreudigen Publikum keine Begeisterungsstürme auslöst, wohl weil er sich nur auf der Split-EP „090208“ mit den Schweizern Leech findet und dementsprechend kaum bekannt ist. Trotzdem geht das Publikum wie erwähnt trotz der späten Stunde gut mit und man hat das Gefühl, dass LONG DISTANCE CALLING insgesamt einen ähnlichen Spirit entfalten wie im Frühjahr im Vorprogramm von Katatonia, wo sie den Schweden trotz ihrer komplett instrumentalen Musik bei manchen Konzerten beinahe die Show stahlen. Die Münsteraner bestätigen also wiedermal, dass mit ihnen sehr zu rechnen ist, und lassen auf das neue Album schon mal sehr gespannt sein.

Setlist LONG DISTANCE CALLING:
01. I Know You, Stanley Milgram!
02. Neuer Song – unbetitelt
03. Aurora
04. Metulsky Curse Revisited
05. Neuer Song – unbetitelt

[Marius Mutz]

Weiter zu Teil 2 des Berichts…

Publiziert am von Marius Mutz und

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