Konzertbericht: Stratovarius w/ Amaranthe, Seven Kingdoms

29.03.2013 Grünspan, Hamburg


Eine auf den ersten Blick nicht ganz einleuchtende Kombination steht heute Abend im Grünspan in Hamburg auf der Bühne: Stratovarius und Amaranthe auf Double-Headlinertour. Während Stratovarius als ausgeprägte Veteranen des Power Metals gelten dürfen, fischen Amaranthe fröhlich und undogmatisch im Crossoverbereich von Pop, Techno und Melodic Death Metal. Diese Kombination machte nicht gerade wenige Menschen in Hamburg neugierig, ist die Halle doch fast ausverkauft – was bei der etwas mühseligen Einlasskontrolle und der schlecht zugänglichen Garderobe gleich für doppelt lange Schlangen sorgt. Dankenswerterweise wartete der Opening Act aber, bis jeder in der Halle ist, bevor es losgeht.


Als Special Guest wurde SEVEN KINGDOMS aus den USA engagiert, die damit ihre erste richtige Tour in Europa absolvieren dürfen. Die fünf Amerikaner bieten Power Metal mit weiblichem Gesang und leicht symphonischem Einschlag. Obwohl sie in Europa eher unbekannt sind, finden sich im Publikum einige ausgemachte Fans, die nicht nur die Lieder kennen, sondern ordentlich auf die Band reagieren. Aber auch der Rest des Publikums nimmt den rund 35-minütigen Auftritt gut auf und streckt zumindest im ersten Drittel der Halle fröhlich die Arme nach oben. Als Aufwärmer hat SEVEN KINGDOMS mehr als nur seine Pflicht getan, sodass die Spannung auf den folgenden Auftritt von Amaranthe steigt.


Die schwedischen AMARANTHE sind eine dieser Bands, die man entweder liebt oder hasst. Die Mehrheit des Publikums hat sich offensichtlich entschieden, sie zu lieben, sodass, das kann man vorwegnehmen, die Besucher durchgängig gut auf den Auftritt reagieren – trotz seiner noch zu beschreibenden Schwächen. Von der Setlist her lässt AMARANTHE kaum einen Wunsch offen: In gelungener Mischung spielen sie sich durch ihre beiden Alben und geben sich dabei publikumsnah und sympathisch. Den Vorteil der Double-Headlinertour nutzen sie zudem gezielt aus und ziehen unbedacht des noch kommenden Auftritts von Stratovarius alle Register der Publikumsbespaßung, wie Mitsingspiele, Ansprachen zum Auftrittsort und Zugabeblock.

Und doch ist nicht alles Gold, was glänzt: Der Sound ist während des ganzen Auftritts auf unterschiedliche Art und Weise schlecht, wie besonders das viel zu leise Mikrofon von Sänger Jake Lundberg zeigt. Aber auch das Verhältnis der Instrumente zueinander lässt immer wieder zu wünschen übrig. Ebenfalls fragwürdig ist der arg gelackte Auftritt von AMARANTHE, der kaum einen Zweifel daran lässt, wie sehr die Musiker von sich selbst überzeugt sind. Und darüber, ob Schirmmützen, Basketballtrikots und Strickmützen mit „Hamburg“-Schriftzug der richtige Dresscode für ein Heavy-Metal-Konzert sind, könnte man wohl trefflich streiten.

Noch mehr aber irritiert die Tatsache, dass AMARANTHE zwar einen extrem keyboardlastigen Sound haben, aber keinen Keyboarder. So kommt die melodietragende Tonspur stets aus dem Laptop. Lediglich beim Song „Amaranthe“ wagt sich Gitarrist Olof Mörck einmal an das schon bereitstehende Keyboard von Jens Johansson – und der Auftritt wirkt gleich harmonischer. Vielleicht sollte die Band einen Live-Keyboarder in Erwägung ziehen. Insgesamt wird man während des Auftritts das Gefühl nicht ganz los, dass manche der Gäste im Publikum die Band etwas unfreiwillig komisch finden, wie sehr konsequente „Hammerfall“-Rufe in nahezu jeder Songpause oder laute Kritik („Boring!“) an einem allzu vorhersehbaren Mitsingspiel zeigen. Das Gros des Publikums jedoch goutiert die 75 Minuten Musik sichtlich.

Setlist Amaranthe:
01. Invincible
02. Leave Everything Behind
03. 1.000.000 Lightyears
04. Enter The Maze
05. Serendipity
06. My Transition
07. Infinity
08. Drum Solo v09. Burn With Me
10. Mechanical Illusion
11. It’s All About Me (Rain)
12. The Nexus
13. Afterlife
14. Amaranthine
15. Call Out My Name
Zugabe:
16. Automatic
17. Hunger


Nach kurzer Umbaupause heißt es: Vorhang auf für STRATOVARIUS. Die Band hat wahrlich einige Wechsel im Line-Up hinter sich gebracht und doch in den letzten Jahren in ihren Liveperformances beachtlich zugelegt. Diese neu erarbeitete Routine stellen die Finnen in Hamburg von der ersten Minute an unter Beweis. Schon der eingängige Opener „Unbreakable“ vom neuen Album „Nemesis“ gibt die Richtung des Abends vor: Es stehen die neuen Songs im Vordergrund, die nur von wenigen Klassikern unterbrochen werden. Manches, wie die Überhymne „Kiss Of Judas“, fehlt gar ganz. Timo Kotipelto, von dem man im Vorfeld gehört hatte, dass er erkältet sei, zeigt sich allen Unkenrufen zum Trotz in guter Stimmung und bei guter Stimme, sodass auch von dieser Seite her dem Auftritt nichts im Wege steht.

Und so spielt sich STRATOVARIUS sichtlich gut gelaunt durch die Setlist und lässt dabei jedem Musiker Raum für ein Solo. Was manchmal etwas langwierig werden kann, kommt heute dankenswerterweise auf den Punkt – die Soli haben jeweils ungefähr drei Minuten, sodass sie sich gut in das gesamte Set einfügen und keine egomanische Selbstpräsentation werden. Kleinere Abzüge in der B-Note gibt es allerdings dafür, dass Bassist Lauri Porra zwar eine kurze Lobeshymne auf Hamburg loslässt, dem Publikum danach aber mit einem Bremer Bier zuprostet. Dieses lässt sich davon aber kaum in seiner hanseatischen Ehre kränken und reagiert erstaunlicherweise besonders auf das neue Material hervorragend. Ältere Perlen wie „Speed Of Light“ finden dagegen weniger Anklang. Was ist da passiert? Sollte die Band lauter neue Fans gewonnen haben, die das alte Material nicht so gut kennen? Oder ist es doch die Schnittstelle zu den Amaranthe-Fans, die logischerweise den modernen Klang der neuen Lieder mehr schätzen als den straighten Power Metal der alten Tage? Eine Frage, die unbeantwortet bleibt. Jedenfalls spielen STRATOVARIUS die richtigen Songs für dieses Publikum, das im fast ausverkauften Grünspan die Band und ihre Musik abfeiert.

Warum aber hat es die Band so eilig, wieder von der Bühne zu kommen? STRATOVARIUS liefern eine wirklich gelungene Show ab und haben ein dankbares Publikum. Dennoch ist nach nur 70 Minuten Schluss. Dieser relative Geiz ist verwirrend, besonders, wo noch einige Songs zu spielen gewesen wären und STRATOVARIUS sonst nicht bekannt für minimalistische Setlists sind.

Setlist Stratovarius:
01. Unbreakable
02. Speed of Light
03. Halcyon Days
04. Eternity
05. Drum-Solo
06. Dragons
07. Fantasy
08. Bass-Solo
09. Eagleheart
10. Stand My Ground
11. Keyboard-Solo
12. Black Diamond
Zugabe:
13. Forever
14. Hunting High and Low

Und so geht ein gelungener Abend zu Ende, der dennoch an manchen Stellen, wie dem Sound, Wünsche offen gelassen hat. Und doch wurde heute Abend bewiesen, dass STRATOVARIUS auch von den vielen Wechseln im Line-Up unerschüttert bleiben und musikalisch im 21. Jahrhundert angekommen sind. Und auf der nächsten Headlinertour wird das Set hoffentlich wieder länger.

Publiziert am von Marc Lengowski

Ein Kommentar zu “Stratovarius w/ Amaranthe, Seven Kingdoms

  1. Ausgewogenes Review, danke! Allerdings kann Stratovarius selber rein gar nix dafür, nur ein 70-Minuten-Set bekommen zu haben – das ganze war eben nun mal als Double Headlining Tour ausgelegt und nicht als „2 Vorbands, 1 Headliner“. Leider, denn nach der Seven-Sinners-Tour und mit dem jetzigen Hammeralbum wäre eine echte Headlining-Tour tatsächlich mal wieder verdient gewesen… von daher, der letzte Satz in Gottes Ohr…

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