Auch für Fans von STING hieß es in den letzten beiden Jahren: Warten. Corona verhinderte seinen Auftritt auf dem Münchner Tollwood 2020 und 2021. Dieses Jahr waren schließlich aller guten Dinge drei und der Altmeister entschädigte für die lange Wartezeit.
Zunächst betritt JOE SUMNER als Support die Bühne. Dass der Singer-Songwriter der älteste Sohn von STING ist, erwähnt er mit keiner Silbe. Halbakustisch eröffnet er den Konzertabend und erzählt in seinen Songs unter anderem davon, wie er seine Frau vermisst, wenn er musikalisch die Welt bereist. Das Talent seines Vaters hat er nur bedingt geerbt: Stimmlich und kompositorisch gerät sein knapp 40-minütiger Auftritt sehr durchschnittlich und ohne echte Höhepunkte. Zwar bewegt sich SUMNER handwerklich solide in verschiedenen Lagen bis zu einer starken Kopfstimme, doch so richtig fesseln können seine Songs nicht.
Dies ändert sich bei STING schlagartig: Mit „Message In A Bottle“, „Englishman In New York“ und „Every Little Thing She Does Is Magic“ haut der Brite direkt drei seiner größten Songs raus, als Solokünstler und Mitglied von The Police. Der Sound im Tollwood-Zelt überrascht von Anfang an positiv: Ausgewogen und gut abgemischt dringen die Instrumente über die Boxen, auch wenn STING zum Bass greift und zeigt, dass er den Tieftöner ebenso beherrscht wie seine Organ. Stimmlich haben es die 70 Jahre gut gemeint mit dem Musiker aus Wallsend: Geradezu jugendlich präsentiert er sich in den einzelnen Songs, die bei „Fields of Gold“ im größten Applaus des Abends münden.
Optisch ist STING in seinem roten Shirt der klare Hingucker auf der ansonsten ganz in Schwarz gehaltenen Bühne, musikalisch gibt es neben ihm dafür einiges zu entdecken: Mundharmonikaspieler Shane Sager entpuppt sich nicht erst bei „Brand New Day“ als Virtuose an seinem Instrument, während Background-Sänger Gene Noble seinen großen Moment beim im Duett gesungenen „Shape Of My Heart“ hat. Dominic Miller an der Gitarre agiert im Vergleich dazu eher unscheinbar. In einer seiner wenigen Ansagen berichtet STING, dass Dominic ihn seit mehreren Jahrzehnten begleitet und er nun auch seinen Sohn als Bandmitglied engagiert hat, der nun beim Tollwood ebenfalls auf der Bühne steht. Zur bayerischen Landeshauptstadt gibt es später noch eine besondere Anekdote: Das Gründungsmitglied von The Police erzählt, wie er das Riff von „Walking On The Moon“ eines Morgens in einem Münchner Hotelzimmer geschrieben hat. So ein bisschen wirkt STING wie der Zeremonienmeister des zweistündigen Abends.
In der zweiten Hälfte wird die Setliste (zu) sehr Police-lastig, unterbrochen einzig und allein durch „Desert Rose“. Bei „King of Pain“ kehrt Joe Sumner schließlich für ein Duett mit seinem Vater kurzzeitig zurück, ehe „Every Breath You Take“ für den krönenden Abschluss sorgt. Im Zugabenblock folgt mit „Roxanne“ noch einmal ein weiteres Highlight, das ausdrucksstark und mit einem variablen Klangbild repräsentativ für die gesamte Show stehen kann.
Auch ohne Johnny Depp oder andere Gäste überzeugt STING im hitzegeschwängerten Tollwood-Zelt. Ähnlich wie bei Eric Clapton steht bei ihm die Musik im Vordergrund, wenngleich er sich keinesfalls nur darauf beschränkt und den Abend dadurch lebendiger gestaltet als Clapton. Der gesamte Auftritt wirkt wie aus einem Guss, mit vielen schönen Übergängen zwischen den Liedern und einer kreativen Spielfreude, wie man sie bei Musikern mit dieser Vita selten geboten bekommt.