Konzertbericht: Stahlmann w/ Maerzfeld

13.09.2012 München, Backstage

Fast auf den Tag genau zwei Jahre nachdem STAHLMANN zum ersten Mal in München auftraten, kehrten die Göttinger auf ihrer ersten eigenen Headliner-Tour in die bayerische Landeshauptstadt zurück. Fand die STAHLMANN-Show 2010 als Support von Eisbrecher noch im ausverkauften Backstage-Werk statt, so mussten sich die Elektrorocker dieses Jahr mit den überschaubaren Club-Verhältnissen begnügen. Dort rockten Mart und Co. die Bretter dafür ordentlich. Nur das große Finale erwies sich als Schuss in den Ofen.

Doch der Reihe nach: Mit dabei hatten die Stahlmänner die nächste Generation aus dem weit gefassten Genre des Deutschrock: MAERZFELD. Diese sind seit einigen Monaten regelmäßig zu Gast im Süden Deutschlands und waren u.a. an gleicher Stelle als Support von WETO beim Free & Easy sowie im Vorprogramm von In Extremo auf dem Tollwood Sommerfestival zu sehen. Im Zentrum des Auftritts steht erwartungsgemäß erneut das Erstlingswerk der Musiker namens „Tief“. Wie sich herumgesprochen hat, sind MAERZFELD bereits durch ihr Rammstein-Coverprojekt Stahlzeit bekannt geworden. Und das kommt nicht von ungefähr: Sänger Heli Reissenweber ähnelt Till Lindemann nicht nur optisch, sondern auch stimmlich. Gewiss kein Nachteil, wenn Newcomer solche Assoziationen hervorrufen, aber risikoreich, wenn sie auf Dauer genau auf jene Parallelen reduziert werden. Wobei von „Neulingen“ bei MAERZFELD keine Rede sein kann: Durch ihre Bühnenerfahrung stellen die Musiker nach einigen Startschwierigkeiten erfolgreich den ersten Publikumsbezug her, obwohl sich das Sextett auf der kleinen Bühne sichtlich schwer damit tut, auf seine Showelemente zu verzichten. Am meisten leidet Keyboarder Thilo Weber unter diesen Umständen, muss er doch auf rund einem Quadratmeter fließend zwischen seinem Hauptinstrument und einem Akkordeon wechseln. Trotz des beengten Raums stimmt der Mix: Selbst die ruhigeren Kompositionen, in denen Heli nach eigener Aussage Gedanken über seinen Tod zu Papier gebracht hat, kommen im kleinen Club richtig zur Geltung. Zusammen mit Songs wie „Spieglein“, „Ich flieg“ und der neuesten Videoauskopplung „Hübschlerin“ legen MAERZFELD erneut einen starken Supportgig hin, der sie für weitere Aufgaben empfiehlt.

Die folgende Umbaupause gerät zu lang, als dass STAHLMANN in irgendeiner Weise stimmungstechnisch von ihrem Support profitieren könnten. Haben die Göttinger auch nicht nötig, denn in den letzten zwei Jahren konnten Sänger Mart und Co. reichlich Bühnenerfahrung u.a. als Support von Tanzwut und bei diversen Festivals sammeln. Diese Routine erweist sich beim zunächst trägen Münchner Publikum als großer Vorteil: Zwar stimmt der musikalische Auftakt mit „Willkommen“ und der Bandhymne „Stahlmann“, doch Mart muss mehrfach in direkten Kontakt mit einzelnen Besuchern treten, bevor der Saal langsam Betriebstemperatur erreicht. Derweil gibt das Trio, unterstützt von Tanzwut-Schlagzeuger Shumon, alles und liefert eine elektronisch-aufgemotzte Rockshow, die mit den besten Songs aus den beiden Alben „Stahlmann“ und „Quecksilber“ glänzt. Dass der Aufbau der Stücke dabei oft frappierend ähnlich klingt und die Inhalte wenig originell sind – geschenkt. Hier geht es um clubtaugliche Feiermusik mit Wumms und dieses Prädikat erfüllen STAHLMANN par excellence. Besonders die Singleauskopplungen „Hass mich…lieb mich“ aus dem Erstlingswerk sowie das aktuelle „Spring nicht“ zünden im kleinen Club. Auf ruhigere Momente und „Quotenballaden“ verzichten die vier Stahlmänner angenehmerweise fast vollends. Und wenn sie darauf zurückgreifen, gelingt es ihnen wie bei „Engel der Dunkelheit“, welches Mart schrieb, nachdem er von seiner Freundin verlassen wurde. Gemäß der Reaktionen des weiblichen Konzertpublikums fragen sich einige, wer denn so dumm gewesen ist.

Zwischen den einzelnen Songs greift der Sänger wiederum oftmals zum Mikro, nimmt sich selbst und seine Facebook bzw. Kaffee-Affinität auf die Schippe oder bedankt sich beispielsweise bei Tanzwut-Sänger Teufel, bevor die vier silbern-schimmernden Musiker das gleichnamige Lied anstimmen. Immer wieder fordert das Gesicht des Projekts auch die Fans auf, Feedback zu geben – insbesondere zu zwei neuen Tracks vom dritten Album „Die Welt brennt“, welches ab 21. Dezember 2012 erhältlich sein soll. Am Releasetag sogar kostenlos, in Anspielung auf den drohenden Weltuntergang. Von den beiden neuen Songs erweist sich besonders „Traumfrau“ als nachhaltiger Ohrwurm und potentieller Clubhit. Stilistisch setzen die Musiker ihren Kurs erwartungsgemäß fort: „Die Welt verbrennt“ als Song wirkte allerdings etwas kantiger und weniger stromlinienförmig, während „Traumfrau“ im Vergleich dazu eingängiger und tanzbarer ist. Wünschenswert wäre es, wenn Mart und seine Bandkollegen die vorhandenen Qualitäten sowie die neuen Ecken und Kanten auf CD bringen, um auch ihren Studioproduktionen das nötige Feuer unter dem Arsch zu verleihen.
In München neigt sich der Konzertabend nach dem Rausschmeißer „Tanzmaschine“ langsam dem Ende und bis dahin hatten STAHLMANN so ziemlich alles richtig gemacht. Bis dahin. Denn fiel die erste Zugabe „Asche“ im Vergleich zur vorangegangenen Show schon etwas unspektakuläraus, so disqualifizierten sich die Newcomer mit einer Coverversion von „Hier kommt Alex“ kurzfristig endgültig. Rhythmisch und musikalisch erwies sich die Hommage an die Toten Hosen als totale Katastrophe, von der STAHLMANN sofort wieder Abstand nehmen sollten. Als billiger Stimmungsbringer am Ende war dieser Song auch gar nicht nötig, hatten die Elektro-Deutschrocker bis dahin doch hinreichend bewiesen, dass sie live weit mehr sind als ein künstlich hochstilisiertes silbernes Szenephänomen.

 

Setliste
01. Willkommen
02. Marschieren
03. Stahlmann
04. Kaltes Herz
05. Grund
06. Götter
07. Hass Mich…Lieb Mich
08. Herzschlag
09. Die Welt Verbrennt
10. Teufel
11. Stahlwittchen
12. Diener
13. Spring Nicht
14. Engel Der Dunkelheit
15. Kokain
16. Tanzmaschine

17. Asche

18. Traumfrau
19. Hier Kommt Alex (Die Toten Hosen-Cover)

Publiziert am von und Uschi Joas

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