Bereits zum fünften Mal gastiert das ST. HELENA DOOM FEST im Münchner Feierwerk. Dass das Indoor-Festival mittlerweile eine echte Instanz im Doom- und Sludge-Sektor darstellt, steht außer Frage – dass trotz strahlenden Sonnenscheins bereits um halb sechs reichlich Fans vor der Kranhalle stehen, um sich in der düsteren Halle von noch düstereren Klängen beschallen zu lassen, untermauert diesen Eindruck.
Den Anfang am heutigen Abend machen dabei WITHER aus Kaufbeuren. Mit ihrer Mischung aus Stoner Metal und Bluesrock passt die Band zwar hervorragend ins musikalische Konzept der Veranstaltung, was allerdings nichts daran ändert, dass das Trio heute nicht wirklich überzeugen kann. Wenn man sich zur Aufgabe macht, möglichst repetitiv, aus nur zwei bis drei Akkorden bestehende Riffs und Blueslicks über einige Minuten zu spielen, müssen die Einsätze punktgenau sitzen – das tun sie allerdings zumindest heute nicht. Als Jamsession würde dieser Auftritt sicher super funktionieren, so wirkt es aber – trotz einiger fetter Riffs – insgesamt zu planlos, was durch den lieblosen Einsatz von psychedelischen Visuals auch nicht besser gemacht wird. Das Publikum klatscht dennoch gut gemeinten Applaus, auch wenn es zu so früher Stunde noch nicht allzu viele Zuschauer in der Halle verschlagen hat. [BL]
Nach diesem eher mittelmäßigen Einstieg geht es mit RED APOLLO aus Dortmund weiter. Die Band, die erst relativ spät als Ersatz für Today Is The Day ins Billing gerutscht ist, zeigt sich nicht nur darüber überaus dankbar, sondern präsentiert sich zudem als echte Bereicherung des heutigen Abendprogramms: Düstere Riffs, die durch erfreulich viel Abwechslungsreichtum und Struktur gefallen, wechseln sich mit ruhigen Passagen, in denen das Gitarrensignal auch mal durch den Clean-Kanal geschickt wird. Mit einem so schlichten wie stimmigen Bühnenkonzept bestehend aus schummriger Beleuchtung durch Glühdrahtbirnen sorgen RED APOLLO darüber hinaus für den richtigen Rahmen, um sich und ihre Musik in Szene zu setzen – jetzt schon ein Highlight des Abends, wie sich nicht zuletzt daran zeigt, dass die Band vom begeisterten Publikum nochmal für eine Zugabe zurück auf die Bühne geholt wird. [MG]
Mit NIGHTSLUG kommt nun die fieseste und dreckigste Band des ganzen Abends auf die Bühne. Die drei Hagener Metalpunks spielen ihren Sludge hässlicher, härter und besser als alle derzeitigen Genrekollegen aus Deutschland. Hier trifft brutaler Death-Metal-Sound auf Slowmotion-Hellhammer-Riffs. NIGHTSLUG interpretieren damit Sludge in seiner ursprünglichen Form aus einer Zeit, in der der Begriff noch nicht so beliebig war, wie er heute scheint – für Fans von Bands wie Eyehategod, Godflesh oder Indian eine Wohltat: Ohne Schnickschnack spielt die Band, deren Zweitwerk „Loathe“ erst vor wenigen Tagen erschienen ist, die Schönwettermetaller aus der Halle. Besser geht’s kaum – das nächste Mal aber bitte ain einer kleineren und weniger geleckten Location als der Kranhalle. [MH]
Schließlich ist es soweit und SUN WORSHIP machen sich daran, mit ihrer Vision von Black Metal die Bühne zu entern. Diese Vision lässt sich ungefähr so beschreiben: Gnadenlos durchgezogenes treibendes Drumming, geschrammelte Akkorde und fies klingende Tonfolgen auf zwei Gitarren und ohne Bass, unterstützt von massiv verhalltem, krächzendem und keifendem Gebrüll. Während an der Technik der drei Musiker heute nichts auszusetzen ist und auch der Sound wirklich fett klingt, ist allerdings doch etwas im Argen: Während SUN WORSHIP auf Platte großartig sind und ihr Ziel, dem Hörer möglichst durchgehend aufs Maul zu geben mit minimalen Mitteln stimmig umsetzen, lässt sich bei ihrem Auftritt beim St. Helena Doomfest so gut wie kein Unterschied zwischen den gespielten Akkorden und Tönen feststellen, sodass alles – bis auf das beeindruckende Drumming von Schlagzeuger Basti – heute wie ein einziges statisches Rauschen klingt. Immer wieder lassen sich darin einzelne Melodiefetzen erkennen, wirklich überzeugend wirkt das allerdings leider nicht. Das Publikum klatscht dennoch begeistert Beifall. [BL]
Nachdem der Abend gezeigt hat, wie verschiedenartig man den Begriff Doom auslegen kann, darf dennoch, wie schon in den letzten beiden Jahren, die obligatorische Kiffer-Sludge-Band nicht fehlen. WEEDEATER verkörpern nicht nur optisch Südstaatenklischees, auch ihre Musik versprüht latent Southern-Rock-Vibe. Über mittlerweile fünf Alben hinweg hat das Trio aus North Carolina an seiner Formel kaum etwas geändert. Man könnte der Band fehlende Abwechslung vorwerfen, doch wer hier heute vor der Bühne steht, weiß, dass es Wichtigeres gibt: einen fetten brachialen Sound beispielsweise. Von Beginn an dröhnt der knirschende Bass in einer Intensität, die durch den Magen geht, was sofort jedem Doomster ein debiles Grinsen ins Gesicht zaubert. Und die Musiker? Haben eine Flasche Whiskey am ausgestreckten Mittelfinger, ein paar fiese „Fuck You“ am Start und sichtlich Bock. Besonders Drummer „T-Boogie“ Owen, dessen Schlagzeug am vordersten Bühnenrand quer gestellt ist, wirbelt federleicht seine Drumsticks und verschwitzten Haare durch die Gegend. Diese Freude geht aufs Publikum über, das ihm in Sachen Körpereinsatz in Nichts nachsteht – so viel Groove ist ansteckend. Mag das neue Album auch eher verzichtbar sein – live hat’s die Band definitiv drauf! [MH]
Auch wenn das diesjährige ST. HELENA DOOM FEST eher im Zeichen des Sludge und Stoner stand und keine einzige „echte“ Doom-Band eingeladen wurde, kann man das Ein-Tages-Festival nur als vollen Erfolg einstufen. Sicherlich kommt dem Event dabei die Loyalität der Doom-Gemeinde zu Gute, die dem Underground generell wohlwollender gegenübersteht als manch andere Szene. Doch auch das glückliche Händchen der Veranstalter, was die Zusammenstellung der Bands angeht, muss in diesem Kontext hervorgehoben werden. Dass mit Thaw mal wieder eine Band dem Tourbus-Fluch erlegen ist, ist zwar für Fans der Band schade – wenn man ehrlich ist, sind fünf Bands aus dem Sludge-Sektor aber auch genug, um schlussendlich zufrieden nach Hause zu gehen.