Konzertbericht: Slipknot w/ Bleed From Within

08.12.2024 Stuttgart, Hanns-Martin-Schleyer-Halle

Waren Touren früher dazu da, Alben zu promoten, ist es mittlerweile andersherum – denn das große Geld wird längst nicht mehr mit der Musik, sondern im Live-Sektor verdient. Wenn nicht gerade ein neues Album ansteht, haben sich Jubiläen als dankbarer Anlass etabliert. Ein Special-Set, ob nun Karriere-umspannend oder auf ein Album fokussiert, will sich schließlich kein Fan entgehen lassen.

So überrascht es wenig, dass SLIPKNOT den 25. Geburtstag ihres Genre-prägenden, selbst betitelten Debüts nicht ohne eine entsprechende Tour verstreichen lassen – und ebenso wenig, dass die Shows in kürzester Zeit ausverkauft sind. In Deutschland gastieren Corey, Clown und Konsorten dreimal, zum Auftakt in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle.

BLEED FROM WITHIN im Dezember 2024 in StuttgartZunächst jedoch sind BLEED FROM WITHIN an der Reihe. Die Schotten müssen dabei allerdings schmerzlich erfahren, was es heißt, als aufstrebende Band bei einer Arena-Tour der Support-Act zu sein: Zumindest im vorderen Teil der Halle ist der Sound so schlecht, dass das Publikum lautstark protestiert. Sänger Scott Kennedy wirkt davon merklich verunsichert, hält Rücksprache mit dem Tontechniker und entschuldigt sich beim Publikum – macht aber auch klar, dass er persönlich an der Situation nichts ändern kann. Tatsächlich wird der Sound, in dem Gesang und Gitarren komplett untergehen, im weiteren Showverlauf nur marginal besser – wie die Band mit der Situation umgeht, ist aber so sympathisch wie souverän – die Headliner-Tour kann kommen.

  1. Hands Of Sin
  2. Pathfinder
  3. I Am Damnation
  4. Into Nothing
  5. Sovereign
  6. Levitate
  7. In Place Of Your Halo
  8. The End Of All We Know

Bereits beim Umbau der Bühne lässt sich erkennen, dass es SLIPKNOT mit dem Retro-Konzept des Abends ernst ist: keine LED-Wände, keine aufwändigen Konstruktionen – nur rohes Metall, vier Flaggen und das Bandlogo als Backdrop schmücken die Stage. Insbesondere aber die Arbeitsplätze von Shawn „Clown“ Crahan und Mike „Tortilla Man“ Pfaff sind umgestaltet: Statt aufwändiger Aufbauten oder Hydraulik-Türmen stehen bloß zwei sehr puristische (dafür mit Rolls-Royce-Kühlern verzierte) Percussion-Sets am Bühnenrand.

SLIPKNOT im Dezember 2024 in StuttgartAll das ist zu sehen, denn auch auf einen Bühnenvorhang haben SLIPKNOT diesmal verzichtet. Entsprechend unspektakulär kommen die neun Maskierten zum Intro „742617000027“ dann auch einfach auf die Bühne – der Wucht von „(sic)“ als Opener tut das allerdings keinen Abbruch. Das liegt zum einen daran, dass der Sound nun glasklar und ohrenbetäubend laut aus den Boxen kracht. Spätestens mit „Eyeless“ als zweitem Song ist tatsächlich ein anderer Vibe zu spüren als auf den letzten Touren. Das liegt neben den Songs sicher auch an den (zum Teil) an die alten Designs angelehnten Masken und den roten Overalls – vornehmlich aber daran, dass SLIPKNOT nur so vor Kraft und Energie strotzen: Insbesondere Eloy Casagrande an den Drums prügelt die Songs tatsächlich auf ein neues Level – aber auch die Chemie zwischen den anderen (mehr oder weniger) neuen Members scheint zu stimmen: Tortilla Man, der namenlose Keyboarder und V-Man interagieren und musizieren zusammen, als hätten sie nie etwas anderes gemacht.

SLIPKNOT im Dezember 2024 in StuttgartDazwischen treiben Sid und Clown wie in alten Tagen ihr Unwesen – während sich Mick und Jim vornehmlich auf ihren Job als Gitarristen fokussieren. Mittel- und Ruhepunkt der Show ist indessen Fronter Corey – der nicht nur stimmlich durch lange nicht gehörte Härte begeistert, sondern als Geburtstagskind am heutigen Abend gleich mehrfach mehr in den Fokus rückt, als ihm lieb zu sein scheint: Schon zu Showbeginn singen einige Fans für ihn „Happy Birthday“, später initiiert Sid noch ein etwas besser orchestriertes Ständchen. Dazwischen lässt eine Ansage aufhorchen – als „The Great Big Mouth“ nämlich ankündigt, heute werde kein Song zu hören sein, der nach 1999 veröffentlicht wurde.

SLIPKNOT im Dezember 2024 in StuttgartMan muss nicht allzu firm in der Diskografie von SLIPKNOT sein, um zu wissen: Außer dem Material des Selftitled-Albums bleibt damit nichts – und dieses ist, auch das ist kein Geheimnis, in keiner der unzähligen veröffentlichten Versionen länger als 60 Minuten. Zwar strecken SLIPKNOT ihr Set mit einigen Bühnen-Abgängen, Einspielern („Frail Limb Nursery“, „Mudslide“) und einem als DJ-Solo ausgeweiteten Remix von „Tattered & Torn“ schlussendlich auf 75 Minuten. Dass SLIPKNOT bei ihrer Feier des Albums auch noch den Album-Track „Diluted“ weglassen, ist angesichts der eh schon extrem kurzen Setlist vollkommen unverständlich. Immerhin: Mit „Scissors“, den SLIPKNOT zum ersten Mal seit dem Jahr 2000 wieder auf die Bühne bringen, gibt es noch ein spätes Highlight – zumal auch die Umsetzung des düsteren Song-Ungeheuers packend ausfällt. Dass die Band, kaum ist der Song vorbei, fast ausnahmslos grußlos von der Bühne verschwindet und quasi umgehend der Abbau beginnt, ist dramaturgisch hingegen in etwa so gelungen wie das Ende einer Geburtstagsparty, bei der die Eltern das Licht anmachen und die Gäste hinausschmeißen.

  1. (Sic)
  2. Eyeless
  3. Wait And Bleed
  4. Get This
  5. Eeyore
  6. Tattered & Torn (Sid-Wilson-Remix)
  7. Me Inside
  8. Liberate
  9. Purity
  10. Prosthetics
  11. No Life
  12. Only One
  13. Spit It Out
  14. Surfacing
  15. Scissors

SLIPKNOT im Dezember 2024 in Stuttgart

Die Konsequenz, mit der SLIPKNOT ihren Fans eine Zeitreise ins letzte Jahrtausend vorgaukeln wollen, ist beeindruckend – für die volle Retro-Experience hätte allerdings auch der Ticketpreis bei (umgerechnet) höchstens 30 € liegen müssen. Für eine Headliner-Show ohne nennenswerte Support-Acts und rund 100 € Eintritt ist diese Darbietung zu dürftig – und die propagierte Konsequenz schlussendlich doch nichts anderes als Bequemlichkeit. Denn wohl kein Fan hätte sich über ein paar neuere Hits als Zugabe beschwert. Ein Lichtblick für 2026 bleibt: „Iowa“, das dann sicherlich ebenfalls eine Jubiläumstour bekommt, ist immerhin 65 Minuten lang.

SLIPKNOT im Dezember 2024 in Stuttgart

Publiziert am von

3 Kommentare zu “Slipknot w/ Bleed From Within

    1. Also in Leipzig war es wie folgt:
      Shirt 45€-50€
      Longsleeve 70€
      Hoodie 90€
      Windbreaker 120€
      Sowohl für Bleed from Within- als auch für Slipknotmerch.
      Letzteres war wieder auffällig bunt und groß bedruckt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert