Konzertbericht: Shining w/ Sarkom, Svarttjern

11.03.2010 München, Metropolis

Mal wieder wird das eigentlich als Hip Hop-Club bekannte Metropolis zweckentfremdet. Mal wieder durch Black Metal. Als Überbegriff zumindest. Denn dass die schwedischen SHINING über Genreeinteilungen relativ erhaben sind, steht nicht erst seit gestern fest. Doch davor gibt es von SARKOM und SVARTTJERN eben doch noch klassischen norwegischen Schwarzstahl auf die Mütze – allemal Motivation genug, den Kunstpark Ost am Freitag Abend aufzusuchen.

Die Vorzeichen für eine rundum gelungene Show sind dann aber erstmal gar nicht so großartig: Um fünf nach acht, als SVARTTJERN eröffnen, haben sich reale 50 und gefühlte 20 Personen ins Metropolis geschlichen, um aus sicherer Entfernung auf die Bühne zu schielen. So richtig erklären kann man sich die Lustlosigkeit des Publikums allerdings nicht – SVARTTJERN bieten genau das, was man sich von gediegenem True Black Metal erwarten kann: Rasende Riffs, eine fette Portion Aggression, spannendes Songwriting und die typisch norwegische Eiseskälte in den Gitarrenleads. Da kann sich sogar der eigentlich in Rente gegangene Fan dieses Genres begeistern. „Misanthropic Path Of Madness“ bestätigt diesen Eindruck übrigens später auch auf Platte, bieten SVARTTJERN doch auch hier abwechlungsreiche Raserei, die zwar vollkommen klassisch umgesetzt wird aber dennoch genug Intelligenz hat, um auf Dauer zu funktionieren.
Die dem Konzert beiwohnenden Münchner sehen das aber wie erwähnt anders und entsprechend motiviert gibt sich die Band, allen voran Sänger HansFyrste (unvergleichliches Pseudonym): Gesichtslähmung im Endstadium und schlimmes Rheuma in den Beinen könnte man ihm wohl diagnostizieren, so dass es den Großteil der Show leider nur dafür reicht, das Mikrofon als Phallus-Symbol zu zweckentfremden. Der Rest der Band bleibt zu Beginn auch reichlich statisch, erst gegen Ende der Show tauen die Jungs nach diversen Gesprächen auf der Bühne, die vermutlich davon handelten, wie viel cooler es jetzt Backstage bei Bruder Bier wäre, sowie diversen Unmutsbekundungen ans Publikum, ein wenig auf.
Schade eigentlich, denn musikalisch überzeugen SVARTTJERN auf ganzer Linie, so springt der Funke aber natürlich in letzter Konsequenz nicht ganz über.

Setlist SVARTTJERN:
Code Human
Finally The World Shall Shape
Upon Human Ending
Ancient Shadows Revelation
Misanthropic Path Of Madness
Stillborn Acolyte
Uten Blast

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Bei SARKOM sieht es da etwas anders aus, das Publikum traut sich hier zumindest ansatzweise, aufzurücken. Der Witz also im direkten Vergleich zu SVARTTJERN: SARKOM haben die Publikumsresonanz, spielen stilistisch sehr ähnlichen Black Metal, aber dennoch funktioniert es einfach nicht. Ein typisches Beispiel für „Jaja, ganz nettes Gepolter“, welches andauernd versucht zu zünden, dem das Quäntchen Spirit, welches die Opener hatten, aber leider fehlt. Immerhin wissen SARKOM das auch, denn um die Show doch noch in trockene Tücher zu bringen, hat man sich ein Klassiker-Cover zurechtgelegt. In durch SHININGs Kvarforth und SVARTTJERNs HansFyrste gesanglich verstärker Besetzung gibt es den unantastbaren Darkthrone-Oldie „In The Shadow Of The Horns“ zu hören – dass da die Stimmung steigt, ist klar und so nimmt man es SARKOM während der zweiten Hälfte des Sets dann auch gar nicht mehr so übel, dass sie gar nicht mal besonders gut sind. Trotzdem: zum einen Ohr rein, zum anderen Ohr raus.

Setlist SARKOM:
Intro (Track 1)
Bloodstains
I Call Your Name
Infected
In The Shadow Of The Horns (Darkthrone-Cover)
Passion For Suicide
Inferior
Symbolic
Outro (Track 3)

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Dass es tatsächlich der Headliner ist, wegen welchem die meisten Anwesenden gekommen sind, zeigt sich, als es nach der zweiten Umbaupause immerhin fast ein wenig eng in den vorderen Reihen wird. Berechtigterweise allerdings, denn SHINING zeigen von der ersten Minute an eindrücklich, wer warum die dicksten Eier am Tisch hat.
Suicidal Black Metal wird die Musik gerne genannt, und alles andere wäre wohl nicht angemessen angesichts der Atmosphäre, die die Schweden aufbauen: Ob schwelgende, elegische Leads, wie sie Uralt-Rocklegenden in schicksalsträchtigen Balladen nicht besser hinbekommen, technisch anspruchsvollste Raserei oder depressive Gitarrenwände und Kvarforths extrem variabler Gesang – SHINING gehören zu den wenigen Bands, welche ohne wenn und aber Stimmung erschaffen und innerhalb dieser wie selbstverständlich musizieren. Da spielt man auch gerne mal mit Pornobrille und lässigem Grinsen im Gesicht, es geht alles ganz von alleine von der Hand, die Musik lebt.

Doch SHINING wären nicht SHINING wenn es nur das wäre. Denn im Angesicht dessen, was Fronter Niklas Kvarforth wiedermal auf der Bühne abzieht, verblasst selbst die Musik ein wenig: Für die verstorbene Mutter eine Kerze entzünden – gerne. Eine gute halbe Flasche Jim Beam und eine halbe Buddel Wein auf der Bühne leeren – nicht 100% normal. Dem Bassisten Zigaretten am Unterarm ausdrucken – muss nicht sein, aber geht noch, zumal: Der nächste Stummel erlischt an Niklas‘ nacktem Oberkörper. Doch auch hier hat der Irrsinn kein Ende. Nachdem der Sänger sich vom leicht Grotesken früherer SHINING-Konzerte scheinbar abgewendet hatte, enthüllt er heute zur Show-Halbzeit seine zuvor verbundenen Unterarme, zerbricht eine Bierflasche und vertreibt sich die Zeit während diverser Instrumentalsequenzen damit, der ohnehin bereits vollkommen zerschundenen Haut mit Hilfe der Glasscherben weiter Verletzungen beizubringen. Als genüge es auch damit nicht, entschließt sich Kvarforth schließlich, das zuvor im Andenken der Mutter verflüssigte Wachs dem Bassisten über den Oberarm zu schütten. Vermutlich nicht das angenehmste, was man sich so vorstellen kann.
Dass zwischendurch mal zwei aufreizend gekleidete Mädels über die Bühne springen und etwas Schmalspur-Erotik verbreiten, fällt da gar nicht weiter auf, und auch, dass ein Fan sich das Gesicht mit Niklas‘ Blut einreibt, scheint irgendwo nur noch konsequent.

Es war mir ja schon bekannt, dass SHINING gerne Freakshows abziehen, aber die Intensität dieser kam dann doch unerwartet. Was man von diesen Aktionen halten soll, was die anderen Bandmitglieder und nicht zuletzt was Niklas selbst darüber denkt, man weiß es nicht so genau. Fest steht aber, dass SHINING in allen Belangen eine extreme Show lieferten, ob nun musikalisch oder bedingt durch die diversen Skurrilitäten. Man darf gespannt sein, wie es mit der Truppe um den verrückten Frontman weitergeht, gesund ist dieser „Lifestyle“ wohl nicht. Gelohnt haben sich die 18 Euro für eine sehr gute, eine mittelmäßige und eine großartige Band in jedem Fall, auch wenn das „lohnen“ bedingt durch Kvarforths abnormales On-Stage-Verhalten doch einen leicht perversen Beigeschmack hat.

Publiziert am von Marius Mutz und

Fotos von: Moritz Grütz

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