Ein Mittwochstermin in München, The Prodigy im Zenith und eine Band, die als Jazzmetal-Pioniere Bekanntheit erlangt und nun ein 90’s-Pop-Album veröffentlicht hat. Mit anderen Worten: Die Zeichen könnten besser stehen für die „Animals“-Tour der norwegischen SHINING.
Das müssen auch ALITHIA aus dem fernen Melbourne auf die harte Tour erfahren: Dass der Showbeginn noch 30 Minuten nach hinten verlegt wird, ändert nichts daran, dass dem Showbeginn um 20:00 Uhr gerade einmal 15 Fans beiwohnen. Denen zumindest wird von den wie zum Trotz extra motivierten Musikern einiges geboten: Was ALITHIA selbst als „Astral Space Core“ bezeichnen, entpuppt sich als rein instrumental dargebotener Mix verschiedenster Spielarten von Ethno-Rock bis Post-Metal.
Vor allem, wenn ALITHIA zusätzliche Percussions wie ein „Glockenspiel“ aus Cowbells ins Spiel bringen, überzeugt die Show dabei mit mächtig Groove – in Sachen Gitarrenarbeit hingegen könnte man – gerade von einer Instrumentalband mit nur einem Gitarristen – etwas mehr erwarten. So legen ALITHIA keinen restlos überzeugenden, aber zumindest kurzweiligen und phasenweise intensiven Auftritt hin: Spätestens als Jeffrey Ortiz Raul Castro für den letzten Song sein Percussion-Set mitten in den Zuschauerraum des Clubs stellt, ist das unterdessen auf gut 30 Fans angewachsene Publikum voll dabei.
Die trotz allem gute Stimmung wird im Folgenden etwas davon getrübt, dass Jørgen Munkeby und seine SHINING sich – wohl auf Nachzügler hoffend – ordentlich Zeit lassen: Erst gut eine Dreiviertelstunde nachdem der Umbau abgeschlossen ist, geht das Programm weiter. Der Groll über die unnötige Verzögerung – das Publikum zählt immer noch nur 30 Nasen – ist jedoch schnell verfolgen, als Munkeby und seine Mitstreiter in bestem 90er-Look mit Bomberjacken, Airbrush-Motivshirts und wasserstoffblondem Haar schließlich die Bühne entern und mit dem Titeltrack des neuen Albums „Animal“ in ihr Set starten.
Instrumentell, aber vor allem im Gesang etwas rauer, etwas weniger poliert, klingen die Songs in der Live-Umsetzung deutlich mehr nach SHINING, wie man sie aus der Zeit vor „Animal“ kannte – wenngleich die sieben Stücke des Albums mit den catchy Riffs und Zuckergussrefrains ihren wahren Charakter natürlich nicht verbergen können. Da Munkeby die anderen sieben Stücke, mit denen die drei vorigen Alben im Set repräsentiert sind, jedoch im Gegenzug einen guten Tacken softer interpretieren als noch auf den vorigen Touren, fügen sich die Stücke insgesamt zu einem in sich stimmigen, zugleich aber extrem abwechslungsreichen Set: Während etwa der Refrain von „Everything Dies“ noch in den Gehörgängen klebt, holen SHINING die Fans bereits mit den furiosen Schlagzeug- und Saxophonsoli des geradezu absurd vertrackten „Healter Skelter“ zurück ins Hier und Jetzt.
Noch krasser ist der Kontrast schließlich nach knapp 60 packenden Minuten, als SHINING zur vom Publikum vehement eingeforderten Zugabe antreten: Auf die Backstreet-Boys-Hommage „When The Lights Go Out“ lassen die Norweger ohne Umschweife das ultimativ brutale „Fisheye“ folgen. Könnte der Kontrast zwischen den Albumversionen größer kaum sein – live funktioniert auch das.
Mag „Animal“ als Album Geschmackssache bleiben – live braucht sich niemand zu sorgen, dass SHINING nur noch Trashpop spielen könnten. Spielerisch versierter denn je liefern die Blackjazz-Erfinder einmal mehr ein furioses Feuerwerk zwischen Extreme Metal, Jazz – und nun eben auch Pop – ab, das ohne Frage seinesgleichen sucht. In Kombination mit den ohne Frage interessanten ALITHIA allemal eine Konzertofferte, die sich lohnt.