Celtic & New Folk sind die beiden Anker des SHAMROCK CASTLE-Festivals auf Schloss Jägersburg im beschaulichen Bammersdorf. Ein bisschen wirkt die Veranstaltung mittlerweile wie das irische Äquivalent zu den Eisheiligen Nächten – im Falle des Shamrock Castle proudly presented by Fiddler’s Green, die auch dieses Jahr wieder als Headliner an den Start gehen. Im Verlauf des Tages erweist sich besonders der Faktor Zeit als kriegsentscheidend für geladenen Bands.
Die transsilvanischen SELFISH MURPHY bringen als Opener die nötige Frische, Leidenschaft und Spielfreude mit, um ihr 75-Minuten-Set kurzweilig zu füllen. Eigengestaltetes wie „Wake Me Up“ oder „Hey Brother“ mischt der Vierer kreativ und ansteckend melodiös mit bekannten Traditionals wie „Irish Rover“ oder „Star Of The County Down“. Sänger Petri erweist sich früh als charismatisch und stimmlich talentiert. Flötist Pusztai wirkt an seinem Instrument beinahe zu perfekt im sehr cleanen Klangbild der irischen Rock’n’Roll. Ein Entrée nach Maß, bei dem das Publikum auch bereits zu früher Stunde miteinstimmte!
Die Steilvorlage können GANAIM anschließend größtenteils verwerten, wenngleich die 75 Minuten Spielzeit für das Projekt noch zu lang bemessen sind. Sänger Pinto ist vielen besser bekannt von Versengold und beweist als Frontmann am Mikro bis dato ungeahnte Qualitäten im englischsprachigen Gesang. Zusammen mit seiner besseren Hälfte Saskia präsentieren die beiden ihre Erstlingswerk „Ceol ón Mhuileann“, live unterstützt von Zorny als drittem Bandmitglied an der Akustikgitarre. Angereichert wird das Album mit irischen Jigs und Reels, im Rahmen derer besonders Saskia an der Geige überzeugt. Gegen Ende nutzt der selbsternannte „Knallkopp“ Pinto die Gelegenheit für eine sehr charmante Liebeserklärung an seine Bandkollegin und zusammen heben sie sich mit „The Burning Of Auchindoun“ einen ihrer stärksten Songs bis zum Schluss auf. Aber auch die GANAIM’schen Eigeninterpretationen von „Are You Sleeping, Maggie?“ und „I’ll Tell Me Ma“ wirken für den geneigten Hörer frisch und unverbraucht.
Dies gelang PADDY GOES TO HOLYHEAD als Duo nicht. Was Ende der 80iger Jahre als kleines Folk-Abenteuer begann, entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einem munteren „Bäumchen, wechsle dich!“-Spiel mit verschiedensten Besetzungen. So variiert auch die Anzahl der festen Bandmitglieder bis heute regelmäßig. Im neuen Jahrtausend wurde es sukzessive stiller um die ehemaligen Szenevorreiter, die letzte Studioproduktion „Acoustic Nights“ liegt inzwischen über zehn Jahre zurück. In Bammersdorf spielt Paddy Schmidt mit Bassist Uwe „Uhu“ Bender auf. Ähnlich wie bei GANAIM sind es die 75 Minuten Spielzeit, die zu dieser Tageszeit (und im Falle von PADDY GOES TO HOLYHEAD auch nach dem bisherigen Programm) ab einem gewissen Punkt ermüdend wirken. Auf der Bühne passiert außer der Musik und ein paar schlechten Bassistenwitzen wenig. Songs wie „Bound Around“, „Johnny Went To War“, „Far Away“ oder „Here’s To The People“ eignen sich als Begleitmusik zum Picknick oder im Autoradio, aber schwerlich als Live-Programm eines Festivals über mehr als eine Stunde. Dafür sind die einzelnen Stücke zu stromlinienförmig und am Ende auch unspektakulär. Im Biergarten hätte das Duo vermutlich einen passenderen Eindruck hinterlassen.
MR. IRISH BASTARD rütteln als Semi-Headliner die Menge anschließend wieder auf. Mit ihrem aktuellen sechsten Studioalbum „The World, The Flesh & The Devil“ treten die Münsteraner Folk-Punks in den Kampf gegen persönliche Laster – dieses Mal öffentlich auf Schloss Jägersburg. Und die Shamrock Castle-Besucher wirken dankbar für das Gaspedal im Sound, besonders mit gelungenen Coverversionen von Dead Or Alives „You Spin Me Around“ und REMs „End Of The World“. Die Hoffnung, dass in der Hölle Bier verkauft wird, teilt ein Großteil der Besucher und so geht es besonders in den ersten Reihen ordentlich rund. Musikalisch bewegen sich MR. IRISH BASTARD sowohl auf den Spuren von The Pogues als auch des klassischen Punk, greifen aber gleichzeitig auch Ska-Elemente auf. Die Texte sind dabei eher nebensächlich, widmen sich aber vor allem bei den bekannteren Nummern vorwiegend dem feierlichen Alkoholgenuss. Bei den tropischen Temperaturen in Bammersdorf eine willkommene Alternative – und eine zufriedenstellende Einleitung für den Headliner, wenngleich die Cover-Versionen für die Nicht-Vollblutanhänger wohl den größten Reiz ausstrahlen.
Im Vorjahr der akustische Beginn auf dem Schlossbalkon, 2013 die Pianoversionen mitten im Set – und 2015? Die Antwort lautet: Boat On The River! Mit der äußerst gelungenen Styx-Adaption überraschen FIDDLER’S GREEN ihre Fans bei ihrem eigenen Festival. Der Rest besteht aus Altbekanntem und Altbewährtem von der diesjährigen Jubiläumstour „25 Blarney Roses“. Einzig die Wall Of Folk gestaltet sich inmitten des baumbepflanzten Innenhofs als etwas schwierig. Dafür zeigt sich die Menge äußerst angetan von Klassikern wie „Queen of Argyll“ oder neuen Live-Granaten wie „Old Dun Cow“ und „We Don’t Care“. Der irische Partyexpress schaltet in heimischen Gefilden nur dann ein paar Gänge herunter, wenn hymnisch den „Greens and Fellows“ gehuldigt wird oder Sänger Albi mit „Down By The Hillside“ zum Hinhören einlädt. Wenn alle Stimmen verklingen und die Bühne nur in dezentes Licht gehüllt ist, begeistert Geiger Tobi – flankiert von Schlagzeuger Frank und Stefan an der Bodhrán – mit seinem Spiel unter dem nächtlichen Abendhimmel. Wenig später huldigen FIDDLER’S GREEN erwartungsgemäß noch Pat Murphy und lassen „Victor And His Demons“ im Zugabenblock von der Leine, ehe „Blarney Roses“ das Shamrock Castle 2015 stilvoll beendet. Im Hinblick auf modernen, irischen Folk mit unterschiedlichen Einflüssen sind die süddeutschen Veteranen inzwischen die klare Nummer 1. Diesen Beweis treten sie an diesem Abend erneut eindrucksvoll an.
Nicht unerwähnt darf erneut JOE GINNANE mit seiner Gitarre im Biergarten bleiben. Sein Repertoire mit Klassikern wie „Fields of Athenry“ oder auch „Always Look On The Bright Side Of Life“ ist inzwischen aus den letzten Jahren bekannt, was die Qualität seines Gesangs und Spiels allerdings nicht schmälert. Das SHAMROCK CASTLE unterscheidet sich insgesamt merklich vom Feuertanz und anderen Festivals in Süddeutschland, allein durch das sehr idyllische Gelände rund um das Schloss Jägersburg. Die Bands verkörpern eine gesunde Mischung aus Party- und Lauschprogramm, so auch 2015. Wer den ruhigen wie schrägen und vor allem folkigen Sounds von der grünen Insel zugetan ist, wird bestens bedient und unterhalten. Nur bei manch vielversprechender Nachwuchscombo (und bei manch „altem Hasen…“) wäre weniger Spielzeit (noch) mehr.
Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von:
Bernd Sonntag / http://www.konzertreport.de – dort findet ihr unter anderem die vollständige Galerie zu diesem Festival!