Ein Jahr Pause gönnten sich Fiddler’s Green mit ihrem SHAMROCK CASTLE-Festival. Rund 750 Tage und einen Umzug später fand der Irish & Celtic Folk-Event dieses Jahr erstmals auf Schloss Jägersburg im beschaulichen Bammersdorf statt. Im Schlepptau hatten die Wahliren dieses Jahr verschiedene Gleichgesinnte wie Acoustic Revolution, Sir Reg und die Newcomer Punch N Judy.
Die Wuppertaler waren es dann auch, die das Festival eröffneten – und wie. PUNCH N JUDY präsentierten imposanten Crossover-Folk mit dem gewissen Etwas. So wurden die Kompositionen konzeptionell und thematisch passend verpackt, indem beispielsweise Sänger Sascha mehrfach sein Outfit wechselte und u.a. als Pirat vor die Menge trat. Als Support von Fiddler’s Green hatten die fünf Musiker bereits im Frühjahr umfangreiche Erfahrungen mit dem irisch-folkigen Publikum sammeln können – und so dauerte es nicht lang, bis die ersten anwesenden Gäste an diesem Tag bei bester Stimmung waren. Die ersten Reihen tanzten und feierten, so dass schließlich auch Sascha mit den Fans das Tanzbein schwang. Zum Schluss stimmte schließlich fast der gesamte Burghof in den „Koboldkönig“ ein und PUNCH N JUDY hatten die Messlatte für den Rest des Tages extrem hoch gelegt. Diese unverbrauchte Frische dürfte es im Folkbereich gerne öfters geben.
Die Nürnberger BOGGIN LEPRECHAUN waren bereits auf dem Shamrock Castle-Festival zu Gast, als es noch auf Burg Waischenfeld stattfand. Stilistisch bewegte sich die Musik weg vom Folk hin zum Punk, den man in dieser Form am ehesten von den Dropkick Murphys und Flogging Molly kennt. Auch die Performance erinnerte sehr an die Szeneväter, wobei BOGGIN LEPRECHAUN ihr Handwerk ebenso verstehen. So fing die Menge statt zu tanzen langsam damit an, sich für Sir Reg später warm zu pogen. Neben all dem Punkfolk schimmerten aber auch traditionelle Klänge bei den Süddeutschen durch, wie z.B. bei enorm druckvollen Versionen von „Lanigan’s Ball“ und „Star Of The County Down“. Zum Abschluss gab es schließlich noch eine punkige Dire Straits-Coverversion von „Brothers In Arms“, bevor die Musiker nach lautstarken Rufen noch einmal für Zugaben zurückkehrten. Die beiden Sänger Moe McInch und Rusty Spoon sehen auf den ersten Blick wie Brüder aus und wirken wunderbar aufeinander eingespielt. Vereinzelt schräge Töne störten die Feierlaune im Auditorium nur unwesentlich.
Als dritte Band leistete sich das Festival mit ACOUSTIC REVOLUTION einen schwäbischen Import. Die kleine Band mit lediglich drei Mitgliedern bewies ihr akustisches Können sowohl gesanglich mit wunderbar aufeinander abgestimmten Sangesstimmen als auch in der Handhabung ihrer Instrumente. Neben Gitarre und Banjo zählte dazu an diesem Tag auch erstmals ein Kontrabass, der von Dennis Hornung nicht nur während seines Solos mächtig bearbeitet wurde. Und trotz der hohen Qualität des Dargebotenen gelang es den drei Musikern mit ihren keltisch-irischen Akustikkompositionen nicht, das Publikum dauerhaft in den Bann zu ziehen. Nur gegen Ende ließ sich die Masse mitreißen und zum Tanzen ermutigen, allerdings verschwand die losgelöste Feierlaune meist direkt im Anschluss. Verantwortlich dafür war die ungünstige Abfolge der Songs: So ließ sich das Trio beispielsweise bis fast zum Ende Zeit, um mit „Haunted By Numbers“ und „Gimme More“ die stärksten Feiernummern ihres letzten Albums zu präsentieren. Im Zugabenteil folgte dann als Kontrastprogramm noch eine gesanglich starke, wenngleich insgesamt nicht zwingend nötige Coverversion von Metallicas „Nothing Else Matters“.
Während die stimmgewaltigen Männer vor Sympathie und Spielfreude nur so strotzten, zeichnete sich das gezeigte Repertoire beim Shamrock Castle durch einen Mix aus zu vielen ruhigen Stücken und wenigen anfeuernden Titeln aus. So nutzten viele den Auftritt von ACOUSTIC REVOLUTION als Verschnaufpause. Der Irish-Celtic-Folk-Rock-Mix an sich ist musikalisch aber in jedem Fall qualitativ über vieles andere erhaben. Im Liveumfeld fehlt den Musikern lediglich ein Schlagzeuger.
Keltischer Punk/Prog aus Schweden und Irland versprach zumindest von der Theorie her eine interessante Kombination. Und in der Tat sind SIR REG ein bunter Haufen: Der Sänger aus Irland, die Geigerin aus Schweden – um nur zwei Beispiele zu nennen. Die unterschiedlichen Hintergründe und Einflüsse der sechs Musiker sind bereits bei einem einfachen Blick auf die Bühne offenkundig. Erstaunlich einheitlich gestaltet sich dafür das akustische Klangbild irgendwo zwischen The Pogues, Flogging Molly und einem Hauch Johnny Cash. Die Bühnenerfahrung ist SIR REG, die zuvor mehrere Jahre als The Barcrawlers durch die Lande zogen, dabei deutlich anzumerken: Immer wieder bewegte sich Mats Lindström mit seiner Bouzuki an den Bühnenrand und war damit für die erste Reihe beinahe greifbar. Doch so schnell er nach vorne trat, so schnell verschwand er auch wieder nach hinten. Während Juba am Bass und Chris Inoue an der E-Gitarre eher statisch agierten, fegte Mats wie ein Derwisch über die kleine Bühne. Sänger Brendan gab sich derweil sowohl beim Singen als auch bei der Attitüde bewusst Irisch und als vielschichtiges Gemisch sorgten SIR REG genau wie Boggin Leprechaun wenige Stunden zuvor für ordentlich Bewegung vor der Bühne. Dass die Ansagen dabei öfters in einem unverständlichen Kauderwelsch endeten, trübte die Guinness-getränkte Feierlaune am frühen Abend zu keiner Zeit.
Natürlich ließen es sich die Organisatoren des Shamrock Castles nicht nehmen, ihre Veranstaltung wie gewohnt selbst zu headlinen. FIDDLER’S GREEN krönten den Abend mit einer gut zwei Stunden langen Show. Dabei gaben die sechs Köpfe aus jeder Bandepoche etwas zum Besten, angefangen von etlichen Titeln ihres aktuellen Albums „Wall of Folk“, welche den Festivalsommer bis dato konstant begleiteten, über das obligatorische Geigensolo von Tobi, bis hin zu eher raren Klassikern wie „Goldwatch Blues“, „Raggle Taggle Gypsie“ und „Queen of Argyll“. An den beliebten „Oldies“ wurde zudem das Akustik-Konzept des neuen Albums getestet, welches, gemessen an den Reaktionen des Publikums, ein voller Erfolg werden dürfte. Es steht außer Frage, dass die Musiker bei ihrem Heimspiel an diesem Abend einen ihrer stärksten Auftritte der Festivalsaison auf die Bühne brachten. Verzichteten die Fiddlers z.B. beim Veldensteiner Festival noch auf einen Ausflug in die Menge, so zogen sie dieses Mal als Kollektiv los, um in der Menge mit „Star Of The County Down“ ihre Show fortzusetzen – mit durchweg begeisterten Reaktionen. Die Independent Speed Folker ließen das Publikum an diesem Abend die Füße wund tanzen und zeigten damit, dass das Shamrock Castle-Festival durch seinen Umzug nichts an seiner beflügelnden Wirkung eingebüßt hat und gern für alle Feier- und Tanzwütigen in dieser Form wiederholt werden darf. Wobei bestimmt niemand traurig wäre, wenn die vier Bäume einer noch größeren Feierfläche weichen. So musste auch die Wall of Folk bei der „Rocky Road to Dublin“ dieses Mal kleiner ausfallen bzw. über Umwege gelaufen werden.
Summa summarum war das SHAMROCK CASTLE 2012 eine sehr runde Angelegenheit. Der neue Veranstaltungsort in Bammersdorf bestand seine Feuertaufe trotz einiger Last Minute-Änderungen mit Bravour. Musikalisch zeichnete sich das Festival durch einen weiten Bogen zwischen traditionellen Klängen und verschiedenen modernen Einflüssen rund um den Celtic bzw. Irish Folk aus. Abseits davon überzeugte neben dem kostenlosen Campingplatz das großzügig angelegte Gelände inklusive Biergarten. Auf der kleinen Bühne dort sorgte Singer/Songwriter Joe Ginnane zwischen den Hauptacts mit seiner kraftvollen Stimme und unbändigem Charme für viel Unterhaltung. Bei einer eventuellen Neuauflage 2013 wäre ihm ein Platz auf der Hauptbühne zu gönnen. Und apropos Charme: Den hatte dieses Festival auch durch seinen kleinen Rahmen und die beinahe familiäre Atmosphäre. So ließen es sich beispielsweise die Mitglieder von Fiddler’s Green nicht nehmen, die Ansagen für die anderen Bands zu übernehmen. Mangelnde Erfahrung bei derlei Moderationstätigkeiten kompensierten die Musiker durch viel Witz und einem Augenzwinkern, wie es manch größerem und vor allem populärerem Festival ebenfalls gut zu Gesicht stehen würde.