Festivalbericht: Schlosshof Festival 2024 – Tag 2

09.08.2024 - 10.08.2024 Höchstadt a.d. Aisch

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… unter anderem mit MR. HURLEY UND DIE PULVERAFFEN und DIE APOKALYPTISCHEN REITER!

Der zweite Tag beim Schlosshof Festival beginnt mit den Schweizern KOENIX. Diese sind ausnahmsweise nicht aus ihrer Heimat, sondern aus dem hohen Norden angereist genauer gesagt aus Schweden, 24 Stunden lang. Von Ermüdungserscheinungen ist allerdings nichts zu sehen, als die Combo mit allerlei Sackpfeifen und anderen Instrumenten ihren Auftritt beginnt. Allerdings müssen KOENIX kurzfristig ihren Tontechniker zum Schlagzeuger umfunktionieren. Anfangs kurz hinter Masken versteckt zeigen sich die Schweizer virtuoser und verspielter als die Trollfaust am Tag zuvor. Bei Stücken wie „Perelin“ gelingt dies ganz hervorragend, speziell durch die indische Sitar als extravagantes Instrument im Folk-Kontext. Das Schweizerdeutsch in den oft fantasievollen Texten verleiht den Eidgenossen dazu eine besondere, eigene Note. Umso unverständlicher ist es, dass sich KOENIX mit ihren beiden neuen Stücken „Hier und jetzt“ und „Drachenreiter“ genau dieser Stärken berauben. Die Kompositionen sind vergleichsweise seicht, der Gesang auf Hochdeutsch fällt merklich ab und das Ergebnis entfesselt längst nicht den Charme des übrigen Materials, zu dem im Schlosshof z.B. auch ein wenig Walzer getanzt wird. Sollte das die Zukunft von KOENIX sein, um vielleicht auch auf höhere Positionen in Festival Line-Ups zu schielen, ist der Erfolg eher zweifelhaft.

Etwas überraschend stehen als nächstes RAUHBEIN auf der Bühne. Im Dunstkreis von DArtagnan haben sich die Folk-Rocker um Sänger Henry in kurzer Zeit eine beachtliche Menge Fans erspielt, wodurch ein prominenterer Platz vertretbar gewesen wäre. Eben jener Henry agiert als das zentrale Element der Show und richtet sich früh an den gut gefüllten Schlosshof: Er entschuldigt sich für den optischen Zustand der Band, da gestern der Geburtstag von Geiger Justin ordentlich gefeiert werden musste. Das Geburtstagskind erweist sich mit seinem virtuosen Spiel auch als das größte Plus der Show. Ansonsten liefern RAUHBEIN musikalisch mit „Komm mit uns“ oder „Feier frei“ simpel gestrikte Unterhaltung über Zusammengehörigkeit und gemeinsame Feste, die so vermutlich auf dem Reißbreitt größerer Labels entstehen. Dazu kommt die gut zu vermarktende Hintergrundgeschichte um Henry, der erst wegen eines Unfalls arbeitsunfähig geworden ist und RAUHBEIN während Corona hochgezogen hat. Charmant gerät die Cover-Version von ABBAs „Dancing Queen“, alles andere wirkt überwiegend so, als ob es über kurz oder lang auch von einer KI geliefert werden kann kompositorisch wie lyrisch. Ironischerweise würden ausgerechnet RAUHBEIN etwas mehr Ecken und Kanten guttun. Handwerklich ist den Musikern live allerdings kein Vorwurf zu machen und auch die Stimmung ist mehr als nur ordentlich.

Mit MR. IRISH BASTARD wird es so irisch, wie es der Name verspricht. Die Kapelle setzt voll auf einen bunten Mix aus Punk und Irish Folk, bei dem es ab und an auch ein bisschen Ska zu hören gibt. Das wird von den neun Musikern ordentlich dargeboten und lädt wie in „The Irishman“ teils zum Mitgröhlen ein, doch der Stilmix nutzt sich in dieser Form auch schnell ab. Dazu kommt, dass Namenspatron Mr. Irish Bastard am Mikro gesanglich keine Preise gewinnt und vielen Kompositionen die Finesse oder der letzte Schliff fehlt, um wirklich Ohrwurmpotential oder einfach etwas mehr zu bieten. Was sich die Band von einem Titel wie „All My Friends Are Idiots“ verspricht, ist derweil völlig schleierhaft. Auch das Schlosshof-Publikum reagiert auf die Nachfrage, wer alles Idioten als Freunde hat, eher verhalten und verdutzt zugleich. Textthematisch erschlagen MR. IRISH BASTARD ansonsten alle gängigen Klischees von übermäßigem Alkoholgenuss bis St. Patrick’s Day. Der gejaulte Chorus des bereits als poppig angekündigten „Wolfpack“ ist dann auch am besten mit einem oder zwei Bier zu ertragen. Selbst nach fast 20 Jahren Bandgeschichte scheint es für die Münsteraner nicht für den großen Durchbruch zu reichen, dafür ist das Gesamtpaket unter dem Strich zu eindimensional.

Mit TANZWUT kommt dann neuer Schwung aus gänzlich anderer Richtung. Zwar fehlen af Grund der etwas kürzeren Spielzeit mit den Merseburger Zaubersprüchen und auch dem stimmungsvollen Abschluss „Hymnus Cerberi“ direkt zwei Vorzeigestücke, doch TANZWUT überzeugen dennoch über eine Stunde mit ihrer härteren, folkmetallischen Gangart und vielen Synthies. Außerdem haben sie mit „Achtung Mensch“ den schmissigen Titeltrack ihres neues Albums dabei, welches ab Ende August erhältlich ist. Damit schicken sich die Berliner an, den positiven Trend der letzten Werke fortzusetzen: Von „Seemannsgarn“ gibt es mit „Francois Villon“ eines der stärksten Stücke zu hören, bei „Die Tanzwut kehrt zurück“ wird es beim gleichnamigen Titeltrack, „Narziss“ und „Pack“ angenehm folkrockig. Kurzzeitig schlagen TANZWUT mit „Bis zum Meer“ auch ruhigere Töne mehr als gelungen an. Im Fokus steht allerdings ganz klar die Feier- und Partystimmung, bei der es immer weniger ins Gewicht fällt, dass Teufel als Sänger seine besten Tage hinter sich hat. Dafür leistet er sich dieses Mal keine Ausrutscher bei den Ansagen und auch der Sound dringt mehr als amtlich über die Lautsprecher. So dürfte es für TANZWUT weiter aufwärts gehen.

KNORKATOR gelingt das Kunststück, auf die Tanzwut-Performance noch ein Schippchen draufzulegen. Neben den bekannten Gesichtern gehört inzwischen auch Stumpens Tochter Angnetha (liebevoll „Nethi“ genannt) zur festen Besetzung und gemeinsam mit ihrem Vater fügt sie sich nahtlos in die fulminante Show ein, die unter anderem durch das männlich-weibliche Doppel auch musikalisch und gesanglich überzeugt. Gleich fünf Songs stammen vom letzten Album „Sieg der Vernunft“, zu „Die Welt wird nie wieder so, wie sie vorher war“ lädt Stumpen zu Beginn alle Fotografen auf die Bühne ein und sorgt damit erstmals für spontane Verwirrung. Wenig später zertrümmt Alf Ator sein Keyboard, welches anschließend als Souvenir in Einzelteilen in die Menge geworfen wird. Zuvor liefert Ator beim politischen „Der Hofstaat“ am Mikro ungemein ab und auch später trägt er „Wir werden alle sterben“ fast im Alleingang. Gelegentliche Verschnaufpausen nutzt Stumpen, um sich zu erkundigen, wer KNORKATOR nicht kennt: Ein männlicher Gast outet sich, wird nach vorne geholt und darf sich nach einem Kuss auf den Mund „wieder verpissen“ (O-Ton). Stumpen selbst ist erneut gesundheitlich angeschlagen und überlässt seiner Tochter bei „Der Weg nach unten“ schließlich alleine die Bühne, um sich auf einem Stuhl sitzend als „Alter Mann“ von eben jenem Song und „Dinne inne Schnauze“ zu erholen. Mit „Zähneputzen, pullern und ab ins Bett“ gelingt der meisten Band der Welt dann nach viel weiterem Chaos, u.a. mit ein- und zweistöckigem Huckepack inklusive dazugehörigem Pogo, noch der gelungene Rausschmeißer und das finale Ausrufezeichen für einen grandiosen Auftritt.

SUBWAY TO SALLY komplettieren den „Berliner Dreier“ beim Schlosshof Festival 2024 als Headliner. Eric Fish, Bodenski und Co. sind zwar auch nicht mehr die jüngsten, doch gelingt ihnen zusammen mit Ausnahmegeigerin Ally ein wenig der Brückenschlag zwischen den beiden Bands zuvor. Die härteren Folk-Nummern wie „Falscher Heiland“ oder „Island“ werden abgerundet durch ein sehr schön inszeniertes „Minne“, Konfettiregen bei „Eisblumen“ sowie mächtig Feuer, u.a. bei „Tanz auf dem Vulkan“. Auch das überraschende Cover von Joachim Witts „Goldener Reiter“ überzeugt und wird vom Publikum überraschend gut angenommen. Im Gegensatz zu Tanzwut bekommen SUBWAY TO SALLY einige Minuten zusätzlich spendiert, so dass es mit „Feuerland“ eine weitere starke Nummer ins Set schafft, die standesgemäß inszeniert wird. Genau wie Knorkator haben STS insgesamt fünf Stücke von ihrem aktuellen Album „Himmelfahrt“ im Gepäck, darunter „Leinen los“, „Auf dem Hügel“ und „Ihr kriegt uns nie“. Diesen fügen sich zusammen mit weiteren Klassikern wie „Sieben“ und den neuen Versionen von „Kleid aus Rosen“ oder „Veitstanz“ zu einem rundum gelungenen Headliner-Set zusammen, welches vom verbliebenen Publikum sehr gut angenommen wird. Das scheint auch auf die Band abzufärben, die sich sehr spielfreudig und bestens gelaunt präsentiert. Die unvermeidlichen Rufe nach „Julia und die Räuber“ hebt sich die Menge angenehmerweise bis zum Zugabenblock auf und dort wird der Wunsch dann natürlich zum großen Finale auch erhört.

Musikalisch betrachtet hat beim SCHLOSSHOF FESTIVAL 2024 die zweite Hälfte des Samstags klar die Nase vorne: SUBWAY TO SALLY rechtfertigen auch im zweiten Jahr in Folge ihren Headliner-Spot und davor gibt es mit KNORKATOR beste Unterhaltung in jeglicher Hinsicht. TANZWUT machen mit ihrer Festival-Show viel Lust auf die anstehende Tour im Herbst und auch RAUHBEIN werden in der Folk-Szene vermutlich zu einer festen Größe. Weitere Pluspunkte sammelt das Festival durch kostenlose, bestens organiserte Parkplätze, sehr humane Getränkepreise (3,50 Euro für 0,4 Liter) und ein stimmiges Rahmenprogramm mit musikalischen Einlagen auf dem angeschlossenen mittelalterlichen Markt. Dass Veranstalter Thomas zwischenzeitlich selbst mit dem Wasserschlauch für die dringend benötigte Abkühlung in den ersten Reihen sorgt, rundet den positiven Gesamteindruck ab. 

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