Im 17. Jahr geht das SCHLOSSHOF FESTIVAL im beschaulichen Höchstadt a.d. Aisch wieder über zwei Tage: Veranstalter Thomas Ackermann experimentiert seit einigen Jahren mit der Trennung bzw. dem Zusammenspiel zwischen Folk, Metal und anderen Genres. 2024 gehen folkige Klänge und härtere Riffs am Freitag und am Samstag gleichermaßen Hand in Hand. Das Ergebnis kann sich sehen und vor allem hören lassen. Zudem überzeugt das Festival auch abseits der Bühne.
Los geht es am ersten Tag mit der TROLLFAUST. Die Band bezeichnet sich selbst scherzhaft als den ewigen Opener, weil sie im Gegensatz zu anderen Formationen keine E-Gitarren dabei haben. Dafür spielt die Formation mit ihren Dudelsäcken mehr als nur ordentlich auf. Im Vergleich zu Szeneveteranen wie Corvus Corax und Co. wirken TROLLFAUST ein wenig brachialer und vielleicht auch noch ein wenig unverbrauchter. Gemixt mit einer ordentlichen Prise Humor ist auch das Publikum schnell angefixt und stimmt u.a. bei „Hexenreigen“ in den Chorus ein. Zu „Absinth“ gibt es dann neben den nun etablierten Sackpfeifen auch eine Drehleier zu hören. Umso erstaunlicher ist es, dass gegen Ende „Menschenfleisch“ mit ungewöhnlich schlechtem Gesang und penetranten Tröten den Weg in das ansonsten überzeugende Set findet. Deutlich besser gelingen wieder die instrumentalen Parts oder auch die Hymne an das Brandschatzen im Anschluss.
Bei VROUDENSPIL kommt es im Anschluss zu einem überraschenden Novum: Erstmals in der Bandgeschichte stehen mit Don Santo und Ratz von der Planke zwei Sänger (und damit insgesamt neun Musiker) auf der Bühne. Die beiden Fronter rufen gemeinsam die „Rebellion“ aus, interagieren im fließenden Wechsel mit der Menge und bringen sich auch einmal gegenseitig mit einer Pistole kurzzeitig ums Eck. Das Konzept funktioniert als Bühnenshow und musikalisch von Anfang an überraschend gut, sowohl beim alten als auch beim neuen Material: Mit „Eintausend Seelen“ und der „Pestpockenpolka“ haben VROUDENSPIL direkt zwei Songs ihres kommenden Albums „Schattenuhr“ dabei, welches im November erscheint und beim TANZT! vorgestellt wird. Speziell die beiden neuen Nummern beweisen, dass den Musikern immer wieder neue Ideen rund um das (inzwischen etwas losere) Freibeuter-Korsett einfallen – und dass das Saxofon als Alleinstellungsmerkmal weiterhin eine wichtige Rolle spielt. Neben „Püppchen“ sticht im Schlosshof-Set besonders „Bis zum Hals“ positiv hervor. Ratz fühlt sich bei seinem Schlosshof-Comeback nach zehn Jahren immer noch sichtlich wohl auf der Bühne und auch die Menge scheint von VROUDENSPIL in der neuen Konstellation überaus angetan zu sein.
Nach einem großen Umbruch stehen DIE APOKALYPTISCHEN REITER neu formiert wieder auf den Festivalbühnen. Mit Sir G. und Ady haben direkt zwei langjährige Mitglieder die Band letztes Jahr verlassen. Geblieben sind Fuchs und Volk-Man, die mit Titus Maximus an der Gitarre und Rohgarr am Schlagzeug überaus spielfreudige und kompetente Mitstreiter gefunden haben. Dass Titus das Set alleine auf der Bühne eröffnet und Rohgarr ebenfalls ein Solo spielt, ist bezeichnend für das Vertrauen, das die neuen Reiter bei den „alten Hasen“ offenbar genießen. Und auch als Kollektiv wirken die neuen Reiter nicht so, als ob sie erst seit rund einem Jahr gemeinsam auf der Bühne stehen: Alle vier Musiker strotzen nur so vor Energie und erreichen damit gefühlt den gesamten Schlosshof, wie z.B. früh im Set bei „Es wird schlimmer“. Die Songauswahl ist allgemein mit das größte Plus des Auftritts: Sie erstreckt sich von Klassikern wie „Der Adler“ (direkt zu Beginn) und „Wir reiten“ über „Wilde Kinder“ bis zu neuerem Material wie „Auf und nieder“, welches inzwischen auch etwas sinnbildlich für die Reiter selbst stehen könnte. Vor „Der Seemann“ sucht sich Fuchs einen weiblichen Gast im Publikum, der anschließend zum Song in einem Schlauchboot (und verkleidet als der gestiefelte Kater) über die Menge getragen wird. Gegen Ende wird erwartungsgemäß die „Reitermania“ ausgerufen und das emotionale „Nach der Ebbe“ beschließt ein phänomenales Set, welches als Steilvorlage dafür dienen sollte, die runderneuerten, aber immer noch facettenreichen Metaller nicht erst wieder in weiteren 16 (!) Jahren zurück zum Schlosshof Festival zu holen.
Genau wie bei vielen anderen Festivals haben sich MR. HURLEY UND DIE PULVERAFFEN auch beim Schlosshof konsequent im Billing nach oben gespielt. Kein Wunder also, dass in Höchstadt besonders das aktuelle Album „Leuchtturm“ zusammen mit einigen bühnenerprobten Klassikern ordentlich zelebriert wird. Rund ein Drittel der Songs des Longplayers schafft es in die Songauswahl des Sommers. Dabei steht „Leuchtturm“ sinnbildlich für die Entwicklung der Osnabrücker: So berichtet Mr. Hurley, dass der Song nun auch im karnevalsgeeigneten Kölner Dialekt und in einer Mallorca-Version verfügbar ist. Letzteres völlig legal adaptiert von Tim Toupet und nicht einfach geklaut wie „Blau wie das Meer“ von Tobee vor vielen Jahren. Die PULVERAFFEN wissen mehr denn je, wie der Hase läuft und was ihre Fans wollen. „Mein Charakter“ und das als Running Gag eingesetzte „Meine Schnauze“ stehen exemplarisch für die lockerleichte Party-Musik, die inzwischen allerdings einem gewissen Schema zu folgen scheint. Das macht der Auftritt in Höchstadt ebenso deutlich. Lediglich das etwas ältere „Komm zur Marine“ und „Santa Sangria“ fallen aus dem Rahmen, alles andere wird geliefert wie – vor allem in den letzten Jahren von immer mehr Anhängern – bestellt. Das gilt auch für den Pfeffi, der inzwischen durch einen Leuchtturm als Teil der Bühnendekoration serviert wird. Die fast schon zeitlosen (und live immer noch starken) „Tortuga“ und „Schrumpfkopf im Rumtopf“ heben sich die Nordlichter dieses Mal für den Endspurt auf, ehe nach ein paar angeteasten Cover-Versionen von „Barbie Girl“ über „Irish Rover“ bis „Final Countdown“ das unvermeidliche „Blau wie das Meer“ folgt Dieses Mal gesellen sich charmanterweise einige Bandmitglieder von Vroudenspil mit auf die Bühne und zelebrieren zusammen mit ihren Artgenossen eine kleine Piratenparty. Der Erfolg gibt MR. HURLEY UND DIE PULVERAFFEN zweifelsohne Recht, nur kommt dieser, zumindest auf Festivals, inzwischen auch für einen gewissen Preis, genauer gesagt Vielfalt und Experimentierfreude oder auch einfach Buckteeth Bannocks Pöbelsolo.
Die viel zitierte Phrase „Bei diesem Festival ist für jeden etwas dabei“ trifft beim Freitag den Nagel auf den Kopf. Durch das etwas breitere Bandspektrum hebt sich das Schlosshof inzwischen auch angenehm von anderen ab. Außerdem überzeugt das Festival durch eine wahnsinnig entspannte Atmosphäre und ein intelligent geplantes Gelände, welches keinerlei Optimierungen bedarf.
>> Zu Tag 2 …
… unter anderem mit SUBWAY TO SALLY, KNORKATOR und TANZWUT!