Festivalbericht: Schlosshof Festival 2017

12.08.2017 Höchstadt a.d. Aisch

Nach dem zehnjährigen Jubiläum im Vorjahr macht das SCHLOSSHOF FESTIVAL 2017 – aus mittelalterlich-folkiger Sicht – einen (überraschenden) Schritt zurück. Anstatt zwei Tagen voller Dudelsäcke, Percussion und E-Gitarren beschränkt sich der Folk dieses Jahr wieder auf den Samstag, während das Festival am Freitag mit Bands wie Unantastbar unter dem Motto „Rock im Schlosshof“ stand.

Den Auftakt am Samstag übernehmen die unbeschriebenen Blätter von DRACO FAUCIUM aus dem Raum Chemnitz. Warum die Band bis dato bundesweit kaum bis gar nicht in Erscheinung getreten ist, legen bereits die ersten Minuten dar: Das folkrockige Sammelsurium klingt noch sehr unsauber und unfertig, gleiches gilt für Sänger Peter. „Wir speien Feuer, wir kauen Glut, wir sind die Drachenrachenbrut!“ lassen die sechs Musiker online verlauten, ganz so feurig kommt ihre Musik allerdings nicht daher. Ein überaus dürftiges Schlagzeugsolo belegt dies und besonders Goethes Zauberlehrling im Gewand der Merseburger Zaubersprüche liefert eine passende Vergleichsgrundlage mit anderen Interpretationen. DRACO FAUCIUM müssen sich an dieser Stelle hinten anstellen und haben auch insgesamt einen sehr weiten Weg vor sich. Dass dies gelingen kann, haben z.B. Nachtgeschrei an gleicher Stelle bewiesen. Im weiteren Verlauf des Festivals zeigt das Sextett bei seinen Marktshows, dass dort vielleicht Anknüpfungspunkte für die Zukunft liegen.

Im Süden kaum zu sehen ist die Bande KNASTERBART, die das Festival anschließend musikalisch wie auch stimmungstechnisch sofort auf ein anderes Niveau hebt. Der Gossenableger von Versengold und Mr. Hurley und die Pulveraffen transportiert sein Comedy-Konzept durch hervorragende Musiker, allen voran Flo von Versengold alias Fidolin Knasterbart bei seinen instrumentalen Parts. Die Überleitungen und den (Sprech-)Gesang übernehmen die verkleideten Malte alias Hotze und Mr. Hurley alias Fips. „Kein Erbarmen“, „Lieber widerlich als wieder nicht“, „Mein Stammbaum ist ein Kreis“ und „Gossenabitur“ sind nur einige Beispiele für launigen Folkrock, zu dem man sich gepflegt einen hinter die Binde kippen oder – gemäß Intro – auch seine Katze ertränken kann. Im Rahmen von „Heiliger Hotze“ aus den Anfangstagen des ehemaligen Zwei-Mann-Projekts kniet die Menge kurzzeitig vor der Bühne nieder und Hotze singt sich balladesk durch seine heilige Hommage an ihn selbst. Halleluja! Gegen Ende schrauben KNASTERBART noch einmal ordentlich am Tempo und setzen damit das erste Party-Ausrufezeichen des Tages.

Nach dem furiosen Auftakt mit Neu-Sänger Don Santo in München haben VROUDENSPIL ihren Kurs nun auch wieder auf Festivals fernab des Münchner Heimathafens gesetzt. Das nicht weit entfernte Höchstadt ist dabei ein guter Anfang von mehreren. Beim Schlosshof Festival sind die süddeutschen Piraten zudem ein regelmäßiger Gast: 2014 spielte Bassistin Zora dort ihre erste Festival-Show mit der Meute toter Narren, dieses Jahr beendet sie ihre Karriere am amplifizierten Freibeuter-Tieftöner an gleicher Stelle. Zum Abschluss gibt es in der Mitte des rund 60-minütigen Gastspiels nach „Küss mich“ etwas Konfettiregen (mit Unterstützung von Mr. Hurley und den Pulveraffen), Luftballons, Wunderkerzen (verteilt von Ex-Sänger Ratz) und viel Applaus für die sympathische Piratin. Die erste halbe Stunde des Gigs gestaltet sich indes zäh. Songs wie „Wiedergänger“ oder „Vampirat“ zünden zu Beginn wenig bis gar nicht, obwohl Don Santo am Mikro nach kurzer Eingewöhnung wieder eine mehr als ordentliche Figur macht. Die Texte vom neuen Material und den Bandklassikern sitzen, recht fix spürt keiner der Besucher, dass hier ein neuer Frontmann vorweg marschiert. In der etwas feiertauglicheren zweiten Hälfte taut die Menge auch fernab der feierwütigeren ersten Reihen ein wenig auf, doch insgesamt manifestiert sich der Eindruck, dass sich auch VROUDENSPIL mit neuem Sänger ihr Publikum erst wieder in Gänze zurückholen bzw. hart erspielen müssen. Neues Material bzw. Altbekanntes mit neuer Stimme dürfte bei dieser Mission helfen.

In den vergangenen Jahren weiter gekommen sind MR. HURLEY UND DIE PULVERAFFEN mit ihrem Grog’n’Roll featuring Aggro-Shantys. Das größtenteils akustische Dreigespann kompensiert die Abstinenz von E-Bass und Schlagzeug durch seine energiegeladene Bühnenshow, schier unendliche Spielfreude und ansteckende Ohrwürmer. Mit dem Titeltrack „Tortuga“, „Mit’n Schwert“ sowie „Achtung, Fertig, Prost“ liefert das Dreiergespann aus Osnabrück einen ersten Vorgeschmack auf sein neues Album, welches mit neuen Piratengeschichten und viel Feierlaune das Repertoire um neue Perlen der Seefahrerromantik (im weitesten Sinne) erweitert. Der „Plankentanz“ funktioniert auch allein mit Pegleg Peggy als Vortänzerin und Einpeitscherin in Personalunion, gleiches gilt für „Schrumpfkopf im Rumtopf“ und andere markterprobte Vorzeigestücke. Dass die vier Geschwister auch anders können, beweisen sie wiederum mit „Die Legende von Daisy Jones“, welches stilistisch eher an Bands wie Katzenjammer erinnert. Die Pulveraffen scheuen sich nicht vor stilistischen Experimenten und beschränken sich bestenfalls textthematisch. Anstatt eines Schlagzeugsolos darf Buckteeth Bannock wieder seine „Pöbelei“ vom Stapel lassen und wen das Gesamtkunstwerk nach rund 70 Minuten noch nicht überzeugt, der kommt mit „Blau wie das Meer“ vermutlich endgültig auf seine Kosten. Für alle anderen lassen MR. HURLEY UND DIE PULVERAFFEN am Ende noch einige Traditionals aus ihren Anfängen einfließen. Das Duell der Folkpiraten entscheiden sie an diesem Tag für sich.

Vor zwei Jahren sorgten VERSENGOLD an gleicher Stelle für Furore und Euphorie beim Schlosshof Festival. Inzwischen sind E-Bass und Schlagzeug ein fester Bestandteil in den Arrangements der Nordlichter und nur einen Tag vor ihrem Auftritt in Bayern feiert die Combo ihren bis dato größten Erfolg: Platz 2 in den deutschen Albencharts. Mit diesem Rückenwind und hervorragendem Sound wie Licht knüpfen Sänger Malte und Co. nahtlos an ihr letztes Gastspiel in Höchstadt an. Mit konzeptionellen Räuber-Alben haben „Funkenflug“, „Verliebt in eine Insel“ oder auch „Feuergeist“ wenig gemein, doch VERSENGOLD haben sich trotz vermehrter Folk-Pop-Einflüsse viel Qualität und Niveau bewahrt. Das zeigen besonders die instrumentalen Zwischenspiele und auch Sänger Malte, der im Gegensatz zur letzten Studioproduktion live gerne auch zur Tin Whistle greift. „Drey Weyber“ und andere Klassiker wie „Versengold“ dürfen in der Festival-Saison nicht fehlen und zusammen mit „Kein Trinklied“, „Hoch die Krüge“ und vielem anderen zeigen die Chartstürmer, dass die Headliner-Spots auf größeren Festivals nur eine Frage der Zeit sein dürften. Zwischenzeitlich wagt Bassist Eike das ein oder andere umjubelte Tänzchen bei „Wem? Uns!“, während es im krassen Gegensatz dazu bei „Haut mir kein‘ Stein“ andächtig ruhig auf dem Gelände wird. Der einzige Wermutstropfen ist am Ende die Abstinenz von Bodhran-Spieler Pinto, der durch einen Gastmusiker am Banjo ersetzt wird. Ansonsten erweisen sich VERSENGOLD an dieser Position im Line-Up für alle Headliner als echte Gradmesser.

Das letzte Konzert an diesem sonnigen Festival-Tag ist auch gleichzeitig das letzte Konzert in Bayern von Geigerin Anna als Teil von SCHANDMAUL. Das Gründungsmitglied verlässt die Band auf eigenen Wunsch und ohne die typischen Zankereien, die im Metal- und Rockbereich fast schon an der Tagesordnung sind. Umso erstaunlicher, dass SCHANDMAUL den Ausstieg auf der Bühne kein einziges Mal erwähnen. Dafür geben sie sich bei ihrer ersten Show in Höchstadt gewohnt spielfreudig und unterhalten, nach der stimmlichen Zwangspause von Sänger Thomas, ihr Publikum mit frischer Energie. So gelingt dem Textausfall-Wiederholungstäter Thomas ein fast patzerfreies Konzert mit vielen stimmlich starken Momenten – und wo es vielleicht doch einmal hagt, hilft das Publikum stimmgewaltig aus. Besonders beim obligatorischen “Dein Anblick” ist die Open-Air Schlosshof-Kulisse in Kombination mit dem Tausend-Stimmen-Chor der Festivalbesucher ein wahres Highlight. Für ihre Headliner-Show setzen SCHANDMAUL jedoch auch auf neue Töne und spielen Stücke wie “König” und “Leuchtfeuer” aus ihrem aktuellen Album “Leuchtfeuer”. Egal ob feuchtfröhlich wie bei “Der Teufel”, politisch wie bei “Bunt und nicht Braun” oder in der Liederkiste kramend wie beim (etwas überlangen) “Der Spion”: SCHANDMAUL sind und bleiben eine Szenegröße, die noch lange nicht wegzudenken ist, und können mit ihrer Performance Publikum wie Veranstalter immer wieder aufs Neue überzeugen. Besonders im Vergleich zu ASPs Von Zaubererbrüdern vor zwei Jahren behaupten sich die Münchner als Headliner, der diesen Platz verdient hat und das Publikum bis zum Ende um kurz vor Mitternacht bei der Stange hält.

Im 11. jahr ist das SCHLOSSHOF FESTIVAL als Eintagesveranstaltung ebenso gelungen wie mit einem kurzen Folk-Freitag als Vorspiel im Jubiläumsjahr. Zusammen mit dem Markt nebenan und etwas Rahmenprogramm werden die Besucher den ganzen Tag über bestens versorgt. Besonders nach dem Wegfall anderer Burgenfestivals in Bayern im Laufe der letzen Show ist „das Schlosshof“ nun endgültig zu einer festen Institution gewachsen, bei der auch noch kleinere Bands ihre Chancen erhalten und gleichzeitig viele Szenegrößen unter freiem Himmel vor angenehm großer Kulisse aufspielen. 

Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von:
Bernd Sonntag / http://www.konzertreport.de – dort findet ihr unter anderem die vollständige Galerie zu diesem Festival!

 

Publiziert am von und

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert