Im Vergleich zu den anderen Burgenfestivals im Frankenland besitzt das SCHLOSSHOF FESTIVAL im bescheidenen Höchstadt an der Aisch seinen eigenen Charme. So etablierte sich die Veranstaltung mit kurzen Laufwegen als „kleiner Bruder“ zu Feuertanz & Co., der vereinzelt andere Schwerpunkte setzt. Nach der Headlinershow der Apokalyptischen Reiter vor einigen Jahren dient anno 2015 der akustische Ableger von ASP unter dem Banner der Zaubererbrüder als Zugpferd der Veranstaltung. Gleichzeitig spielen die Musiker rund um Mastermind Alexander F. Spreng im Norden Bayerns ihre Abschiedsshow auf unbestimmte Zeit.
Die DUDELZWERGE sind wiederum ein gern gesehener Opener auf dem Schlosshof Festival. Bereits zum dritten Mal eröffnen die Ostdeutschen den Festivalsamstag und präsentieren dieses Mal einige Stücke von ihrem Album „Licht und Schatten“. Das Intro nutzt die Truppe, um mit Dudelsack und Co. für ein paar bekannte instrumentale Allüren zu sorgen, ehe es erstmals ordentlich rumst. Der Gesang von Frontfrau Emilia Noir verdient neben E-Gitarren und Co. immer noch das Prädikat “einzigartig“, wenngleich die Abwechslung im rund 45-minütigen Set überschaubar ausfällt und das Publikum zu keiner Zeit wirklich voll in die Show einsteigt. So verabschieden sich die Zwerge (mit dem katastrophalen Bandnamen) nach ihrem Set relativ fix, um anschließend auf dem angeschlossenen Markt zusammen mit Gaukler Fabio für Kurzweyl zwischen den Hauptacts zu sorgen. Vielleicht die bessere Option.
Back To The Roots – so lässt sich die Show der SANDSACKS beschreiben, die ebenfalls nach Höchstadt zurückkehren und dafür wieder ihre Zimmermannskluft auspacken. Ohne E-Bass und Schlagzeug im Gepäck setzen die Berliner auf ihren irischen Folk mit bekannten Traditionals, die direkt zu Beginn des Sets zum gemeinsamen Square Dance einladen. Erstmals an diesem Tag zählt die Interaktion zwischen Bühne und Publikum zum festen Bestandteil der Show, wenngleich die Menge einige Zeit benötigt, um Betriebstemperatur zu erreichen. Darunter leidet bei tropischer Hitze auch der Auftritt der SANDSACKS. Andererseits beweisen die Veteranen mit „Whiskey In The Jar“ und „Drunken Sailor“, dem „Atemlos“ der Irish und Celtic Folk-Szene, dass manche Nummern wirklich immer funktionieren. Für einen Schmunzler sorgten die Dudelzwerge als kurzzeitige Background-Tänzer. Im Soundcheck der Berliner angedeutet, fehlen am Ende einige Stücke wie „Leaving of Liverpool“ und „Foggy Dew“, welche womöglich besser funktioniert hätten als die dargebotenen Alternativen. So hat man die SANDSACKS am Ende des Tages schon stärker und vor allem mitreißender gesehen als an diesem Tag.
Die Einstiegshürde für MR. HURLEY UND DIE PULVERAFFEN (aus der Küstenmetropole Osnabrück) fällt in Süddeutschland dieses Mal ebenfalls vergleichsweise hoch aus. Auf dem Festival Mediaval in Selb von Anfang an gefeiert und beim TANZT! 2014 als großer Gewinner des Abends muss sich das bärtige Trio dieses Mal seinen Support in Bayern hart erarbeiten. Selbst „Schrumpfkopf im Rumkopf“ als eine der Paradenummern verpufft zunächst relativ spurlos. Mit „Booty Island“ und anderen Hits aus ihrem aktuellen Studiowerk „Voodoo“ bessern die Piraten ihre zunächst undankbare Situation, u.a. dank weiblicher Tanzeinlagen und viel eingestreutem Humor wie einer einminütigen Schimpftirade von Buckteeth Bannock. So marschiert die Menge irgendwann doch geschlossen mit einem Schritt nach Luv und einem nach Lee, um im weiblichen Teil anschließend fleißig Bug oder Achterdecks zu schütteln. Was sich zunächst banal liest, ist musikalisch hochwertiger als viele der „ernst gemeinteren“ Szenealternativen. Bedauerlicherweise scheint ein Teil des Festivalpublikums nur auf den größten PULVERAFFEN-Hit „Blau wie das Meer“ zu warten, so dass einige stimmungsvolle Nummern wie „Die Legende von Daisy Jones“ weit weniger Aufmerksamkeit erhalten.
Wo die Dudelzwerge ansetzten, machen LORD OF THE LOST nach der Halbzeit weiter. Als ähnlicher Exot wie die Apokalyptischen Reiter oder Mono Inc. wirken Chris Harms und sein inzwischen extrem metallastiges Gefolge teilweise wie ein Fremdkörper auf dem eher folkig orientierten Festival. Daran ändert auch der optisch interessant gestaltete Kontrabass zu Beginn bei „Full Metal Whore“ nichts. Dieser wird ebenso von den Gitarren und Schlagzeugklängen überlagert wie die Stimme von Sänger Chris in einigen Teilen des Gastspiels. Von den Coverhits früherer Tage wie Amy MacDonalds „This Is The Life“ oder Lady Gagas „Bad Romance“ hat sich die Combo inzwischen getrennt, aktuell sind sie mit ihrem neuesten Werk „Full Metal Whore“ unterwegs. Der namensgebende Titelsong überzeugt als Opener, doch schnell kristallisiert sich ähnlich wie bei den Dudelzwergen ein recht übersichtliches Klangspektrum heraus, welches von den Männern in Grau allerdings optisch ansprechend präsentiert wird. Zu neueren Stücken mischen sich alte Bandhits wie „Sex On Legs“ oder „Black Lolita“. Insgesamt sorgt dies durchaus für Stimmung und Unterhaltung bei Freunden der härteren Gang, schreit aber nicht zwangsläufig nach Wiederholung an gleicher Stätte.
Welche Band quasi als Inbegriff für das Schlosshof Festival stehen könnte, sind wiederum VERSENGOLD – nun mit E-Bass und Schlagzeug in der Standardformation. Bereits zu Beginn des furiosen Semi-Headliner-Konzerts offenbart der Sound, warum sich die Nordlichter auf ihrem neuen Album „Zeitlos“ zu diesem Schritt entschlossen haben. Zwar käme manch älteres Material wie „Paules Beichtgang“ auch ohne die instrumentalen Add-Ons aus, doch besonders die neuen Nummern wie „Kein Trinklied“, „Hoch die Krüge“ und „Spaß bei Saite“ leben im wahrsten Sinne des Wortes vom neuen, fulminanten Sound und ungebremster Spielfreude. An der Balladenfront präsentiert Sänger Malte vor der anstehenden Herbst-Tour noch einmal gefühlvollst „Vom Zauber des Wildfräuleins“ und wertet u.a. damit eine hervorragende Setlist sowie eine perfekte Show auf. Zwar wird die aktuelle Entwicklung bei VERSENGOLD nicht ganz ohne Kompromisse mit der illustren Vergangenheit auskommen, doch wer hier vorschnell Parallelen zu Schandmaul und Co. zieht, verpasst einen neuen Mittelalter-Folk, der so atemberaubend präsentiert alsbald jedes Festival im Frankenland spielerisch headlinen kann. Dafür behalten die Musiker dankenswerterweise den Live-Fuß angenehm oft auf dem Gaspedal.
Mit seinen poetischen Texten und der regelmäßigen Erweiterung der eigenen Genre-Grenzen ist ASP längst eine Szene-Größe geworden, die ihresgleichen sucht. Auch mit seinem fantastischen Akustik-Projekt ASPs VON ZAUBERERBRÜDERN muss sich Alexander Spreng hauptsächlich an sich selbst messen lassen, denn in seiner Inszenierung ist dieses Projekt sicherlich konkurrenzlos. So hochwertig, scheint es, dass es trotz der vielen ruhigen und melancholischen Töne auf dem Schlosshof Festival den Headliner-Spot belegen darf – und gleichzeitig dort sein fulminantes Ende finden soll. Vorerst, so Spreng, wird das liebgewonnene Projekt auf Eis gelegt, um Zeit zu schaffen für die ambitionierten Projekte der individuellen Musiker. Dass dieses letzte Konzert also etwas Besonderes ist, merkt man dem Ausnahmekünstler durchaus an. Gut aufgelegt und auch stimmlich in Topform führt ASP durch seine akustische Entdeckungsreise – und weckt beim Publikum durchaus gemischte Gefühle. Während viele VON ZAUBERERBRÜDERN-Neulinge sichtlich begeistert sind von der poetischen Durchschlagskraft der ent-rockten ASP-Werke, vergleichen alte Hasen eher mit vorangegangen Akustik-Konzerten der Band. Denn trotz der gut durchgemischten Setlist, die sowohl den Krabat-Zyklus und ASP-Klassiker als auch neue Stücke beinhaltet, scheint sich die einzigartige Atmosphäre der Hallenkonzerte aus den vergangenen Jahren nicht so recht entwickeln zu wollen. Natürlich verpuffen Gänsehaut-Garanten wie “Zaubererbruder” oder “Die Ballade der Erweckung” gerade unter klarem Sternenhimmel keinesfalls wirkungslos. An anderer Stelle, vielleicht durch die fehlende Intimität, verliert ASPs VON ZAUBERERBRÜDERN jedoch wieder die volle Aufmerksamkeit seines Publikums. Somit bleibt das Projekt an diesem Abend der ganz individuellen Wahrnehmung unterlegen. Sicher ist, dass die Band diesen letzten Auftritt sehr genießt, denn nur schwer kann vor allem Spreng sein Notenpult verlassen. Begeistert spielt er weitere Zugaben – und entlässt seine Zuhörer schließlich mit einer sinnbildlich zerschmetterten Gitarre sowie dankbaren Abschiedsworten in die Nacht, die er nur zu gern mit seinen Kompositionen verzaubert.
Wer ASP noch ein letztes Mal anders erleben wollte, konnte gleichzeitig bei VERSENGOLD vielleicht die Geburtsstunde eines zukünftigen Headliners erleben. Fernab davon litten die Bands davor teils unter etwas lahmen bzw. mauen Publikumsreaktionen, die bei brütender Hitze im Burginnenhof allerdings erklärbar und zu verschmerzen sind. So fehlte es dem SCHLOSSHOF FESTIVAL 2015 zwar an nennenswerten Highlights in den Anfangsstunden, doch dafür entschädigte der Abschluss mit zwei so konträren wie musikalisch hochklassigen Shows in einer lauen Sommernacht.
Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von:
Peter Seidel / http://www.metalspotter.de – dort findet ihr unter anderem die vollständige Galerie zu diesem Konzert!