Seit vier Jahren läutet das Schlosshof Festival im fränkischen Höchstadt an der Aisch das Ende der sommerlichen Burgenfestivals ein. Im Jahr 2010 standen die Veranstalter vor einem besonderen Dilemma: Etliche der „üblichen Verdächtigen“ waren bereits für das Summer Breeze gebucht. So las sich das Lineup mit LETZTE INSTANZ, SCHELMISH, RABENSCHREY, FEUERSCHWANZ, NACHTGESCHREI und VROUDENSPIL zwar auf den ersten Blick wie eine Art Resteverwertung, doch das Festival bewies, wie ein überaus engagiertes Publikum zusammen mit spielfreudigen Bands und einer größtenteils stimmigen Technik für ein eindrucksvolles Erlebnis sorgen können.
Wie gewohnt startete das knapp 9-stündige Spektakel (inkl. Pausen) um 14 Uhr, dieses Jahr mit den bayerischen Freibeutern von VROUDENSPIL. Zugegeben, die Seefahrer- und Piratenthematik ist ausgelutscht, nachdem so ziemlich jede mittelalterliche Kombo bereits die raue See und die stürmischen Wellen besungen hat. Da hilft es an sich auch nicht, wenn man diese Mischung einfach Freibeuter-Folk nennt und neu vermarktet. Allerdings verfügen Vroudenspil und ihr Debütalbum „Lunte gerochen“ über ungewöhnlich viel Charme für eine Band, die es in dieser Form weniger als 2 Jahre gibt. So füllte sich der Zuschauerraum bei gleißender Sonne relativ zügig und während auf der Bühne Wind gesät oder eine Meuterei ausgerufen wurde, kamen die ersten Reihen auf den Geschmack. Textlich und musikalisch gibt es erwartungsgemäß noch Spielraum, vor allem wenn man sich etwas aus dem Freibeuterkorsett befreit, aber besonders mit „Ein unwichtiger Bösehold“ haben Ratz von der Planke, Phyra und Co. bereits jetzt einen Rausschmeißer, der ins Ohr geht. Die neuen Stücke vom bald erscheinenden zweiten Studioalbum machten ebenfalls Lust auf weitere Freudenspiele und somit bleibt nur zu sagen: Take what you can, give nothing back! Bei konstanter Besetzung und anhaltender Leidenschaft könnte man den Bandnamen bald weiter oben im Lineup finden.
01. Intro
02. Meuterei
03. Fiebertraum
04. Meute toter Narren
05. Spielmannsweise
06. Wer Wind sät
07. Meerjungfrau
08. Hexenjammer
09. Lebenselixier
10. Ein unwichtiger Bösehold
NACHTGESCHREI habe ich 2007 für ihren Auftritt auf dem Schlosshof Festival noch abgewatscht. Die lauten Urschreie von Sänger Holger „Hotti“ Franz waren damals nicht nur unerträglich, sondern in Verbindung mit seinem Gesang und den erbärmlichen Animationsversuchen auch nervtötend. Dennoch fand das Debütalbum „Hoffnungsschimmer“ in der MA-Szene breiten Anklang, so dass sich die Band – inzwischen mit ihrem zweiten Werk „Am Rande der Welt“ und Plattenvertrag im Gepäck – nach zweijähriger Abstinenz wieder auf dem Festival präsentieren durfte. Und ja, ich muss einige Aussagen von damals revidieren: Zwar ist Hottis Stimme immer noch so individuell wie strittig, doch die Kompositionen sind ausgefeilt und besonders Stücke wie „Niob“, „Glut in meinen Augen“ oder „Räuber der Nacht“ gehen wunderbar ins Ohr. Natürlich gibt es noch austauschbares Füllmaterial auf der Setliste, welches wohl alsbald durch neue ausgereiftere Stücke ausgetauscht wird, doch wie schon Vroudenspil erspielten sich Nachtgeschrei im Nu die Gunst der sehr dankbaren Zuhörerschar, wovon der gesamte Auftritt unendlich profitierte.
01. Deine Spur
02. Muspilli
03. Windfahrt
04. Herz aus Stein
05. Räuber der Nacht
06. Niob
07. Fernweh
08. Wuetis
09. Lauf
10. Windstill
11. Glut in euen Augen
12. Der Meister
FEUERSCHWANZ ist Feuerschwanz. Anders kann man die mittelalterliche Folk-Comedy-Gruppe aus Erlangen in der Tat nur schwer beschreiben. Natürlich hatten sie bei ihrem Beinahe-Heimspiel besonderen Rückenwind, so dass es fast völlig unterging dass der Hauptmann, Johanna und Prinz Hodenherz an diesem Tag von einem Ersatzbassisten und –schlagzeuger unterstützt wurden. Im Grunde war dies auch nur eine unwichtige Randnotiz, denn die bekannten Partyhits über Met & Miezen, Bier & Bräute und Schnaps & Schnecken funktionieren besonders bei leicht alkoholisiertem Festivalpublikum unabhängig davon, wer in die Saiten bzw. auf die Trommeln haut – oder ob wie am Ende des Auftritts die Technik kurzfristig streikt. So einfach wie erfolgreich besang die Gruppe plugged und spontan auch unplugged den exzessiven Alkoholgenuss genau wie die hemmungslose Vielweiberei mit Stücken wie „Verteidiger des wahren Mets“. Vereinzelt wurden die Metvernichter dabei optisch unterstützt von ihren Miezen (in teils ausnahmsweise wirklich zu kurzen Röcken). Wer vom kommenden Album „Wunsch ist Wunsch“ leichtsinnigerweise etwas anderes erwartet als einfachste Gute-Laune-Partymusik im Stile von J.B.O., der wird bereits beim Titel enttäuscht. Insofern darf man sich drauf einstellen, dass in Zukunft Prinz Hodenherz weiterhin einen Wurm durch das Publikum anführen wird und die überdimensionalen Methörner von Mietze Musch Musch in die darbende Menge gereicht werden. Vielleicht reicht es dadurch für des Hauptmanns geilen Haufen nie zu einem Headlinerspot, aber für rundum gute Nachmittagsunterhaltung ist auf jedem mittelalterlichen Festival gesorgt.
01. Intro
02. Metvernichter
03. Das Turnier
04. Schwanzonate
05. Ferdinand
06. Met und Miezen
07. Verteidiger des wahren Mets
08. Foltermeister
09. Schnaps und Schnecken
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10. Hurra, hurra, die Pest ist da
11. Der Glöckner
Allein anhand von RABENSCHREY ließe sich eine ganze Abhandlung über die regionalen Unterschiede bei bayerischem Festivalpublikum verfassen. Während Donar und seine drei Mitstreiter in der Vorwoche (mit fast identischer Setliste) nur etwa 250 km südlich zum Highlight des zweiten Steiner Burgfestivals avancierten, markierten sie auf dem Schlosshof Festival leider das Lowlight des gesamten Tages. Träge reagierte die deutlich geringer gewordene Menge auf dem Vorplatz des Schlosses auf die ersten Stücke wie „Valhalla“ und „Königreich des Schmerzes“. Selbst bei „Tanze dir“ wollte der Bann nicht brechen und man spürte selbst im hinteren Drittel, dass die Kapelle ratlos war. Natürlich setzten Rabenschrey ihren Auftritt unverdrossen fort – und wurden nach schier endlosen Warterei auf bessere Reaktionen schließlich doch noch belohnt: Bei „Der Kreis“ entstand ein ansehnlicher Circle Pit, bevor es bei „Hey wir sind Heiden“ schließlich zu einer Art Versöhnung zwischen Publikum und Band kam. Leider bemerkte Frontmann Donar bereits davor völlig richtig, dass so etwas nicht 74 Minuten (oder eher eine gefühlte Ewigkeit aus Zuschauersicht) dauern sollte. Wahrscheinlich lag es allerdings auch am etwas holprigen Übergang von ambitionierten Newcomern mit ihrer Partymusik hin zur „wahren neuen deutschen Härte“. Feuerschwanz hätten an diesem Tag die zusätzlichen 15 Minuten jedenfalls passender für die anwesenden Fans füllen können.
01. Lebe deinen Traum
02. Dreckstück
03. Walhalla
04. Tanze dir
05. Hurenlied
06. Wodans Wölfe
07. Kraftvoll
08. Das Templerschaf
09. Der Raben Schrey
10. Heiden tanzen
11. Königreich des Schmerzes
12. Brennen
13. Der Kreis
14. Hey, wir sind Heiden
15. Veris
SCHELMISH entschieden sich als Semi-Headliner des Abends dafür, die rein mittelalterlichen Pfade zu erkundigen – trotz geplanter neuer Rock-Scheibe namens „Alter Ego“. Allerdings haben die Schelme erst vor kurzem ihr neuestes Mittelalterwerk „Persona Non Grata“ exklusiv auf ihrer Homepage im Onlinevertrieb veröffentlicht. Insofern bot es sich an, in Höchstadt vorwiegend die Dudelsäcke und Trommeln regieren zu lassen, um etwas Aufmerksamkeit auf die jüngste VÖ zu lenken. Erfreulicherweise wurden die traditionellen Stücke und Eigenkompositionen immer wieder unterbrochen von einem launigen Bühnenprogramm, wobei besonders Luzi das L mit seiner neuen Frisur und seiner kleinen Holzflöte im Zentrum des Spots stand. So ein bisschen stellte sich durch diese Darbietung eine mittelalterliche Marktatmosphäre ein, bei der es relativ zweitrangig ist, welche Stücke gerade gespielt werden und wie sie heißen. Trotzdem hatte Dextro vereinzelt interessante Geschichten über die Ursprünge und Hintergründe zu berichten. So trafen Schelmish beispielsweise in Skandinavien auf die britische Band Soar Patrol, welche ihnen original schottische Dudelsäcke besorgen konnte. Als Dank widmeten die Bonner ihnen das Stück „For the Clansmen“, welches eben auf jenen Säcken gespielt wurde. Ansonsten ging es querbeet durch die 10-jährige (instrumentale) Bandgeschichte – angefangen von „Aequinoctum“ bis zu „Chaos“ und den neuesten Stücken des eben erwähnten MA-Albums „Persona Non Grata“. Ein großes Lob verdienen Schelmish die kurzweilige und launische Gestaltung des musikalisch zwangsläufig recht einseitigen Auftritts. Das Rockprogramm hätte den Tenor des Schlosshof Festivals allerdings mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls getroffen, wenn nicht sogar einen Tacken besser als das rein mittelalterliche Programm.
Feinsten mittelalterlichen Rock mit vielen modernen Einflüssen und einer beeindruckenden Lichtshow gab es dann beim Headliner des Abends: der LETZTEN INSTANZ. Etwas vollmundig angekündigt als „eine der besten Livebands der letzten Jahre“ sorgten Sänger Holly und seine Mannen mit einem abwechslungsreichen Programm für 90 Minuten Unterhaltung. Selbst alte Hits wie „Du und ich“ flossen vereinzelt in die ansonsten sehr aktuell gehaltene Setliste mit ein. Dabei stimmte stets die Mischung aus tanzbaren schnelleren Stücken wie „Tanz“, die allerdings mehr Mittelalter-Pop als -Rock sind, und ruhigeren Songs zum Innehalten wie dem obligatorischen „Wir sind allein“. Insgesamt profitierte der Auftritt aber besonders von der Inszenierung. Die Pyroeffekte wurden dezent, aber äußerst effektiv eingesetzt, als z.B. bei Violinist M. Stolz am Ende Funken aus dem Geigenbogen sprühten, während die eingesetzten Scheinwerfer die Musiker stets im rechten Licht präsentierten. Ein farbenfroher optischer Genuss, wie man ihn besonders auf Festivals eher selten zu sehen bekommt.
Musikalisch gab es darüber hinaus einen Ausblick auf das bald erscheinende neue Album „Heilig“. Stilistisch sind keine größeren Veränderungen zu erwarten, doch vielleicht gelingt es dieses Mal die Energie der Liveshows auf CD zu pressen. Zumindest eines der noch namenlosen Lieder erwies sich als massenkompatibel und fügte sich nahtlos in die Songreihenfolge ein. Unterbrochen wurden die Songs lediglich durch kurze Ansagen von Holly und einer etwas aufwändigeren Publikumseinlage bei „Stimmlein“, als sich die rechte Hälfte des Auditoriums mit der linken in einem stimmgewaltigen Wettstreit messen durfte. Besonders hierbei zeigte die Menge keinerlei Ermüdungserscheinungen und unter anderem getragenen von diesen Reaktionen erwies sich die Instanz ein wunderbarer Abschluss für das Schlosshof Festival 2010 sowie als würdiger Headliner, der nicht immer Subway to Sally, In Extremo oder Schandmaul heißen muss.