Festivalbericht: Schlosshof Festival 2007

18.08.2007 Höchstadt an der Aisch

Im beschaulichen Städtchen Höchstadt an der Aisch fand am 18. August das bis dato einzige Schlosshof Festival statt. Die Location lag etwas versteckt, erfüllte ihren Zweck aber einwandfrei. Einzig und allein das angepriesene Rahmenprogramm in Form eines mittelalterlichen Marktes und einer großen Feuershow war eher spartanisch und wenig erwähnenswert. Hier besteht im nächsten Jahr Raum zur Verbesserung. Ansonsten verlief die Organisation einwandfrei.
Die Bühne lag tatsächlich im eigentlichen Schlosshof und bot sowohl Sitzgelegenheiten auf Rasen als auch den nötigen Raum für den Trank und Tanz der ca. 750 Besucher. Apropos Trank: Neben dem Eintrittspreis, der bei umgerechnet ca. 4 Euro pro Band lag, waren die Preise für Essen und Getränke sehr human. Gleiches gilt für das Festivalshirt, welches am Ende (zurecht) ausverkauft war.

Das eigentliche Bühnenprogramm begann um 15 Uhr mit dem ziemlich unbeschriebenen Blatt NACHTGESCHREI. Angekündigt wurde die Band als Crossover zwischen In Extremo und Schandmaul. Doch der dargebotene Mittelalterrock konnte diesem Vergleich wahrlich nicht standhalten. Während die instrumentalen Parts größtenteils voll und ganz in Ordnung waren, ging die gesamte Performance der Band durch den Sänger komplett den Bach hinunter. Dieser versuchte sich im Stile einer russischen Kugelstoßerin an lauten Urschreien und war unermüdlich darin, das Publikum anzutreiben. Leider hätte er stattdessen seiner Stimme mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen sollen, denn diese ließ ihn – genau wie das Publikum – öfters mal im Stich. Die halbe Stunde zog sich tatsächlich zwischenzeitlich wie Kaugummi und viele schienen erleichtert, als dieses Schauspiel endlich sein Ende fand. Ob der maue Auftritt an der Augenverletzung des Schlagzeugers lag, darf indes ebenfalls bezweifelt werden, so dass sich im nächsten Jahr hoffentlich eine andere ambitionierte Kapelle als Opener versuchen darf.

MERLONS LICHTER übernahmen früher als eigentlich geplant die Bühne und überraschten durch ihre Freakshow all diejenigen, die die Band bisher nur vom Papier kannten. Mit Drehleier, Schlagzeug, Flöten und diversen anderen Instrumenten ging es von Anfang mit Vollgas los. Einprägsame Songtexte (Ja, ja, gib mir mehr, gib mir mehr, gib mir mehr – um nur ein Beispiel zu nennen), die melodiös untermalt wunderbar ins Ohr gingen und einen Tage später noch verfolgen, sowie brutale (Stil-)Breaks mitten in den Songs sorgten für einen gelungenen Auftritt der Band, die ihr Lineup im Laufe der Zeit gut und gerne 10 Mal geändert hat. Das zentrale Motiv der Liebe mutete besonders gegen Ende etwas seltsam an, als das Publikum zu fragwürdigen Sprechchören aufgefordert wurde, doch dies soll den rundum positiven Eindruck nicht schmälern. Welche Band kann schon behaupten, einen Bassisten zu haben, der mit seiner Geige Bass spielt? Insgesamt war dieser Mix aus Tanzwut, den Teletubbies und den Schlümpfen auf Ecstasy eine sehr positive Überraschung und auf ein Comeback darf gehofft werden.

Setlist:
1. Maifeuer
2. Ich seh dich
3. Esel
4. Weltenlauf
5. Suche
6. Oriento
7. Leben
8. Schenk dich
9. Sie
10. Isabel
11. Wir 2
12. Reinheart

FEUERSCHWANZ sind in der Mittelalterszene längst bekannt wie ein bunter Hund – im wahrsten Sinne des Wortes, denn sowohl die Kleidung des raubritterlichen Haufens als auch das gebotene Programm sind in dieser Form einzigartig und waren wieder einmal ein farbenfrohes Sammelsurium, bei dem das Publikum schon beim Soundcheck mit einbezogen wurde. Obwohl mit Sir Richard Hodenherz ein zentrales Element der Band an Saltatio Mortis abgegeben wurde, merkte man der Band an, dass sie sich mit dem zweiten Album „Met und Miezen“ im Hinblick auf den Unterhaltungsfaktor live noch mehr gesteigert hat. Besonders der Titeltrack „Met und Miezen“ sowie „Der Glöckner“ schlugen vor dem Livepublikum noch mehr ein als auf CD und mit einem Mal war der Hof größtenteils eine einzige Party. Aufgelockert wurden der brünftige Gesang des Hauptmanns und die Musik u.a. durch drei tanzende Miezen sowie einen Stagedive des „Geigers“ Johann von der Vögelweide, der beinahe mit einem Sturz geendet hätte. Den Höhepunkt erreichte rundum der gelungene und gefeierte Auftritt als sich die meisten Zuschauer zu einer Polonaise zusammenschlossen und fröhlich umher zogen. Ronja Hodenherz erwies sich als guter Ersatz für ihren fast unersetzbaren Vater, der am Ende noch ein kleines umjubeltes Stelldichein mit seiner Tochter gab.

Setlist:
1. Intro
2. Lied vom Haufen
3. Turnier
4. Feuerkantate
5. Herren der Winde
6. Met und Miezen
7. Der Glöckner
8. Prima Nocte
9. Foltermeister
10. Sauflied
11. Holzwyrm
12. Feuerschwanz
13. Verteidiger des wahren Mets

Der Frontmann von Subway to Sally, ERIC FISH, bildete mit seinem akustischen Nebenprojekt den nächsten Programmpunkt und wollte prinzipiell so gar nicht zum übrigen Lineup passen, da es nun doch eher ruhig zuging und die Zuschauermenge vor der Bühne mehr andächtig den Worten die lauschte als fröhlich im Kreis zu springen. Einige schienen zu diesem Zeitpunkt auch eine Verschnaufpause gebrauchen zu können und so war dieses ruhige Intermezzo, bei dem Eric stets im Scheinwerferlicht in der Mitte der Bühne – umrahmt von seinen 3 Mitstreitern und 4 Akustikgitarren – saß, eine durchaus gute Idee. Eine gewisse Eintönigkeit war auf Dauer leider nicht von der Hand zu weisen, doch es gab einige Besucher, die während des gesamten Auftritts wie andächtig an den Lippen ihres Meisters hingen. Textstellen wie „Der Preis ist heiß“ oder „Und er schüttet sich Bier übers Knie, sieht ein Blicken, lauscht der Melodie – das ist Magie“ verhinderten dies allerdings in unserem Falle. Die einsetzende Dämmerung bot vom atmosphärischen Standpunkt her ein großes Plus und so teilten sich die Anwesenden wohl in 2 Lager auf: Diejenigen, die die ganze Zeit voll auf Erics Seite waren, und diejenigen, die mit dieser ruhigen Seite von ihm wenig bis gar nichts anfangen konnten und währenddessen an den Imbissständen einfanden. Etwas dazwischen schien unmöglich zu sein und war auf dem Gelände auch nicht anzutreffen.

SALTATIO MORTIS rührten vor, während und nach ihrem Auftritt kräftig die Werbetrommel für das neue Album der Band namens „Aus der Asche“, welches am 31.8. erscheinen wird und definitiv für Furore sorgen wird. So gab es wie schon bei zahlreichen Konzerten davor die umjubelte „Premiere“ von einigen der neuen Songs, die live einen unglaublich guten Eindruck hinterließen – sowohl unter freiem Himmel als auch in der Halle. Wie schon beim Auftritt in München ließ sich Frontmann Alea unter ohrenbetäubendem Jubel zu einem kleinen Striptease hinreißen, wobei es dieses Mal nach Aussage der Beteiligten endgültig das letzte Mal war. Die Zukunft wird zeigen, wieviel Glauben man dieser Aussage schenken kann. Am insgesamt durch und durch beeindruckenden Auftritt der Totentänzer änderte dies indes nichts. Mit Fug und Recht darf man die 8 Spielmänner inzwischen zur Elite in ihrem Bereich zählen, wobei im Gegensatz zu anderen Vertretern des Genres weder die mittelalterlichen Klänge vernachlässigt noch die rockigen Elemente zu sehr in den Vordergrund gestellt werden. Eine denkwürdige Zugabe sorgte schließlich für das Tüpfelchen auf dem I, als Sänger Alea zusammen mit Gitarrist Mik El Angelo ein weiteres Mal die akustische Version von „Tote Augen“ zum Besten gab und sich dabei – gerührt durch die Gesänge im Publikum – fast ein paar Tränen verdrücken musste. Dies stand im klaren Gegensatz zum vorherigen Programm, welches unterstützt durch die Pyroeffekte von Meister Flux sowohl ein akustisches als auch visuelles Highlight war. Einzig und allein als Fotograf lebte man im Graben etwas gefährlich.

Setlist:
1. Salz der Erde
2. Falsche Freunde
3. Heuchler
4. Spielmannsschwur
5. Wirf den ersten Stein
6. Die Hoffnung stirbt zuletzt
7. Uns gehört die Welt
8. Equinox
9. Vaulfen
10. Sieben Raben
11. Tritt ein
12. Cantiga Alhambra
13. Dessous le pont de Nantes
14. Palästinalied
15. Mea Culpa
16. Keines Herren Knecht
17. Dunkler Engel

18. Toten Augen (akustisch)
19. Ecce Gratum
20. Des Königs Henker

21. Licht und Schatten

Anm.: Die Reihenfolge wurde gemäß unseren Erinnerungen leicht abgewandelt.

Nach einer langen Pause, die durch eine (unangekündigte) Feuershow verkürzt wurde, von der allerdings nur ein Bruchteil der Anwesenden etwas zu sehen bekam, betraten schließlich FIDDLER’S GREEN als Headliner des Abends um kurz vor 23 Uhr die Bühne. Während man den ganzen Festivaltag immer vor der eigentlichen Zeitplanung lag, gab es gegen Ende doch einige Verzögerungen im Ablauf. Während es schon bei Saltatio Mortis zu kleinen technischen Problemen kam, litt der Auftritt der Fiddlers doppelt und dreifach unter einer richtig schlechten Akustik. Dies ist allerdings keine Entschuldigung für eine Setliste, die an Eintönigkeit kaum mehr zu toppen war. Außerdem vermisste man an jenem Abend beim Großteil der Band die Spielfreude, die den Irish Independent Speedfolk normalerweise auszeichnet. Mit teils ernsten Gesichtern blickten Albi und Co. in die Menge, welche nach gut 5 Stunden Programm teilweise auch erste Ermüdungserscheinungen zeigte und nicht so sehr wie sonst auf die irischen Tanzklänge ansprach. Ich stehe weiterhin zu meiner Bewertung für „Drive me mad“ (10/10), doch live konnten viele der technischen Spielereien des Albums einfach nicht eingebaut werden und so wirkte ein Großteil der neuen Stücke relativ farblos. Selbst von der Idee her gelungene Einlagen wie ein sitzendes Publikum und Andre, der mit Pat auf den Schultern zu „Donkey Riding“ durch das Publikum rannte, änderten daran gar nichts. Apropos Pat: Zwar hinterließ er dieses Mal einen besseren Eindruck als ca. ein Jahr zuvor, doch ohne Peter Pathos fehlt den Fiddlers einfach etwas. Dieses Gefühl hat sich nach nunmehr 3 Auftritten mit Pat als Ersatz bei mir immer mehr manifestiert und es wird sehr interessant sein zu sehen, wohin der Weg der Erlanger sie in den nächsten 1-2 Jahren führen wird. Eventuell haben sie ihren Zenit überschritten. Einzig und allein gegen Ende mit Stücken wie „Queen of Argyll“ und der Zugabe „Blarney Roses“ (mit Ronja Hodenherz und Cordoban dem Verspielten aka Sir Richard Hodenherz) kam wieder echtes Fiddler-Feeling auf, welches beim improvisierten Duett „Soulcake“ von Albi mit Eric Fish eindeutig auf der Strecke blieb. Im Publikum gingen die Meinungen darüber grundlegend auseinander.

Setlist:
1. Irish Air
2. Folk’s Not Dead
3. Market Day
4. Haughs Of Cromdale
5. Rollin‘
6. Lukey
7. Salonika
8. Rocky Road To Dublin
9. Long Gone
10. All These Feelings
11. Djembensolo
12. When Will We Be Married
13. Bretonix
14. Star Of The County Down
15. I’m Here Because I’m Here
16. Mary’s Wedding
17. The Night Pat Murphy Died
18. Another Spring Song
19. Drive Me Mad!
20. Captain Songs
21. Donkey Riding
22. Step It Out, Mary
23. Girls Along The Road

24. Soulcake (/w Eric Fish)
25. Queen Of Argyll
26. Shut Up And Dance

27. Blarney Roses

Insgesamt war das erste Schlosshof Festival mit Sicherheit ein gutes bis sehr gutes Festival, wobei wohl jeder an irgendeiner Stelle Abstriche machen wird – was gut so ist, denn 6 Stunden am Stück vor einer Bühne werden wohl nur die Allerwenigsten aushalten (ach komm, sei keine Pussy ;); Anm. von Stefan)). So gab es auf Grund des abwechslungsreichen Programmes wohl für jeden die Möglichkeit, sich das (zugegebenermaßen spartanische) Rahmenprogramm zu Gemüte zu führen. An diesem Punkt (und daran, dass die sonst sehr sauberen Klos direkt nach dem Festival geschlossen waren) sowie einer besseren Ausschilderung der etwas versteckt gelegenen Location können die Veranstalter für das nächste Jahr noch arbeiten.

Publiziert am von und Uschi Joas

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