Konzertbericht: Saltatio Mortis

2007-04-28 München, Spectaculum Mundi

Nicht umsonst nennt man die Spielleute von Saltatio Mortis die Band mit den zwei Gesichtern: Zwar kennt man sie vielerorts vorwiegend von den mittelalterlichen Märkten, doch genauso oft wie man ihren fröhlichen Sackpfeifen unter sternenklarem Nachthimmel bei Met und Tanz frönen kann, begegnet man Alea, Lasterbalk, Falk und Co. auch im Rahmen ihrer Rockkonzerte, die die Band quer durch die Republik führen. Am Samstag, 28. Mai 2007, fand sich der neu zusammen gewürfelte Haufen im Spectaculum Mundi zum jährlichen Festival „Musical Antiqua Viva“ ein, in dessen Rahmen wöchentlich unterschiedliche Gruppen aus dem Genre der mittelalterlichen Musik ihre Werke zum Besten geben. Für weitere Infos: www.spectaculum-mundi.de

Im Gegensatz zu anderen Vertretern verzichteten Saltatio auf eine Vorband und legten selbst pünktlich um 20.30 Uhr los. Während eine halbe Stunde vorher die recht kleine Halle noch spärlich gefüllt war, fanden sich die Fans zu Konzertbeginn reichlich ein und man merkte schon beim ersten Song „Salz der Erde“, dass die beschwingt-lockere Marktatmosphäre an jenem Abend größtenteils den harten Gitarrenriffs weichen muss. Bereits bei den ersten Takten wurde deutlich, dass die Jungs nicht zum Spaß gekommen sind, sondern den Anwesenden ordentlich in den Arsch treten wollten – um es unverblümt auszudrücken. Die Setliste hätte nicht besser sein können, da alle Lieder dabei waren, die zu den stärksten Titeln der jeweiligen CDs zählen und live einfach nur derbe rocken. Ein schöner Moment ergab sich noch vor dem ersten gesungenen Wort, als Aleas Mikro nicht so recht wollte, er sichtlich verdutzt aus der Wäsche guckte und der Rest spontan das Intro des Openers wiederholte, während der Frontmann (mit neuem Haarschnitt) eiligst versuchte, die Technik in Ordnung zu bringen.

Mit „Uns gehört die Welt“ bekam das Münchner Publikum schließlich direkt einen ersten Eindruck vom neuen Album, welches im August erscheinen wird und noch keinen Namen besitzt. „Varulfen“ und „Sieben Raben“ sind die anderen beiden Songs, die sich ebenfalls auf dem neuen Longplayer finden werden – und dieser ist jetzt schon über jeglichen Zweifel erhaben. Wenn es Thomas Heimann-Trosien gelingt, die melodische Urgewalt, die in diesen Stücken zum Teil liegt, erfolgreich auf Platte zu bringen, dann werden Saltatio Mortis definitiv in die Führungsriege des Mittelalterrocks vorstoßen, wobei Rock an sich das falsche Wort ist: Aleas Gesang ist inzwischen weit entfernt vom elektronischen Gedöns der ersten Platten und geht stark in Richtung Death Metal, wobei das Ergebnis nie in mit Melodie unterlegtem Gegrunze endet, sondern stets den nach „Des Königs Henker“ noch weiter verfeinerter Stil der Band repräsentiert, die sich offenbar in den dunklen Gefilden der Spielmannskunst zuhause fühlt. Ein Vergleich zu In Extremo, Subway to Sally und Schandmaul wäre nicht angebracht, da Saltatio definitiv härter, rauer und „böser“ klingen, was vielleicht ein breiteres oder gänzlich verschiedenes Publikum ansprechen dürfte. Zwischen diesem erfrischend neuen Stilmix gab es natürlich auch die klassische Marktmusik sowie Lasterbalks Qualitäten als Sprachrohr der Band. Der Hüne, der über 2 Meter Körpergröße misst und nach eigener Aussage zu allem entschlossen ist, wäre allein durch seine Art ein wunderbarer Comedian und besitzt mehr Talent als 90% im Freitagabendprogramm auf Sat 1 oder RTL. An sich ist es unmöglich, ihn nicht lustig zu finden, zumal man deutlich merkt, wie spontan und improvisiert viele Momente sind. So wurde zum Beispiel zusammen mit dem Publikum nach dem Fachwort für „Sonnwend“ gesucht und nachdem ein Mann aus der ersten Reihe schließlich auf die Lösung „Equinox“ kam, bekam er von allen ein lautes: „Das hast du gut gemacht, Dennis!“ Der Unterhaltungsfaktor des Konzerts beschränkte sich somit nicht nur auf die Musik. Allerdings lässt sich der Humor nicht in geschriebene Worte packen, sondern muss erlebt werden. Und dazu fordere ich jeden auf, der das hier liest. Positiv erwähnt sollte in jedem Fall auch werden, dass sich die Band in neuer Besetzung als absolut homogene Einheit präsentierte. Selbst die Neuzugänge wie Cordoban der Verspielte (vielen vielleicht besser bekannt als Sir Richard Hodenherz von Feuerschwanz) zeigten sich text- und spielsicher. Einzig und allein Bruder Frank am Bass wollte optisch (noch) nicht ins Gesamtbild passen.

Mit der Akustikversion von „Tote Augen“ gab es schließlich noch eine Zugabe, bei der mir persönlich die Spucke weg blieb. Als völliges Kontrastprogramm zum Rest des Konzertes mit 7 Leuten auf der Bühne saßen Alea und Mik El Angelo lediglich mit 2 Akustikgitarren auf dem Schoß auf 2 Stühlen und sangen ein wunderschönes trauriges Lied, welches bisher unbekannte Qualitäten hervorbrachte. Gerne mehr davon.
Grundsätzlich ist Aleas Entwicklung als Frontmann bemerkenswert. Während er auf den Märkten Lasterbalk und Falk das Feld überlässt, hat er bei Rockkonzerten das Publikum (besonders das weibliche) absolut im Griff.
Wie sehr die Band ihren Auftritt genoss wurde gegen Ende deutlich, als es zu einem nicht geplanten „Strip“ des Sängers kam, der sich zuvor zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte und sich schließlich den Forderungen seiner Kollegen und der Zuschauer (selbst einige männliche waren dabei, was ihn sichtlich irritierte) beugen musste. Zum Schluss hatte er nach eigener Aussage „nur noch einen Lederlappen am Hintern, mit dem man schlecht Musik machen kann“.

Als Fazit kann ich sagen, dass meine Erwartungen mehr als nur übertroffen wurden und ich in all den Jahren kaum ein besseres Konzert als dieses gesehen habe. Ich hoffe, dass sich Saltatio Mortis die gleiche Zuschauerzahl erspielen kann wie die bekannteren Genrevertreter – verdient hätte es in jedem Fall keine Band mehr.

Setlist:
Salz der Erde
Falsche Freunde
Heuchler
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Uns gehört die Welt
Cantiga Alhambra
Ecce Gratum
Varulfen
Des Königs Henker
Tritt ein
Equinox
Dessous le Pont de Nantes
Palästinalied
Mea Culpa
Keines Herren Knecht
Dunkler Engel
—–
Tote Augen (akustisch)
Sieben Raben
—–
Licht und Schatten

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