Konzertbericht: Saga w/ The Urge

2007-11-06 Wuppertal, Börse

Das Konzert in der Wuppertaler „Börse“ war für mich das erste der beiden Shows der „10.000 Days“-Tour und damit zwar nicht der endgültige Abschied von Sänger Michael Sadler – dennoch fährt man natürlich mit einem seltsam flauen Gefühl im Magen zur Show. Das mag aber auch daran gelegen haben, dass ich anlässlich Michael Sadlers Austritt aus SAGA zum Ende des Jahres ein Interview mit dem Herren persönlich arrangiert habe und deshalb überdurchschnittlich nervös gewesen bin.

Beinahe wäre ich zu spät zum Interviewtermin gekommen, denn erstens hatte die gute alte Bahn sich auf dem Reiseweg 20 Minuten Verspätung eingebrockt und zweitens verbrachte ich einige Minuten damit, im überaus unübersichtlichen Wuppertaler Hauptbahnhof die Buslinie zu finden, die mich zum Veranstaltungsort bringen sollte. Das Ende von der Geschicht: Ich stellte fest, dass die Linie die Haltestelle, an der ich eigentlich aussteigen wollte, gar nicht anfährt, weil dort eine Baustelle ist. Selbst ist der Mann also, weiß dank vorheriger Recherche, dass der Veranstaltungsort in 15 Minuten zu Fuß zu erreichen ist und fragt nun an einem Kiosk nach dem Weg. Wenige Minuten später kam ich nach kurzem Power-Jogging geradeso rechtzeitig an der Halle an und wurde im Prinzip direkt zum vereinbarten Interviewtermin reingeholt.

Das Interview selbst war dann lockerer als erwartet und dank meines kurzen Sprints hatte ich auch gar keine Chance mehr, großartig aufgeregt und angespannt zu sein. Michael Sadler wartete bereits auf mich und beantwortete meine Fragen äußerst ausführlich, sodass ich sogar einige Fragen komplett streichen musste, um den Zeitrahmen nicht völlig zu sprengen. Nach 25 Minuten verabschiedeten wir uns, das Ergebnis des Gesprächs könnt ihr ja auch auf diesen Seiten lesen. Auf also zum spaßigen Teil des Abends.

Doch bevor SAGA um 21:30 Uhr die Bühne enterten, musste noch für etwa 40 Minuten die Vorband THE URGE ertragen werden. Diese spielte gänzlich standardisierten Rock’n’Roll der Marke Bon Jovi, AC/DC und Bryan Adams – an einen dieser drei erinnerte man je nach angeschlagener Geschwindigkeit jedenfalls. Es gefiel anscheinend einigen Leuten; für das, was die Band sein wollte, waren sie sicherlich auch nicht schlecht. Meiner Ansicht nach passte ihre Musik aber kein Stück zu dem opulenten Rock der Hauptband aus Kanada. Als Gitarrist war übrigens unter anderem John Miles Jr., der Sohn des John „Music Was My First Love“ Miles höchstpersönlich, dabei. Bereits bei der Vorband zeigte sich ein Problem, das sich den ganzen Abend nicht gänzlich ausräumen ließ. Die Leute gingen kaum mit, standen wie angewurzelt an ihrem Platz, mit dem Bier in ihrer Hand. Schade!

Nach einer kurzen Umbaupause verdunkelte sich der vielleicht zu ¾ gefüllte Saal und das Showintro ertönte. Passend zum dreißigjährigen Bestehen der Band und dem Abschied von Michael Sadler wählte man ein atmosphärisches Keyboardinstrumental, das die Melodie von „Always There“ aufgriff. Kam gut, denn den Song hat die Band ja vor einigen Jahren extra als Dank für ihre Fans geschrieben. Erstaunlicherweise tauchte der ansonsten immer als letzter erscheinende Michael Sadler als erster auf der Bühne auf – die Haare wieder in diesem schlimmen blond gefärbt und ein weiß-schwarz-gestreiftes, halboffenes Hemd tragend. Gespannt sein durfte man aber vor allem auf Chris Sutherland hinter den Drums, der den erkrankten Brian Doerner ersetzt und gerade mal neun Tage Zeit hatte, um sich das Material der Liveshow anzueignen. Nach dem Intro folgte mit „Interview“ ein recht seltsamer Opener, der aber mit seinen interessanten Keyboardsounds zu Beginn gleich für die passende Sci-Fi-Stimmung sorgte und zudem am Ende einen netten Abgehpart bereithält. Abrocken war auch beim darauffolgenden „That’s As Far As I’ll Go“ vom 2006er Album „Trust“ angesagt. Bereits an vierter Stelle kam mit „You’re Not Alone“ der erste Hit und endlich hörte man auch mal etwas vom Publikum, das sich ansonsten vornehm zurück hielt und leider höchstens ab und zu mitklatschte. Von Bewegung kann kaum die Rede sein. Schon etwas schade, aber ich hatte den Eindruck, dass an diesem Abend sowieso ziemlich wenige echte SAGA-Fans, die über die Band wirklich bescheid wissen, anwesend waren. Mit „What’s It Gonna Be“ folgte dann ein Song, den die Band schon seit über 15 Jahren nicht mehr live gespielt hat. Ich habe ihn noch nie gehört, obwohl ich schon über 15 Konzerte hinter mir habe. War definitiv eine sehr cool dargebotene Nummer und hat auch sehr gut live funktioniert. Bei „I’m Okay“ forderte Michael das Publikum dann wieder zum Mitsingen des einfachen Refrains auf, was auch vorzüglich klappte. Waren die Leute etwa nur schüchtern?

Anschließend fragte er die Anwesenden, ob sie lieber nur alte oder auch ein paar neue Songs hören möchten, was das Publikum logischerweise mit dem klaren Wunsch nach alten Songs beantwortete. Doch Michael bot einen Deal an: Nun zwei Songs vom neuen Album „10.000 Days“ und dann den Rest des Abends nur noch altes Material. Was für ein Glück, das sich die Leute darauf einließen. *g* Es folgten „Book Of Lies“ und „Can’t You See Me Now“, die beide vor allem mit ihren fantastischen Instrumentalparts punkten konnten. Wo wir gerade von Instrumentalparts sprechen: Nicht nur Michael Sadler zeigte sich in ausgezeichneter stimmlicher Verfassung, auch der Rest der Band war in Topform: Jim Crichton am Bass spielte gefühlt ein paar Noten mehr als noch im letzten Jahr, war generell auch bewegungsfreudiger als auf der letzten Tour, Gitarrist Ian Crichton macht gewohnt einmalig sein Ding, verzaubert durch sauschnelle Soli und Leads und sieht zudem mit seinen etwas längeren Haaren wieder mehr nach Rockstar aus. Keyboarder Jim Gilmour steht dem in Nichts nach, wirkte jedoch wieder etwas abwesend und unkommunikativ.

Im Programm, das übrigens in einem beinahe perfekten Sound dargeboten wurde (sieht man von gelegentlich zu lauten Flächenkeyboards einmal ab), reiste man vom neuesten Output zum allerersten Album von 1978. Es folgte ein Livefavorit von mir: „The Perfectionist“, meiner Meinung nach einer der besten Songs, den die Band je aufgenommen hat und leider viel zu selten gespielt. Beim zweiten richtigen Hit des Abends „The Flyer“ durfte dann Chris Sutherland mal so richtig in Felle schlagen. Hierzu kann nur gesagt werden: Er fängt dort an, wo Brian Doerner aufhört, bringt noch mehr Power in die SAGA-Songs und hat es nicht nur geschafft, das Material in dieser kurzen Zeit zu lernen, sondern selbigem auch noch seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Wirklich geil, wie Songs wie „The Flyer“, „Mind Over Matter“ oder „Careful Where You Step“ gegen Ende immer mehr in beinahe Power Metal-artige DoubleBass-Kracher verwandelt wurden. Und ich dachte schon, Brian Doerner sei gut in so was. Auch ein gar nicht mal kurzes Schlagzeugsolo durfte Chris zum Besten geben, in dem er ähnlich wie Brian ein Jahr früher das Publikum zum Mitsingen aufforderte. Diesmal war es jedoch nicht „Ace Of Spades“ von Motörhead, sondern „Sex Machine“ von James Brown. Öfter mal was Neues!?

„Mind Over Matter“ habe ich in meinen zwölf SAGA-Konzertjahren auch noch nie live gehört, gleiches gilt für ein absolut Gänsehaut erzeugendes, rein acapella vorgetragendes „Security Of Illusion“, bei dem Michael Sadler auch wieder von den Fans unterstützt wurde. Anschließend wurde der Fokus etwas auf Jim Gilmour gelegt. Insbesondere „Scratching The Surface“ nur mit seiner Pianobegleitung ist zu einem Live-Klassiker geworden. Den Rest des Abends füllte eine bunte Mischung aus alten Hits („On The Loose“, „Wind Him Up“) und selten gespieltem alten und neuem Material („We’ve Been Here Before“, „On The Air“). Zum Abschluss des regulären Sets glaub es noch den Titeltrack des neuen Albums, eine Ballade, bei dem Ian Crichton sogar mal kurzzeitig zur Akustikgitarre griff. Schade, dass die Chorarrangements komplett vom Band kamen; wirkte unfreiwillig komisch und seltsam. Hat die Band das wirklich nötig?

Nach minutenlangem Warten (mit nur durchschnittlichem Applaus und „Zugabe“-Rufen – danke an das grandiose Publikum!) kam die Band noch mal für zwei unverzichtbare Songs zurück. „Humble Stance“ (traditionell mit Michael Sadler am Bass) und der Epic-Song der Band schlechthin, „Don’t Be Late“, sorgten noch mal für ein paar hell erstrahlende Gesichter und im Fall des letztgenannten Songs sogar zu einer spontanen Freudenexplosion eines Fans schräg hinter mir, die der Erfüllung eines Lebenstraumes gleich kam – so wirkte es zumindest. Schön zu sehen bei einem Publikum, das Michael Sadler sicherlich nicht so viel gegeben hat, wie Michael an diesem Abend dem Publikum. Der Abschied war dann auch recht unpersönlich, man verneigte sich, Michael Sadler umarmte uns imaginär mit Körpergesten und machte damit klar, dass er uns alle im Herzen trägt.

Dann war die musikalische Komponente des Abends vorbei. Der Band kann man keinen Vorwurf machen, sie haben ihre Arbeit zwei Stunden gut gemacht und waren voll und motiviert bei der Sache. Den Rest habe ich zu Genüge klar gemacht. Gefreut habe ich mich über die erstaunlich ausgeglichene Setlist, aus der endlich „Runaway“ und „Keep It Reel“ verschwunden sind und die stattdessen mit einigen Überraschungen aufwarten konnte. Ebenso lobenswert ist die umfangreiche T-Shirt-Kollektion zum neuen Album, der aktuellen Tour, dem Abschied von Michael Sadler und dem 30-jährigen Geburtstag. Für jeden Anlass gab es ein passendes Shirt, teilweise mit mehreren verschiedenen Motiven, für faire 20 Euro. Da konnte ich dann doch nicht nein sagen und holte mir noch ein Shirt zum neuen Album mit den Tourdaten auf dem Rücken. Wird mich sicherlich noch auf einigen zukünftigen Konzerten begleiten.

Insgesamt bleibt ein gelungener Abend, bei dem vor allem Chris Sutherland alle Sorgen bzgl. des Schlagzeugs aus dem Weg geräumt hat und Michael Sadler äußerst motiviert gesungen hat. Er genießt seine letzte Tour mit der Band und ich hoffe, das am 23. November in Bonn, wenn ich mich endgültig von ihm verabschiede, auch das Publikum den Abend wertzuschätzen weiß. Da geht noch einiges!

Setlist Saga:
– Intro (Always There)
– Interview
– That’s As Far As I’ll Go
– You´re Not Alone
– What’s It Gonna Be
– I’m Okay
– Can´t You See Me Now
– Book Of Lies
– The Perfectionist
– Drum Solo
– The Flyer
– Mind Over Matter
– The Security Of Illusion
– Times Up
– Scratching The Surface
– We’ve Been Here Before
– On The Air
– On The Loose
– Careful Where You Step
– Wind Him Up
– 10.000 Days
——————————-
– Humble Stance
– Don´t Be Late

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