Konzertbericht: RPWL w/ Crystal Palace

05.04.2014 Oberhausen, Zentrum Altenberg

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Mit „Wanted“ haben RPWL vor kurzem ein religionskritisches Konzeptalbum herausgebracht, das nur so nach einer Bühnenumsetzung schreit: Die bayrischen Artrocker treten darauf als Heilsbringer auf und möchten der Menschheit mithilfe des Wundermittels „Veritas Forte“ die absolute Freiheit und die totale Befreiung des Geistes schenken. Wir waren bei der Show in Oberhausen, um uns anzusehen, wie das ganz praktisch aussieht.

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Bevor RPWL ihr Erleuchtungsprogramm starten, schicken Sie zunächst CRYSTAL PALACE auf die Bühne. Die Berliner spielen eine runde Mischung aus Neoprog, Melodic Rock und ein paar sehr erfrischenden Progmetal-Einlagen. Schon der Opener „Sleepless“ begeistert mit stampfenden Elektrobeats und kernigen Gitarrenriffs. Die Band hat das Publikum schnell auf ihrer Seite und legt einen durch und durch sympathischen und ehrlichen Auftritt hin. Highlight der Show ist der 13-minütige Titeltrack ihres aktuellen Albums „System Of Events“, der mit schönen Spannungsbögen und tollen Endlos-Gitarrensoli glänzt. Nach 35 Minuten steht fest: CRYSTAL PALACE haben einen richtig guten Job gemacht!

Setlist Crystal Palace:
01. Sleepless
02. As Heaven Dies
03. Breathe
04. System Of Events

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RPWL kommen zunächst ohne Sänger Yogi Lang und Gitarrist Kalle Wallner auf die Bühne, was für Verwunderung im Publikum sorgt. Ohne echtes Intro und ein wenig leidenschaftslos eröffnen sie den Abend mit „Breathe In, Breathe Out“, einem ruhigen und eher mittelmäßigen Poprock-Stück ihres 2008er-Albums „The RPWL Experience“.

Doch gerade als erste Zweifel ob der seltsamen Openers und der Besetzung aufkommen, wird ein Schuh draus: Jemand, der zweifellos nicht zur Band gehört, betritt die Bühne und zwingt die Musiker, ihre Performance zu unterbrechen. Mit ein paar kaum vernehmbaren Worten entschuldigt er sich dafür, dass er vergessen habe, die Leinwandprojektionen einzuschalten, was wenige Augenblicke später passiert: Wir erfahren, dass Kalle Wallner, Mitglied der „Terrorgruppe“ RPWL, auf der Flucht ist und vom Staat gesucht wird. Plötzlich taucht er auf der Bühne auf und spielt die erste Töne von „Revelation“, dem Opener des neuen Albums „Wanted“ – wenn das mal kein origineller Konzertstart ist!

Die Freisinger führen ihr neues Werk in Gänze auf und schnell steht fest: „Wanted“ funktioniert auf der Bühne noch viel besser als auf Konserve! Denn die Band hat sich einiges überlegt, um ihre Geschichte mit Leben zu füllen: Jeder Song wird von einer speziellen Theatereinlage begleitet, für die sich die Band zwei unbeteiligte, finster und emotionslos wirkende Charaktere auf die Bühne holt. Sie halten Plakate mit Kreuzen und Schwertern hoch, um Kritik an der Kirche zu äußern; sie kleiden die Band neu ein, damit sie untertauchen kann; sie beeinflussen bzw. bedrohen Sänger Yogi Lang mit einer beinlosen Puppe, die Erinnerungen an alte, morbide Tool-Videos wachwerden lässt. Vielleicht ist sie ein Sinnbild für abgespaltene Angst oder die Tatsache, dass viele Menschen sich von religiösen Doktrinen einschüchtern und kontrollieren lassen. All diese Einlagen sind zwar schwer zu beschreiben, tragen aber enorm zur atmosphärischen Dichte der Show bei und wirken nie billig. Ein gutes Beispiel dafür, dass man auch mit einfachen Mitteln viel erreichen kann.

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Zudem wird die Story von genauso hochwertigen wie witzigen Filmsequenzen unterstützt – darunter auch eine auf amerikanisch getrimmte, schlecht synchronisierte Werbesendung für das Wundermittel „Veritas Forte“. Das Besondere: Die Projektionen laufen auf insgesamt fünf im Raum verteilten Leinwänden ab – über und neben der Bühne sowie hinter dem Publikum. Spätestens jetzt offenbaren RPWL ihre Liebe zu Pink Floyd, denn die Filmsounds werden wie bei David Gilmour & Co. im Quadrofonie-Verfahren eingespielt. So entsteht ein Raumklang, der die Zuschauer direkt ins Geschehen reinzieht – sie selbst werden zu Protagonisten der Geschichte. Da ist es auch keine Überraschung, dass gegen Ende des „Wanted“-Sets plötzlich das besagte Wundermittel in Form von bunten Bonbons im Publikum verteilt wird. Ohne Frage: Schöner kann man ein Konzeptalbum in einem so kleinen Rahmen und für gerade einmal 20 Euro Eintritt nicht inszenieren. Achja: Die Musik an sich bringen RPWL perfekt auf die Bühne. Sie halten sich aber mit Ansagen zurück und lassen lieber die Texte für sich sprechen.

Im zweiten Set spielt die Band einige ältere Tracks und wirkt deutlich entspannter und kommunikativer. Sänger Yogi Lang ist ein charismatischer und sympathischer Frontmann, der äußerlich ein wenig an Steve Hogarth von Marillion erinnert – nicht nur aufgrund seiner Theatereinlagen. Die Stimmung im ordentlich gefüllten, aber doch luftigen Zentrum Altenberg ist gut und erreicht ihren Siedepunkt beim letzten regulären Track: „Roses“ ist so etwas wie die Hitsingle der Band und wird unter lauter Beteiligung des Publikums zum Besten gegeben.

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Der Zugabenteil hält dann zum Abschluss noch zwei ganz besondere Schmankerl bereit: Das wunderbar floydige „Hole In The Sky“ vom 2000er-Debütalbum „God Has Failed“ sowie den Pink-Floyd-Track „Embryo“, den David Gilmour & Co. nie offiziell veröffentlicht, sondern nur live gespielt haben. Ein Epic, das vor allem von ausgedehnten Jams lebt, in denen RPWL musikalisch noch einmal richtig glänzen können. Die Freisinger spielen die Nummer mit derart viel Hingabe, dass man die Zeit vergisst – und nachher verwundert feststellt, dass gerade nicht weniger als 20 Minuten vergangen sind.

Fazit: RPWL live sind ein echtes Erlebnis! In einem solch kleinen Rahmen habe ich noch nie eine derart aufwändige und liebevoll inszenierte Show gesehen. Mit 140 Minuten war die Spielzeit zudem äußerst löblich. Musikalisch ist die Band sowieso über jeden Zweifel erhaben – zusammen mit dem tollen Support CRYSTAL PALACE ergibt das einen rundum gelungenen Konzertabend und die Erkenntnis, dass ich die bayrischen Artrocker alsbald wieder sehen muss.

Setlist RPWL:
01. Intro: Breathe In, Breathe Out

02. Revelation
03. Swords And Guns
04. A Clear Cut Line
05. Wanted
06. Hide And Seek
07. Disbelief
08. Misguided Thought
09. Perfect Day
10. The Attack
11. A New Dawn

12. The Shadow
13. Start The Fire
14. Trying To Kiss The Sun
15. Roses

16. Hole In The Sky
17. Embryo (Pink Floyd Cover)

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