Konzertbericht: Rotting Christ w/ Borknagar, Seth

08.10.2024 Nürnberg, Der Hirsch

„35 Years Of Evil Existence“ woll(t)en gefeiert werden! Und so beschlossen ROTTING CHRIST zusammen mit BORKNAGAR und SETH 2024 mit nur zwei Jahren Jubiläumsverspätung auf Tour zu gehen. Auf den insgesamt 27 Konzerten finden nur vier im deutschsprachigen Raum statt – eines davon im altbekannten Hirsch in Nürnberg.

Pünktlich um 19 Uhr eröffnen die französischen Black Metaller von SETH den Abend. Das Los des Openers ist wie immer ein schweres, aber zum Glück füllt sich der zu Beginn noch sehr leere Hirsch schnell, denn sonst wäre vielen ein sehr atmosphärischer Auftritt entgangen. SETH lassen sich nicht irritieren, legen sich direkt zu Beginn voll ins Zeug und packen in ihr 45-minütiges Set alles, was möglich ist. Frontmann Saint Vincent zeigt sich dabei sehr sympathisch und gibt – mit starkem Akzent und etwas augenzwinkernd– den französischen Hintergrund des Öfteren preis. Das kommt beim Publikum, das freilich größtenteils wegen ROTTING CHRIST vor Ort ist, sehr gut an, sodass SETH ihre Spielfreude angemessen gespiegelt bekommen. Dass sich die Band nicht vollends ernst nimmt und ihre Freude am Spielen durchaus auszudrücken weiß, ist mehr als angenehm. Der von Anfang an sehr gute Sound und das atmosphärische Licht unterstreichen das Auftreten der Band – die aufwendige Bischoffsrobe und der dramatisch präsentierte Dolch tun ihr Übriges. SETH gelingt eine hervorragende Eröffnung.

SETH im Oktober 2024 in Nürnberg
SETH im Oktober 2024 in Nürnberg

BORKNAGAR begehen stilistisch einen Bruch und stehen mit ihrem progressiveren Ansatz im klaren Kontrast zu SETH und auch ROTTING CHRIST. Direkt beim Einstieg mit „Nordic Anthem“ fällt auch hier der glasklare Sound auf, der vor allem die cleanen Vocals von Lazare hervorragend in den Raum trägt. Auf dieses Fundament setzen die Norweger eine geschickte Auswahl an Songs – allem voran „Voices“ (von „True North„), das mit einem einzelnen Spotlight sehr gekonnt inszeniert ist und für Gänsehaut sorgt. Die sympathischen Ansagen Hestnæs („Ist das Liebe?!“) und der stete Austausch über die Frage, was man als Nächstes spielen können, schaffen die Verbindung zum begeisterten Publikum, das Songs wie „Colossus“ und „Moon“ regelrecht einfordert. Der Fokus des Sets liegt deutlich auf den letzten beiden Alben: dem 2019er-Werk „True North“ und dem aktuellen „Fall“. Allerdings schafft es auch der fast 30 Jahre alte Track „Dauden“ unter angebrachtem Applaus ins Set, bevor „Winter Thrice“ den Auftritt von BORKNAGAR abrundet.

BORKNAGAR im Oktober 2024 in Nürnberg
BORKNAGAR im Oktober 2024 in Nürnberg
ROTTING CHRIST im Oktober 2024 in Nürnberg
ROTTING CHRIST im Oktober 2024 in Nürnberg

Danach ist Warten angesagt. Der beginnende Einspieler sorgt für vorzeitige Euphorie – der Abbruch desselben für Verwirrung. Es dauert ein bisschen, bis ROTTING CHRIST die Bühne betreten. Als „Aealo“ allerdings nach dramatischem Intro den Auftritt einleitet, gibt es kein Halten mehr: Unter Applaus und heiß erwartet betritt ein breit grinsender Sakis die Bühne und bringt von der ersten Sekunde an derart viel Energie mit, wie man es sich nur wünschen kann. Bedenkt man, dass ROTTING CHRIST vor Kurzem erst auf dem ausverkauften Summer Breeze Open Air gespielt haben, ist es um so mitreißender, dass die Griechen auch im kleinen Club solch eine Spielfreude mitbringen. Bassist Kostas feuert die Crowd das gesamte Konzert über immer wieder an. Zwar mag die geforderte Wall of Death nicht so recht entstehen, aber auf einen ansehnlichen Moshpit lässt sich das Publikum trotz begrenzten Platzes anstacheln. Diese Energie, die ausnahmslos jeder aus der Band auf die Bühne bringt, ist es, die den Abend so grandios macht. Über das ganze Set hinweg bringen sich Band und Besucher gegenseitig auf neue Höhen – und genießen es jeweils sichtlich. ROTTING CHRIST machen deutlich, was ein gutes Konzert und Live-Musik generell ausmacht.

ROTTING CHRIST im Oktober 2024 in Nürnberg
ROTTING CHRIST im Oktober 2024 in Nürnberg

Die Songauswahl ist dabei so getroffen, dass der Fokus nicht nur Frontmann Sakis liegt, sondern sich beispielsweise Kostis Foukarakis mit sichtlicher Freude bei diversen Gitarrensoli verausgaben kann, während Kostas dem Publikum keine Pause gönnt. Zudem ist die Setlist angenehm abwechslungsreich und führt durch die Historie von ROTTING CHRIST: Angefangen bei „The Sign Of Evil Existence“ („Thy Mighty Contract“) bis hin zu „Like Father, Like Son“ und „The Apostate“ (vom aktuellen „Pro Xristou“). Auch das druckvolle „Elthe Kyrie“ darf natürlich nicht fehlen. Den Abgang nach „The Raven“ für die obligatorischen Zugaberufe hätte man sich aus Publikumssicht gerne sparen können und stattdessen neben „Noctis Era“ gerne noch einen weiteren Song spielen können – nach dieser kraftfraubenden Show sei ROTTING CHRIST die kurze Verschnaufpause dennoch gegönnt.

Drei Bands im kleinen Club für faires Geld, in unmittelbarem Austausch mit dem Publikum, hervorragender Sound und viel Herzblut vor und auf der Bühne – Fan-Herz, was willst du mehr? Wenn so ein 35-jähriges Bestehen einer Band gefeiert wird, dann kann das gerne 35 Jahre so weitergehen! An diesem Abend hat nichts gefehlt – es hätte wirklich nicht besser sein können, sodass das Konzert bei vielen lange in guter Erinnerung bleiben dürfte. Es wird spannend werden, ob sich das im kommenden Jahr auf der „Unholy Trinity“-Tour wiederholen lässt.

ROTTING CHRIST im Oktober 2024 in Nürnberg
ROTTING CHRIST im Oktober 2024 in Nürnberg

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Fotos von: Andreas Brückner

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