Konzertbericht: Rome w/ Lovataraxx

13.07.2024 München, Feierwerk (Kranhalle)

Das Schönste an ungewöhnlichen Künstlern ist, dass sie durchaus auch mal zu ungewöhnlichen Aktionen bereit sind. So etwa Jérôme Reuter, der mit seinem Projekt ROME im Rahmen der Katzenclub-Party für die Schwarze Szene eine Soloshow spielt. Als Support sind LOVATARAXX gebucht – wohl um den Konzertabend fließender in die Gothic-Party übergleiten zu lassen, ist der Elektro-Act erst nach ROME an der Reihe.

ROME im Juli in MünchenUm 20:30 Uhr beginnt also direkt Reuter – im Rahmen der ROME-Soloshow ohne Schlagzeuger, ergo ganz auf sich allein gestellt. Die daraus resultierenden Freiheiten kostet Reuter voll aus: Eine Setlist etwa scheint er nur rudimentär ausgearbeitet zu haben. Immer wieder hält er zwischen den Songs kurz inne und sinniert, was er wohl als Nächstes spielen könnte. Auch die Songs selbst wirken mitnichten „vorbereitet“: Insbesondere vor den neuen Stücken geht Reuter die Akkordfolgen oft nochmal im Kopf durch, überlegt länger, wo der Kapodaster angesetzt werden muss und kommentiert das Ganze ungewohnt ironisch („Ich versuche grade, mich daran zu erinnern, wie der Song geht. [beginnt zu spielen] Ach ne, der ist ja anders. [setzt den Kapodaster um] So tief kann ich gar nicht singen!“).

ROME im Juli in MünchenAuch abseits der Musik verbreitet Reuter durch seine Ansagen Wohnzimmer-Atmosphäre, erkundigt sich beim Publikum, wie spät es eigentlich ist, oder führt ein Zwiegespräch mit einem Dennis, dessen Geburtstag auch ein Anlass für die heutige Show zu sein scheint. Daraus ergeben sich Ansagen („ROME zum Geburtstag – wer macht denn sowas …“) und Dialoge („Dennis, alles gut?“ „Jo.“ „Gut.“), die ebenso gut ins Programm eines Kleinkünstlers wie Patrick Salmen gepasst hätten. Das lockert die Performance erfreulich auf – nimmt ihr aber in keiner Weise die Ernsthaftigkeit: Die düster-melancholischen Songs von ROME bleiben düster und melancholisch, die Pro-Ukraine-Messages und -Text rufen in Erinnerung, dass keine 2.000 km östlich dieses beschaulichen „Kammermusik-Abends“ Krieg herrscht.

ROME im Juli in MünchenUnd auch das Publikum nimmt die Sache, bei aller eingestreuten Heiterkeit, ernst: Während der Musikdarbietung herrscht andächtiges Schweigen – so sehr, dass sich Reuter zu einer Bemerkung hingerissen fühlt: „Ihr seid sehr diszipliniert!“, lobt er, ein Zuschauer antwortet humorig mit „Wir pogen innerlich!“ Lacher, Anerkennung von Reuter („Ich poge auch innerlich…“) und schon ist es Zeit für den nächsten Song. Oder auch nicht mehr? „Wie spät ist es eigentlich“ erkundigt sich Reuter, erklärt dann sehr lebhaft, wie er gerade eigentlich abgegangen und wiedergekommen ist, und macht ansatzlos mit der Zugabe weiter. Bis dann nach 75 Minuten eben Schluss ist – und damit Zeit für die Vorband.

LOVATARAXX im Juli in MünchenUm an LOVATARAXX Gefallen zu können, muss man musikalisch flexibel sein – das Trio aus Frankreich arbeitet rein elektronisch im Sektor Minimal Cold Wave, ergänzt um Post-Punkig monotonen Gesang. Dass das nicht alle ROME-Fans glücklich macht, ist absehbar. Dementsprechend wechselt das Publikum langsam, aber stetig durch: Die Lücken, die sich durch abwandernde ROME-Fans auftun, füllen die zur Katzenclub-Party eintreffenden Goten, sodass sich auch LOVATARAXX über eine gut gefüllte Kranhalle freuen dürfen. Angesichts der tanzbaren Beats ist es eh besser, wenn das Publikum nicht zu eng steht – zumal sich so auch Räume ergeben, in denen die Bandmitglieder selbst abwechselnd tanzen oder Fruchtgummi-Schnüre verteilen können. Dazwischen sorgen die sympathischen, auf deutsch gehaltenen Ansagen der bei LOVATARAXX anonym agierenden Sängerin für positive Vibes – und dem düsteren Sound zum Trotz für beste Laune.

In einer Welt, in der Konzerte mehr denn je zu routinemäßigen Darbietungen eines allabendlich identischen Programms verkommen sind, ist ein Abend wie der heutige eine echte Wohltat. Gerade, weil Jérôme Reuter so „unvorbereitet“ wirkt, die Setlist improvisiert und auf ungewohnt witzige, direkte Weise mit dem Publikum in Kontakt tritt, wirkt die Show eher wie ein WG-Jam oder eine spontane Open-Stage-Session. Dazu passt, dass die Vorband eigentlich gar nicht zum Hauptact passt, dafür aber als Zweites auf die Bühne darf. Gerade darin liegt der Zauber dieses Abends: „Normale“ Konzerte erlebt man schließlich oft genug!

ROME im Juli in München
ROME im Juli in München; © Afra Gethöffer-Grütz/Metal1.info

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