Die Geschichte des ROCKAVARIA ist alles, nur keine Erfolgsstory. Das Debüt 2015 wollte trotz eines mit großen Namen gespickten Billings kein Kassenschlager werden und auch die zweite Ausgabe im Jahr darauf erreichte trotz guter Bands nicht die erhofften Ticketverkaufszahlen. Nach der Komplettabsage 2017 versuchen die Veranstalter nun im dritten Anlauf zu retten, was zu retten ist: In deutlich abgespecktem Format mit pro Tag zehn Bands auf zwei Bühnen auf dem Areal des Münchner Königsplatzes, soll das ROCKAVARIA eine – vermutlich letzte – Chance bekommen.
Nicht abgespeckt, sondern fast unanständig sind allerdings die Preise: Mit 120 € für den Samstag, 100 € für den Sonntag und stolzen 190 € für das Zwei-Tages-Ticket spielt das ROCKAVARIA zumindest preislich in der Liga, in die die Veranstalter das Event aus dem Nichts katapultieren wollten. Nur zum Vergleich: Das Tagesticket bei Rock im Park kostete in diesem Jahr 95 € (für im Schnitt 25 Bands), das Drei(!)-Tages-Ticket 199 – 219 € (incl. Camping).
Auch sonst sind die ROCKAVARIA-Preise gesalzen: 5 € für 0,5 l Bier, 8,50 € für 0,3 l Longdrinks und 7,50 € für die Schachtel Zigarretten sind mehr als gesalzen – zumal Tagesticketbesitzern kein Wiedereinlass auf das Gelände gewährt wird. Doch von Wiedereinlass können einige Fans lange Zeit sogar in der Theorie nur träumen. Denn vor das Festival haben die Götter den Schweiß gesetzt, wie es so schön heißt.
Die Götter, das sind im konkreten Fall diejenigen, die den Einlass koordinieren – denn Schweiß ist das einzige, was dort zum angekündigten Einlass um 13:00 Uhr flüssig läuft. Von diesem ist man nämlich auch um 14:00 Uhr noch weit entfernt, und wer dachte, dass er nach Öffnung der Schleusen in akzeptabler Zeit auf das Gelände kommt, hat sich getäuscht: Bei Temperaturen um die 28° C sind Wartezeiten bis zu zweieinhalb Stunden kein Vergnügen. Wer erst einmal drin ist, kann dafür direkt am Eingang für 5 € ein (selbstverständlich völlig funktionsloses) Set Festivalbändchen aus Stoff erwerben. Die Notwendigkeit, aus dem ROCKAVARIA 2018 Geld zu ziehen, scheint groß. (MG)
Wenig überraschend sind trotz leichter Verspätung dann auch noch längst nicht alle, die es gerne wären, auf dem Festivalgelände, als JOHNNY GALLAGHER & THE BOXTIE BAND auf der King’s Stage das ROCKAVARIA 2018 eröffnen. Das ist insofern schade, als man es hier nicht mit einem unbekannten Newcomer zu tun hat: Besonders in Großbritannien gilt GALLAGHER an der Gitarre als einer der Größten seiner Zunft. Dazu besitzt er eine markante Reibeisenstimme und bringt im Verlauf seines Opening Gigs vor allem auch ordentlich Abwechslung in seinen Blues Rock. Lediglich die Cover-Version des The-Animals-Klassiker „House Of The Rising Sun“ hätte sich der Brite sparen können, seine eigene Musik ist ein stimmiger Einstieg in das ROCKAVARIA 2018, hätte aber vermutlich auf der kleineren Bühne nebenan noch besser funktioniert und mehr Leute abgeholt. (SM)
Besagtes Areal im schattigen Park hinter der Glyptothek ist bereits gut gefüllt, als MONUMENT um 15:15 Uhr die kleine Greenstage entjungfern. So dürfen sich die Engländer bereits früh am Tag über gute Resonanzen zu ihrem engagiert dargebotenen Set freuen. Dass MONUMENT beim Publikum heute gut ankommen, verwundert allerdings wenig, würde die Truppe – mit einem Ohr hingehört – doch fraglos auch als gute Iron-Maiden-Coverband durchgehen. Wenig zu überzeugen wissen allerdings Sound und Lautstärke: Während man sich dank extremer Auflagen hinsichtlich der Lautstärke selbst direkt vor der Bühne noch gut unterhalten kann, sind die Gitarren bisweilen kaum herauszuhören. (MG)
Währenddessen geht es auf der King’s Stage mit TUXEDOO weiter. Für die Österreicher ist es bereits der dritte Auftritt beim ROCKAVARIA, nachdem sie 2015 die Olympiahalle und 2016 die Seebühne gerockt haben. Engagiert präsentieren die Jungs in Lederhosen ihren „Original Austrian Alpencore“, was die ersten Reihen auch gebührend feiern. Allein, hinter den vordersten Zuschauern lichten sich die Reihen des Publikums bald: Noch immer scheinen mehr Besucher vor den Einlassschleusen zu stehen als vor der Bühne. Der Spielfreude der Band tut das jedoch keinen Abbruch: Mit Kuhglocken und Perchtenmaske legen sie sich über die ganze Spielzeit von rund 45 Minuten hinweg mächtig ins Zeug. Auch wenn die Lautstärke hier ebenfalls noch deutlich zu wünschen übrig lässt – die Fans feiern bereits. (AG)
Auch DRAGONFORCE haben mit massiven Soundproblemen zu kämpfen – nicht zuletzt, weil auch hier bei der gebotenen „Zimmerlautstärke“ nur schwerlich Konzertstimmung aufkommen kann. Während die Briten um Gitarrenvirtuose Herman Li vor einem dankbaren Publikum mit ihrem Power Metal ihr Bestes geben und sogar den Toten Hosen huldigen, werden die eklatanten Schwächen des Greenstage-Areals offensichtlich: Dass, wer vor der Bühne steht, dank der geringen Lautstärke wenig hört, ist das eine. Unzählige Fans bekommen jedoch gar nichts zu hören, nachdem das angeblich für 3.000 Personen ausgelegte Areal schon bald aus unerfindlichen Gründen – es ist nämlich noch reichlich Platz – wegen „Überfüllung“ geschlossen wird. Doch auch wer „drin“ ist, hat damit keinen Joker gezogen: Auf dem gesamten Areal gibt es exakt ein (!) Dixi-Klo. Wer jedoch den kurzen Weg zu den WC-Containern geht, verlässt damit bereits das Greenstage-Areal und kommt nicht mehr zurück. Kein Wunder, dass die Zäune auf gesamter Länge bald zum Freiluft-Pissoir umfunktioniert werden. (MG)
Auf der King’s Stage machen sich unterdessen THE RAVEN AGE bereit für ihre zweite Show auf dem ROCKAVARIA. Die Band um George Harris, den Sohn von niemand Geringerem als Iron-Maiden-Kopf und -Bassist Steve Harris, hatte sich im Schlepptau von Iron Maiden breits 2016 auf dem ROCKAVARIA vorgestellt. Die väterliche Prominenz hilft der Band um Sängerneuzugang Matt James allerdings nur begrenzt weiter. Zwar können sich THE RAVEN AGE, verglichen mit Tuxedoo, über eine langsam steigende Anzahl an Zuschauern freuen und absolvieren ihrerseits eine solide Show. Wirklich mitzureißen vermag der aalglatte und recht generische Melodic Metal von der Insel aber nicht.
Wer mittlerweile Hunger bekommen hat, wird heute wenigstens einmal positiv überrascht: 4€ für die Bratwurstsemmel oder ein Pizzastück sind für Festivalverhältnisse fast faire Preise. Wenn schon kein Wiedereinlass erlaubt ist und kein Essen mit aufs Gelände gebracht werden darf, ist das aber irgendwo auch das Mindeste.
Als nächstes geben KILLSWITCH ENGAGE ihr ROCKAVARIA-Debüt und legen direkt mit Vollgas los. Dabei lassen sie sich weder vom immer noch halb leeren Königsplatz noch vom einsetzenden Regen bremsen. Die Fans, die sich vor der Bühne versammelt haben, nehmen sich an den Musikern ein Beispiel und starten den ersten Moshpit des Tages. Die Band dankt es mit vollem Einsatz: Sänger Jesse Leach scheint von seinen Stimmbandproblemen, derentwegen er sich Ende April sogar einer Operation unterziehen musste, vollständig genesen, und so liefern die Jungs aus Bosten heute vor der eindrucksvollen Kulisse des Münchner Königsplatzes eine respektable Metalcore-Show ab. (AG)
Die Eidgenossen von ELUVEITIE erweitern das instrumentale Aufgebot des ROCKAVARIA 2018 um Geige, Drehleier und Harfe. Allein der Sound macht auch den erfahrenen Folk-Metallern einen gehörigen Strich durch die Rechnung, gehen doch besonders die feinen Klänge der Saiteninstrumente beinahe unter. Apropos untergehen: Dieses Schicksal erleiden auch die anwesenden Besucher im Rahmen eines amtlichen Schauers, der das gesamte Gelände ordentlich durchspült. Die Menge zeigt sich davon aber weitestgehend so unbeeindruckt wie die Band. Musikalisch bieten ELUVEITIE einen Querschnitt ihres Schaffens, mit einigen akustischen Stücken ihres aktuellen Werks „Evocation II – Pantheon“. Dadurch ist vor allem Mastermind Chrigel abseits von „Havoc“, „Your Gaulish War“ und anderen Festivalstandards erstaunlich wenig präsent. Dafür tritt Neu-Mitglied Fabienne öfters mal ans Mikro, und auch Schlagzeuger Alain bekommt sein Solo. Während der weibliche Gesang ebenfalls unter den Rahmenbedingungen leidet, ist das Drum-Solo für ELUVEITIE ein bequemer Weg, die Spielzeit zu strecken – und in einem Festival-Set am Nachmittag unnötig. Am Ende stimmt immerhin der Klassiker „Inis Mona“ versöhnlich. (SM)
Pünktlich zum Beginn der Show von ARCH ENEMY um 19:00 Uhr verziehen sich die Regenwolken und die Abendsonne verwandelt den Königsplatz in eine atemberaubende Kulisse – nicht zuletzt, weil man nun erstmalig am heutigen Tag auch guten Gewissens von einem gut gefüllten Königsplatz sprechen kann. Jeder, der auf dem Areal ist, scheint die Show der Schweden sehen zu wollen. Dies mag nicht zuletzt Sängerin Alissa White-Gluz geschuldet sein, die wieder einmal beweist, dass für eine mächtige Stimme auch noch im zierlichsten Körper Raum ist. Die Band mit der kanadischen Frontfrau hat in den letzten Jahren ein beeindruckendes Pensum an Live-Auftritten absolviert und das macht sich bemerkbar. Die Musiker präsentieren sich absolut professionell, White-Gluz‘ Stageacting wirkt bis ins Detail durchchoreografiert und das Zusammenspiel der Band ist schlicht perfekt. Allerdings mag man in genau dieser Routine auch das Problem des Auftritts sehen: Alles wirkt einen Tick zu glatt. Unverkennbar ist es für die Band eine Show von vielen, die vermutlich alle gleich ablaufen. Mit der Erfahrung schleicht sich eben nur allzu leicht auch Gewohnheit ein. Die Fans feiern ARCH ENEMY, die ihr Set mit dem obligatorischen „Nemesis“ beschließen, dennoch gebührend. (AG)
Wenn die Toten Hosen schon ausfallen, dann bleiben den Liebhabern der deutschsprachigen Rockmusik an diesem Wochenende immerhin SALTATIO MORTIS. Während die Düsseldorfer ihre Songs gerne mit Punk würzen, sind die meist feiertauglichen Nummern bei den Totentänzern noch vereinzelt mit Folk-Elementen gespickt. Beim letzten Greenstage-Gig des Tages sorgt dies zusammen mit reichlich Bühnenfeuer für ordentlich Betrieb vor und auf der kleinen Bühne. Wie so oft fixen SAMO mit ihrem neumodischen Stil-Mix auch heute das Publikum ordentlich an – gerade auch jene Besucher, die den Bandnamen im Vorfeld maximal gegooglet haben. Songs wie „Worte“, „Wo sind die Clowns?“ oder „Ode an die Feindschaft“ erinnern dabei nur noch marginal an die Wurzeln der Bühnenveteranen: Vollständig emanzipiert und losgelöst vom Folk präsentieren SALTATIO MORTIS mit „Große Träume“ und „Nie wieder Alkohol“ noch zwei Vorboten ihres Ende Juli erscheinenden neuen Albums „Brot und Spiele“. Garniert mit dem besten Sound des Tages zählt der kleine Headliner zu den Gewinnern des Tages. (SM)
Vor dem großen Finale des Metal-Tages gibt es noch einmal Unmut: Während der Bereich vor den Wellenbrechern bestenfalls mäßig gefüllt ist, werden keine weiteren Fans vor die Barriere gelassen. Warum, bleibt das Geheimnis des Veranstalters.
Als IRON MAIDEN schließlich zum obligatorischen Ufo-Song „Doctor Doctor“ die Bühne entern, ist aller Ärger vergessen. Vor einem stimmigen Bühnenbild aus Tarnnetzen und einem lebensgroßen Bomber, der im bedrohlichen „Tiefflug“ über den Musikern schwebt, legen die Briten gleich zu Beginn mit ihrem Hit „Aces High“ los. Der Day Off am Vortag macht sich vor allem bei Bruce Dickinson positiv bemerkbar, der sich heute körperlich wie stimmlich in sensationeller Form präsentiert: Ob „2 Minutes To Midnight“, „The Trooper“, „The Wicker Man“ oder der Gänsehautgarant „Fear Of The Dark“ – das Set strotzt nur so vor Hits, die MAIDEN trotz aller Routine nicht nur souverän, sondern auch spielfreudig und mitreißend unters Volk bringen.
Was die Show angeht, setzen IRON MAIDEN dabei voll auf bewährte Mittel: Statt einer Videoleinwand werden unzählige liebevoll gemalte Backdrops ausgerollt, statt halbgarer Animationen beleben aufblasbare Figuren die Bühne, und auch der obligatorische Zweikampf zwischen Eddy und Buce, den Letzterer mit viel Glück auch heute (knapp) für sich entscheiden kann, darf da nicht fehlen. Und auch der Sound lässt jetzt keine Wünsche mehr offen: Kraftvoll und differenziert schallt Hit um Hit über den Münchner Königsplatz. Einziges Ärgernis aus technischer Sicht ist ein Wackelkontakt in den Videoleinwänden, der diese immer wieder kurz aufflackern oder schwarz werden lässt. Sieht man davon jedoch ab, rechtfertigt die IRON-MAIDEN-Show erstmalig am heutigen Tag den Besuch des ROCKAVARIA.
- Aces High
- Where Eagles Dare
- 2 Minutes To Midnight
- The Clansman
- The Trooper
- Revelations
- For The Greater Good Of God
- The Wicker Man
- Sign Of The Cross
- Flight Of Icarus
- Fear Of The Dark
- The Number Of The Beast
- Iron Maiden
- The Evil That Men Do
- Hallowed Be Thy Name
- Run To The Hills
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Dieser mehr als versöhnliche Abschluss des doch sehr durchwachsenen Festivaltages macht eines klar: Wer als Headliner IRON MAIDEN bucht, erkauft sich damit sehr viel Narrenfreiheit. Denn wenngleich das Tagesprogramm eher enttäuschend und die Organisation den eifrig abkassierten Fans gegenüber bisweilen eine Frechheit war, geht die große Masse am Ende nach einer packenden Zwei-Stunden-Heavy-Metal-Show besänftigt nach Hause. Sollte es aber tatsächlich eine weitere ROCKAVARIA-Ausgabe geben, sollten sich die Veranstalter bereits jetzt überlegen, wen sie als Headliner buchen: MAIDEN kommen, nach zwei Jahren als Headliner in Folge, wohl nicht mehr die Frage – und die Anzahl an Bands, die ihnen so souverän die Kohlen aus dem Feuer holen können, ist begrenzt. Sehr begrenzt. (MG)
Bei den Ticketpreisen ist noch zu sagen, dass das RAV bereits in den ersten Runden einen entscheidenden Fehler gemacht hat: Erst wurde kommuniziert, es gäbe keine Tagestickets. Dann gab es irgendwann doch welche, und die schließlich auch noch ermäßigt. Das dürfte doch jeden geärgert haben, der frühzeitig ein Ticket gekauft hat.
Logische Konsequenz beim nächsten Mal: Lieber mal warten.
Auch 2018 hat sich das bewährt: Mich interessierte nur der Maiden-Tag. Und für den gab es am Ende Tickets bei Groupon (!). Mit einem zusätzlichen Rabatt, den man sich schnell ergooglen kann, hab ich dann am Ende für den Maiden-Tag ca. 65 Euro gezahlt.
Ansonsten habt ihr die wesentlichen Punkte erwähnt:
– schwierige Einlasssituation
– unklar, warum die rechten großen Dragonforce auf der kleinen Bühne spielten
– unklar war auch der Zugang zu den FoS-Bereichen.
– Maiden und KSE super
Bin gespannt, ob es ein RAV19 gibt. Ich wäre überrascht, zumal wohl viele (alle?) Festivals derzeit Besucherrückgänge verzeichnen. Vielleicht haben wir alle potenziellen Headliner schon x-mal gesehen? Welche jüngere Band könnte zu einem Preis jenseits der 70 euro Zehntausende Fans ziehen?