Mitten in den Bergen des Harz liegt das beschauliche Städtchen Osterode. Alles ist ruhig und friedlich. Ein malerisches Bild. Und plötzlich kracht einem die volle Ladung Metal um die Ohren. Denn Osterode ist nicht nur einer der größeren Orte im Harz. Hier findet jedes Jahr das Rock Harz Open Air statt. Ein preislich sehr günstiges Festival mit einem verdammt starken Billing.
Tag 1:
Ich selber bin am Freitag mitten im laufenden Festival angekommen. Allerdings habe ich auch keine überaus wichtige Band verpasst. Das meiste waren Underground-Combos, durch deren Anwesenheit sich das Rock Harz eben so auszeichnet wie durch zahlreiche starke Metal-Kapellen. Und mit so einer durfte ich auch gleich starten. Denn nachdem ich mich auf dem Gelände ein wenig umgesehen hatte, enterten die Metal-Legenden von OVERKILL die Bühne. Eine Combo, die trotz des relativ hohen Alters der Beteiligten immer noch rockt. Das haben sie auf dem Rock Harz auch eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Von der alten Agressivität und ihrer Nonkonformität mit dem System haben die Amis indes nichts verloren. Höhepunkt des Gigs, wie auch bei fast jedem anderen Konzert, war wieder das alt bekannte Spiel zu “We Don’t Care What You Say“: Nachdem Sänger Bobby “Blitz“ Ellsworth die Titelzeile gesungen hat, gibt er dem Publikum ein Zeichen, das ihm mit ausgestrecktem Mittelfinger auch sogleich Antwort gibt: “Fu** You!“ Die Show der Overkiller war, wie das bei 80er Combos häufig der Fall ist, gespickt mit jeder Menge fetten Poser-Gesten. Ansonsten wirkte sie allerdings etwas statisch. Vor Allem Bassist D.D. Verni und Gitarrist Dave Linsk lassen zwar hin und wieder mal ihre Matten kreisen oder schmeißen sich in ordentliche Poser-Posen, scheinen aber ansonsten regelrecht am Boden fest zu kleben. Momen mal… Gitarrist Dave Linsk??? Fehlt da nicht einer??? Tatsächlich! OVERKILL sind nur mit einem Gitarristen angereist! Bis heute lies sich der Grund für dieses ungewöhnliche Line-Up allerdings nicht heraus finden. Dem Sound tat das allerdings keinen Abbruch. Und auch die Fans scheinen ihren Spass gehabt zu haben. Wie ich im Überigen auch. Ein gelungener Fetival-Einstand.
Weiter ging es mit DESTRUCTION. Die deutschen Thrasher lieferten einen ordentlichen Gig ab. Mehr allerdings auch nicht. Die Stimmung, die nach OVERKILL eh schon extrem gut war, konnten die drei Musiker aber dennoch auf diesem Pegel halten, was vor Allem auch an den sympathischen Ansagen von Schmier lag, der den Fans auf dem Rock Harz im Übrigen überraschenderweise eine schwarze Matte präsentierte.
Auf Destruction folgte mit GRAVE DIGGER eine weitere deutsche Band, die für mich den absoluten Höhepunkt des Abends darstellte. Wie bei dem Quintett fast schon üblich, spielten die Totengräber einen sagenhaften Gig und erwiesen sich live wieder einmal als eine Bank. Sänger Chris Boltendahl brauchte gar nicht viele Ansagen zu machen. Im Prinzip beschränkte er sich darauf, die Titel der gespielten Stücke anzukündigen. Die Fans scheint das aber augenscheinlich wenig gestört zu haben. Denn die sind wahrlich amtlich abgegangen! Fliegende Haare und divende Zuschauer waren hier absolut keine Seltenheit. Das Set war ebenso allererste Sahne. Denn mit “Heavy Metal Breakdown“, “Rebellion“, “The Grave Digger“ und “Knights Of The Cross“ präsentierten die Deutschen alle ihre Hits. Dabei schien es ihnen aber sogar in gewisser Weise Spaß gemacht zu haben, ihre Fans zu ärgern. Denn diese hatten seit Mitte des Gigs bereits lautstark “Rebellion“ gefordert, mussten aber bis zur letzten Zugabe warten. Einziges Manko bei diesem geilsten Gig des Festivals war das lungenschwache Publikum. Einige Fans bemühten sich zwar möglichst lautstark mitzugrölen, doch kannten erstaunlich wenige der Zuschauer die Texte und so viel das Gröhlen der Menge denkbar schwach aus. Macht aber nichts. Abgehen kann man trotzdem!
Die Stimmung war an diesem Punkt auf ihrem Höhepunkt. Partylaune, so weit das Auge reich. Und dazu passte auch der Rausschmeißer dieses Abends wunderbar. ONKEL TOM enterte die Bühne! Doch bevor er mit seinen Partyliedern so richtig Gas geben konnte, waren erst einmal einige Tänzerinnen an der Reihe, die mit ihrer Performance so manchen männlichen Festival-Besucher in die sabbernde Apartheit gestürzt haben dürften. Dann lege die Band los. Oder besser gesagt: Tom Angelripper fing erst einmal an zu erzählen. (O-Ton: “Wir müssen vertraglich 45 Minuten auf der Bühne stehen. Aber niemand hat gesagt, dass wir auch spielen müssen!“) Macht aber auch nichts. Denn die Ansagen des Sängers sprühten wie üblich vor Witz und Heiterkeit. Das macht Laune. Ebenso wie die Sauflieder von ONKEL TOM, die die perfekte Einleitung zu den anschließend hier und da auf dem Campingplatz statt findenden Partys und Saufgelagen bildeten. Besonders lobenswert war überigens eine Aktion der Band. Denn nachdem Tom das Schild eines Zuschauers, das besagten ein gewisser Michi hätte um Mitternacht Geburtstag gesehen hatte, intonierte sie spontan “Happy Birthday“. Daumen hoch!
Tag 2:
OK. Dann mal langsam aus dem Zelt geschält und weiter gehts im Billing. CAPPRICIO, eine mir nicht bekannte Underground-Band, haben die undankbare Aufgabe den Wecker für die Festival-Besucher spielen zu dürfen. Aber immerhin gelingt ihnen das einigermaßen. Die Band präsentiert sich als passender Opener, der mit seinem netten New Rock die passende Hintergrundmusik für das erste Bier des Tages liefert. Auf der anderen Seite können sie damit aber auch keine Begeisterungsstürme auslösen. Aber wer erwartet das auch schon um die Uhrzeit?! Immerhin stehen einige hartgesottene schon wieder vor der Bühne und geben ihre Zustimmung mit einem leichten Kopfnicken bekannt.
Den zweiten Gig an diesem Tag geben DARK AGE. Und sind damit DIE Überraschung des Festivals. Die Band hat gerockt wie Sau! Anders kann man das schon gar nicht mehr definieren. Die Bühnenshow war absolut genial und auch die Setlist wusste zu begeistern. Dazu kamen dann noch die überaus sympathischen Ansagen von Sänger Eike Freese, so dass die Band trotz der frühen Stunde relativ viele Leute vor die Bühne locken konnten, die auch gleich amtlich abgingen. Mir dreht sich immer noch alles, wenn ich daran denke. Was für ein Gig!
Danach hieß es erst einmal verschnaufen. Also ab an die Bierbude und das nächste Pils gezockt. Die passende Hintergrundmusik liefern SKEW SISKIN. Eigentlich ganz netter Rock. Aber richtig begeistern kann sich dafür niemand. Und auch vor der Bühne ist nicht viel los. Schade eigentlich. Denn nach dem furiosen DARK AGE Gig hätte durchaus einiges mehr gehen können.
Aber noch sind wir noch nicht am Ende des Tages angelangt. Mit HOLY MOSES stellte sich nun die extremste Band des Wochenendes auf die Bretter der Hauptbühne. Und hier ging dann plötzlich wieder einiges. Die Musiker um Frontfrau Sabina Classen, die mit ihren agressiven Growls alles weggefegt hat, haben sich richtig ins Zeug gelegt. Aber wen wunderts auch?! Immerhin haben die fünf Deutschen diese Show für ihre kommende DVD gefilmt. Und so erklären sich auch die geniale Bühnenshow und die überaus sympathischen und lustigen (O-Ton: “Jetzt kommt auch noch die Sonne raus! Da zerfall ich ja zu Staub!“) Ansagen von Sabina. Zum Abschluss durften dann auch noch alle Fans mit auf die Bühne, um gemeinsam mit der Band den Titel “To Drunk To Fuck“ abzufeiern. Was für ein Gig! Die Stimmung war mal wieder auf dem Höhepunkt.
Und das sollte sich für die nächsten Stunden auch nicht ändern. Denn als nächstes waren RAGE an der Reihe. Und wo RAGE spielen gibt es kein Halten mehr. Die Fans sind abgegangen wie sonst was. Mosh-Pit, fliegende Haare und Stagediver, wo auch immer man hingesehen hat. Sogar meine Fotografin hat es irgendwann nicht mehr gehalten und für den Rest des Sets ward sie nicht mehr gesehen. Aber wen wundert das auch? Immerhin sind die Drei auf der Bühne ebenso abgegangen. Und das das zu den Liedern von Rage auch möglich ist, brauche ich hier glaube ich nicht noch einmal extra hervor zu heben.
Danach näherte sich das Festival langsam seinem Ende. Damit aber auch seinem definitiven Höhepunkt. Nachdem es am Ende des RAGE-Gigs leicht angefangen hatte zu regnen, war es pünktlich zum Auftritt von DORO wieder trocken. Und damit war auch freie Bahn für die Menschenmassen, die sich vor der Bühne versammelten. Nicht nur die Festival-Besucher, sondern auch die komplette Einwohnerschaft von Osterode schien sich die Rockröhre ansehen zu wollen und so war das Gelände zum Bersten gefüllt. Als DORO dann auf der Bühne erschien gab es kein Halten mehr. Sie wurde von den Fans gnadenlos abgefeiert, wenn auch nicht ganz so aggressiv wie bei den vorhergehenden Bands, was bei ihrer eher im Hardrock verwurzelten Musik auch kein Wunder ist. Eine wunderbare Idee der Band war es auch gewesen, die Hits nicht geballt ans Ende zu setzen, sondern im Set zu verteilen. So tauchte definitiv keine Langeweile auf. Das einzige Manko waren DOROs etwas einförmige Ansagen. Wie eine tibetanische Gebetsmühle hat sie vom Publikum gefordert die Hände in die Höhe zu recken. Irgendwann konnte man das durchaus schon als nervig beschreiben. Eigentlich schade um die ansonsten gute Stimmung. Die meisten Fans scheint da indes nicht gestört zu haben. Denn gefeiert wurde bis zum Schluss.
Danach begab man sich dann auf den Campingplatz, um dort das Festival würdig ausklingen zu lassen: Also mit viel Bier und diversen anderen Alkoholika. Was bleibt ist die Erinnerung an ein Festival mit einem großartigen Billing. Wirklich für sich gewonnen hat das Rock Harz mich allerdings durch seine Größe: Es ist lange nicht so überlaufen, wie die großen Festivals. Man kommt überall problemlos ran und rein. Auf der anderen Seite sind aber auch genug Leute da, um ordentlich abzufeiern. Die perfekte Mischung! Und auch die Preise sind im Übrigen sehr moderat. Das geht schon bei den Tickets, die dieses Jahr 23 Euro gekostet haben, los. Es gibt einige Bands, die für einen normalen Hallengig mehr verlangen! Aber auch die Preise für Getränke und sogar die Festivalshirts waren durchaus erschwinglich. Unterm Strich also ein tolles Festival, das ich nur weiter empfehlen kann!