Alles Jahre wieder kommt, nein, nicht das Christuskind, sondern eine treue Schar von Metalfans nach Dischingen. Denn hier findet das Rock am Härtsfeldsee statt, dass jedes Jahr mit starkem Billing, fairen Preisen und eine wunderschönen Lage die Besucher anlockt.
Freitag
Die erste Band in diesem Jahr sind NEED2DESTROY, die eine Mischung aus Metal, Ska-Rhythmen und dancig-funkigen Gitarren zum Besten geben, die allerdings nur wenige Fans ins Zelt und vor die Bühne locken kann. Auch der Sound ist nicht optimal, aber immerhin schon recht druckvoll, was Gutes für den weiteren Verlauf des Festivals verheißt und da der Opening-Slot immer ein undankbarer ist, sollte man diesen Aufritt auch nicht überbewerten.
Bei den folgenden KISSIN‘ DYNAMITE stellt sich die Sachlage schon anders dar, denn die Band hat eindeutig eine Menge Fans vor Ort, was sich auch am bereits halb vollen Zelt festmachen lässt. Die Anwesenden werden nicht enttäuscht, denn die Band spielt ihren Glam Metal mit Überzeugung und einer „Whatever“-Attitüde, die für jede Menge gute Laune sorgt. Zudem sind KISSIN‘ DYNAMITE viel auf der Bühne unterwegs, werfen sich in Pose und animieren das Publikum zum Mitsingen, eine Einladung die gern angenommen wird.
Es folgt ein absolutes Kontrastprogramm, zumindest in musikalischer Hinsicht, denn INSOMNIUM sind alles andere als eine Band mit positiver Stimmung. Stimmung verbreiten sie allerdings mit ihrem melancholisch angehauchten Death Doom, der neben seiner Düsternis auch eine wunderschöne Seite innehat. Die Doublebass kommt passend dazu knallhart und druckvoll aus den Boxen und wird von perfekt abgemischten Gitarren kontrastiert, die großartige Melodieläufe gegen die Growls stellen. Songs wie „Down With The Sun“ und „Revelation“ treffen den Nerv der Fans und werden entsprechend abgefeiert. Allein die Sonne und das schöne Wetter tun nichts für die von der Band erzeugte Stimmung, was dem Gelingen des Auftritts jedoch keinen Abbruch tut.
Und Rolle rückwärts, denn FIDDLER’S GREEN sind als nächstes dran und haben offensichtlich nichts anderes im Sinn, als eine großartige Party zu feiern. Die Truppe pfeift auf Genregrenzen und vermischt irischen Folk mit Punk und Metal, immer unter der Maxime, dass es Spaß machen muss und die Fans sich dazu bewegen sollen. Das tun diese auch ausgiebig, allerdings ohne dabei das lautstarke Mitsingen zu vernachlässigen und zudem zu springen, zu klatschen und den ersten Circle Pit des Tages auf die Beine zu stellen. Der Sound unterstützt dabei die Show von FIDDLER’S GREEN, da bei der Klarheit des Klanges auch die Feinheiten der Band gut hörbar sind, ohne allerdings, dass Abstriche in puncto Lautstärke gemacht werden müssten. Im mittlerweile vollen Zelt findet sich niemand, der kein Lächeln auf den Lippen hat, was die Band offensichtlich anspornt, der Menge weiter einzuheizen.
Nachdem sie im letzten Jahr ihren Auftritt absagen mussten sind sie dieses Jahr vor Ort und legen mit „Yesterday Is Dead And Gone“ direkt richtig los – ARCH ENEMY. Mit „War Eternal“ kommt als nächstes der Titelsong des aktuellen Albums, gefolgt vom Kracher „Ravenous“. Was schnell deutlich wird ist der Fakt, dass die neue Frontfrau Alissa White-Gluz ein absoluter Gewinn für die Band ist. Die Dame ist permanent auf der Bühne unterwegs, lässt ihre Mähne kreisen und macht stimmlich eine ebenso gute Figur. Dazu gelingt es ihr spielend das Publikum zu einem Pit zu animierten oder dieses springen oder mitsingen zu lassen. Auch die ersten Crowdsurfer machen sich direkt zu Beginn des Auftrittes auf den Weg. Allerdings treibt die Sängerin nicht nur die Fans an, denn auch die restlichen Mitglieder von ARCH ENEMY wirken deutlich motivierter und energetischer als zuletzt. Die gespielten Songs rekrutieren sich aus fast allen Schaffensphasen der Band, wobei erstaunlich bzw. verhältnismäßig wenig vom aktuellen Album „War Eternal“ vertreten ist. Der Fokus liegt deutlich auf den Bandklassikern wie „Dead Eyes See No Future“, „Nemesis“ und der Überhymne „We Will Rise“. Unterm Strich eine ganz starke Show, mit der ARCH ENEMY deutlich machen, dass mit ihnen auch in Zukunft zu rechnen sein wird.
Die Zukunft begann für den heutigen Headliner bereits vor 32 Jahren – W.A.S.P. beschließen den ersten Tag des Rock am Härtsfeldsee. Dabei präsentieren sich Blackie Lawless und Band in guter Verfassung, auch wenn die beiden Musiker links und rechts des Bandchefs deutlich agiler und weniger aufgedunsen sind. Dem klassischen Heavy Metal der Band tut dies jedoch keinen Abbruch. Das Publikum beteiligt sich mit seiner ganzen Stimmgewaltigkeit an der Show und auch die Crowdsurfer lassen nicht lange auf sich warten, denn Nummern wie „L.O.V.E. Machine“ und „Wild Child“ sind einfach absolute Granaten. Die Band genießt den Enthusiasmus der Anwesenden sichtlich und animiert diese zum Mitsingen, Springen und Klatschen. Allerdings ist es schwierig sich vorzustellen, warum diese Band in Amerika einmal gefürchtet bzw. berüchtigt war – wie sich die Zeiten doch ändern. Eine Änderung erfährt der Auftritt auch nach einer kurzen Pause, denn statt flotten Strophen und großen Refrains spielen W.A.S.P. gegen Ende ihres Sets fast ausschließlich (Halb-)Balladen, was durchaus dazu führ, dass einige Fans das Zelt verlassen. Nach rund 70 Minuten endet somit ein sehr ordentlicher Auftritt einer großen Band vor nicht mehr ganz vollem Zelt.
Samstag
PARASITE INC. eröffnen den Samstag und da es draußen wie aus Eimern gießt, ist schon recht viel vor der Bühne los. Die Band bietet Melodic Death Metal, an dem vor allem die präzise und gut abgenommene Double Bass begeistert. Getragen wird die Musik von amtlichen Riffs, ordentlich Groove und einem treibenden Drumming. Zudem hat die Truppen offensichtlich einige Fans mitgebracht, die den Auftritt gut abfeiern. Insgesamt ein sauber gespielter Gig, auch wenn die Musik der Band auf Dauer etwas eindimensional wirkt.
Mit ORDEN OGAN folgt eine Band, deren Anziehungskraft sich nur ihren Fans erschließt, von denen es aber offensichtlich viele vor Ort gibt. Die Band spielt klassischen Power Metal, mit flotten Riffs und Solos, großen Melodiebögen und Klargesang. Allerdings ist der Sound der Band im Vergleich zu diversen Genrekollegen durchaus eine Spur härter. Begleitet wird die positiv-fröhliche Musik, die allerdings nicht kitschig wirkt, von eigenwilligen Kostümen, die dann doch seltsam anmuten und deren Zweck sich nicht wirklich erschließt. Da das Zelt trotz wieder aufgetauchter Sonne weiterhin gut gefüllt ist, scheint die Band vieles richtig zu machen.
END OF GREEN betreten als nächstes die Bühne und bringen wieder eine düstere Stimmung ins Zelt. Mit ihrem an Type O Negative erinnernden Sound (besonders beim Gesang) wissen die Herren durchaus zu überzeugen. Schnellere Passagen wechseln sich mit langsamen, getragenen Parts ab und auch eine Prise Doom fehlt nicht. Deutlich weniger Spaßig als ihre Vorgänger werden END OF GREEN trotzdem vom Publikum gut abgefeiert. Die Band selbst hat offensichtlich Spaß an ihrem Auftritt und bewegt sich viel auf der Bühne. Dummerweise ist das Schlagzeug allerdings viel zu präsent im Mix und die Gitarren zu leise, was allerdings im Laufe der Show nachgeregelt wird.
Legende die Erste: SEPULTURA. Parallel zum Spiel der brasilianischen Nationalmannschaft gegen Chile betritt die Band um Andreas Kisser die Bühne und gibt von Anfang an einfach nur Gas. Doch nicht nur die Band ist top motiviert, auch alle Anwesenden im mittlerweile brechend vollen Zelt geben alles. Es wird geheadbangt, dass die Haare nur so fliegen, Fäuste recken sich gen Zeltdecke und die prägnanten Refrains werden stimmgewaltig mitgesungen. Dazu ist der Sound von oberster Güte, druckvoll, basslastig (im richtigen Maße), die Drums sind knackig und die Gitarre klar zu hören. Dazu erscheint Fronter Derek Green mit rasiertem Schädel wie ein menschgewordener Kampfpanzer. Die Setlist ist eine ausgewogene Mischung aus alten und neuen Liedern, auch wenn ganz altes Material wie „Troops Of Doom“ oder „Beneath The Remains“ nicht vorkommt. Hingegen sprechen die letzten fünf Songs des Gigs für sich: „Territory“, „Refuse/Resist“, „Arise“, „Ratamahatta“ und „Roots, Bloody Roots“. Mächtiger Auftritt einer großen Band.
Legende die Zweite: SAXON. Der Adler ist gelandet – und wie. Mit „Sacrifice“ gehen die Briten direkt in die Vollen, es folgen Klassiker wie „The Power And The Glory“ und neuere Tracks wie „Batallions Of Steel“. Biff Byford und seine Mannen dröhnen dermaßen laut und druckvoll aus den Boxen, dass es eine wahre Freude ist. Zudem präsentiert sich der Fronter stimmgewaltig und die ganze Band bewegt sich viel auf der Bühne, sodass man kaum glauben mag, wie lange diese Band schon unterwegs ist. SAXONs klassischer NWOBHM begeistert mit seinen harten Riffs und starken Melodien noch immer die Massen, was sich in der Reaktion des Publikums niederschlägt. Es wird gesungen, gesprungen, geklatscht und natürlich lassen sich viele vom Publikum Richtung Bühne tragen. Die Setlist lässt keine Wünsche offen, es gibt Klassiker wie „Wheels Of Steel“ und „Strong Arm Of The Law“, uralte Hymnen wie „Motorcycle Man“ und „747 (Strangers In The Night)“. Mit „Denim And Leather“ und „Princess Of The Night“ beenden die Briten ihren Auftritt, der zweifelsohne zu einem er stärksten des Wochenendes gehört.
Legende die Dritte: KREATOR. Als Headliner bekommen die Essener einen Sound, der nichts zu wünschen übrig lässt, zugleich knüppelhart und klar ist und die stilistischen Unterschiede zwischen alten Songs wie „Tormentor“ und neuerem Material a la „Through Flood Into Fire“ prima unterstreicht. Zudem hat die Band Pyrotechnik mitgebracht, was ihren Headlinerstatus unterstreicht und gelichzeitig die Performance untermalt. Bereits beim dritten Song („Warcurse“) teilt sich das Publikum zur Wall Of Death und der Pit vor der Bühne kommt während des gesamten Auftrittes nicht zur Ruhe. Die Anwesenden moshen, springen, klatschen und zwingen die Security vor der Bühne für ihr Geld zu arbeiten, da es permanent Crowdsurfer regnet. Auch die Band gibt Vollgas, bewegt sich viel auf der Bühne, headbangt und treibt das Publikum an. Dabei ist Mille so sympathisch wie eh und ja. Selbst wenn er vor „Death To The World“ meint, dass er mehr Brutalität und Gewalt im Moshpit sehen möchte, wirkt das so freundlich, dass man seiner Bitte einfach nachkommen muss. Anlässlich Ventors Geburtstags gibt es ein kleines Ständchen des Publikums und der gute Mann darf seinen Gesang beim folgenden „Riot Of Violence“ hören lassen. Die Setlist beherbergt eine gute Mischung aus Klassikern wie „Phobia“, „People Of The Lie“, „Enemy Of God“ , „Pleasure To Kill“ und „Flag Of Hate“ sowie neueren Songs wie „United In Hate“, „Civilization Collapse“ und „Hordes Of Chaos“. Unterm Strich ein bärenstarker Auftritt und ein perfekter Abschluss des diesjährigen Rock am Härtsfeldsee.
Auch 2014 war das Rock am Härtsfeldsee ein voller Erfolg. Das Festival punktet mit unglaublich guten Bands, die starke Shows hinlegen, sowie einem malerischen Setting und mehr als fairen Preisen. Das nächste Jahr kann kommen.