Konzertbericht: Rivers Of Nihil w/ Cynic, Beyond Creation, Dååth

26.03.2025 München, Backstage (Halle)

Wenn bei den Saiteninstrumenten so ziemlich das ganze Holz für Griffbretter anstatt für Korpusse oder gar Kopfplatten verbaut wurde, weiß man: heute gibt es Tech-Death. Auch heute würde sich die Genre-Frage auf den ersten Blick beantworten: Die schiere Zahl der Saiten, auf denen im Laufe des Abends gespielt wird, hätte auch für sechs Bands ausgereicht. Wer sich hier und heute eingefunden hat, weiß aber natürlich auch ohne Merkhilfe, worauf er oder sie sich eingelassen hat – denn mit RIVERS OF NIHIL, CYNIC, BEYOND CREATION und DÅÅTH haben sich wahrlich keine Unbekannten zusammengefunden, um Europa das Shredden zu lehren.

Allein die Spielreihenfolge wirkt gleich in doppelter Hinsicht „falsch“: Dass DÅÅTH vor den kaum halb so lang aktiven BEYOND CREATION auf die Bühne müssen, wirkt ähnlich unangemessen wie die Tatsache, dass CYNIC als Szeneurgestein mit knapp 40 Jahren Bandgeschichte heute nicht Headliner sind. In beiden Fällen gilt wohl: Die nächste Generation übernimmt das Ruder.

Dass DÅÅTH als Opener ran müssen, hat sich die Band aus Atlanta, Georgia, allerdings auch selbst zuzuschreiben: Zwar hat die Truppe um Bandgründer Eyal Levi im vergangenen Jahr mit „The Deceivers“ ein wirklich famoses Album abgeliefert – zuvor allerdings stolze 13 Jahre keine Lebenszeichen mehr von sich gegeben. So dürften die Mehrheit der Fans, die jetzt vor der Bühne stehen, DÅÅTH nicht einmal kennen – DÅÅTH-Shirts sind im Publikum quasi nicht vertreten. Das hindert allerdings niemanden daran, die Band nach dem überlangen und ziemlich enervierenden Intro für ihre wuchtige Performance abzufeiern: Um Backing-Tracks kommen DÅÅTH mit ihren im Studio umfangreich orchestrierten Songs live natürlich nicht herum. Trotzdem liegt das Gewicht klar auf den live dargebotenen Spuren. Das schmälert zwar mitunter den Wiedererkennungswert der Songs, lässt die Darbietung dafür aber auch nicht wie eine reine Playalong-Party wirken. Dass DÅÅTH als Ersatz für ihren verhinderten Drummer Krimh mit Sebastian Lanser ein anderes Ausnahmetalent rekrutieren konnten, trägt seinen Teil zur grandiosen musikalischen Darbietung bei.

  1. No Rest, No End
  2. Hex Unending
  3. Sharpen The Blades
  4. Subterfuge
  5. Unwelcome Return
  6. Purified By Vengeance
  7. Day Of Endless Light

Technisch nicht minder raffiniert gehen BEYOND CREATION zu Werke – und das wortwörtlich ab dem ersten Takt: Ihre Show eröffnen die Kanadier mit einem Tapping-Intro auf Bass (6 Saiten) und beiden Gitarren (2x 8 Saiten). Auch für die folgende halbe Stunde haben BEYOND CREATION ein rundum stimmiges Set vorbereitet: Mal ruhig und atmosphärisch, mal aggressiv und schnell, zeigt sich das Quartett nicht nur technisch extrem versiert, sondern auch vielseitig begabt. Dass auch bei BEYOND CREATION ein Ersatzmann am Schlagzeug sitzt, ist abermals nur durch Faktenwissen feststellbar – womit wohl auch über die Fertigkeiten des eingesprungenen Clément Denys alles gesagt wäre. Dass die Band auch noch extrem sympathisch rüberkommt, rundet das Bild gelungen ab: Auf dieser Tour dürften sich BEYOND CREATION viele neue Fans erspielen.

  1. Algorythm
  2. In Adversity
  3. Earthborn Evolution
  4. Coexistence
  5. Omnipresent Perception

Das gilt wohl auch für die nächste Band – nicht etwa, weil es sich um andere CYNIC als die Tech-Death-Legende handeln würde, sondern vielmehr, weil das Tour-Package insgesamt eher die nächste Generation Tech-Death-Fans anspricht. So merkt man an den Reaktionen des Publikums sehr schnell, dass CYNIC hier vor einem aufgeschlossenen, aber eben – von einigen Die-Hard-Fans abgesehen – nicht ihrem angestammten Publikum aufspielen. Ob aus Ehrfurcht oder Faszination: Selbst in den ruhigen Parts herrscht im Raum andächtige Stille. Stille der eher unangenehmen Art hat auch Gitarrist Mike Gilbert – allerdings in seinem In-Ear-Monitoring-System, das beharrlich seinen Dienst verweigert. So wenig sich der Profi-Musiker dies während der Songs anmerken lässt, sorgt das zwischen den Songs doch für einige Unruhe auf der Bühne. In diesem Kontext wirkt CYNIC-Mastermind Paul Masvidal noch mehr als eh schon wie ein sorgender Vater, stets bemüht, seinen Mitmusikern wie auch den Fans einen angenehmen Abend zu bereiten. Zumindest was zweitere betrifft, gelingt das fraglos: Dem dazwischengerufenen Wunsch „Play three hours!“ kommen CYNIC zwar nicht nach – die gebotene Dreiviertelstunde jedoch ohne jeden Zweifel ein Erlebnis für alle Fans progressiver Klänge und vollendeter Technik am Instrument.

  1. Nunc Fluens
  2. Evolutionary Sleeper
  3. In A Multiverse Where Atoms Sing
  4. Integral Birth
  5. Infinite Shapes
  6. 6th Dimensional Archetype
  7. Textures
  8. Humanoid
  9. The Space For This

Nach diesem Exkurs in eher ruhigere Gefilde geht es mit RIVERS OF NIHIL zurück in den reißenden Strom des Tech-Death: Das bereitet – auch dank des über den ganzen Abend hinweg vorzüglichen Sounds – schon große Freude, solange RIVERS OF NIHIL „nur“ zu viert auf der Bühne stehen. Dass auf der Tour aber neben der Kern-Band auch Live-Musiker Patrick Corona von Cyborg Octopus mit von der Partie ist, bereichert den Auftritt ungemein: Wie oft im Leben hat man schließlich die Gelegenheit zu einem Circlepit zu den Klängen eines Saxophons? Das Münchner Publikum jedenfalls lässt sich diese Chance nicht entgehen – und so tobt während der Show nahezu durchgehend ein munterer Moshpit. Gespielt werden zunächst neun Songs der letzten drei Alben, dazu die Single „Hellbirds“ – doch trotz des insgesamt nicht unanstrengenden Abendprogramms fordern (und bekommen) die Fans noch eine Zugabe. Nach „Clean“ und damit insgesamt 70 Minuten ist dann aber wirklich alles gesagt.

  1. The Sub‐Orbital Blues
  2. The Silent Life
  3. Hellbirds
  4. A Home
  5. The Void From Which No Sound Escapes
  6. Criminals
  7. House Of Light
  8. Death Is Real
  9. Episode
  10. Where Owls Know My Name
  11. Clean

Oft sind vier Bands an einem Abend zu viel – insbesondere, wenn alle aus dem gleichen Genre rekrutiert wurden und so viel Aufmerksamkeit einfordern, wie das bei Progressive/Technical Death Metal der Fall ist. Im heutigen Billing will man jedoch keine der vier Bands missen: Die unterschiedliche Auslegung von „technisch“ und „progrerssiv“ im Stil, vor allem aber das enorme Talent ausnahmslos aller Musiker, die heute auf der Bühne stehen, macht dieses Band-Package von der ersten bis zur letzten Minute zu einem Erlebnis.

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert