Festivalbericht: Ragnarök Festival 2018

06.04.2018 - 07.04.2018 Lichtenfels, Stadthalle

Tiefblau prangt der Himmel über der oberfränkischen Kreisstadt Lichtenfels. Zum ersten Mal in diesem Jahr liegt fast schon sommerliche Wärme in der Luft. In der historischen Altstadt sitzen die Menschen vor den Eisdielen und Cafés. Unter ihnen befinden sich an diesem April-Wochenende ungewöhnlich viele schwarzgewandete Gestalten, teils mit langen Rauschebärten, manchmal mit Trinkhorn am Gürtel: Paganisten und Wikinger-Fans, Neuheiden und Schwarzmetaller, sie alle sind gekommen, um das 15. Jubiläum des Ragnarök Festivals zu feiern, das über die Jahre zu einer festen Größe der deutschen Metal-Szene und einer der wichtigsten Veranstaltungen des Pagan-Genres weltweit avanciert ist.

 

Freitag, 06.04.2018

Die Ehre, die 15. Auflage des Ragnarök Festivals musikalisch zu eröffnen, obliegt WOLVES DEN – eine Aufgabe, die der Gruppe mit Bravour gelingt. Der mit einer großzügigen Portion Epik angehauchte Black Metal, den die Müncher Gruppe um den ehemaligen Equilibrium – Fronter Helge Stang zelebriert, entfaltet nicht nur auf dem etwa zwei Jahre alten Debüt-Album „Deus Vult“, sondern auch auf der Lichtenfelser Bühne eine beeindruckende Wirkung, sodass die Songs des Albums auch live beim zu diesem Zeitpunkt noch überschaubaren Publikum gut ankommen.

Direkt im Anschluss gilt es, anhand von DAWN OF DISEASE eine melodisch, aber brutal gezockte Death-Metal-Keule zu verdauen, deren Verzehr sich allemal lohnt. Nicht nur unterhält die aus Osnabrück angereiste Gruppe die Zuschauer durch witzige Zwischenkommentare und animiert ihr Publikum zum fleißigen Mitgröhlen und Headbangen, auch musikalisch überzeugt die Gruppe bei ihrem Ragnarök-Debüt vollends. Die Setlist bietet neuen Songs vom 2017er-Album „Ascension Gate“ viel Raum, sodass sich Nummern wie „Perimortal“ oder „Leprous Thoughts“ enfalten können, ohne, dass Kenner der Band auf ältere Highlights wie „Knife vs. Flesh“ verzichten müssten. Und was wäre ein DAWN-OF-DISEASE-Auftritt ohne „Ashes“, welches den Gig gebührend beendet, der sich rasch als frühes Highlight des erst begonnenen Festivals herausstellt? [PW]

Bei VANAHEIM bekommt das schon recht zahlreich anwesende Publikum 40 Minuten lang Pagan Metal wie aus dem Lehrbuch geboten: Wikinger-Romantik von der Stange – metselige „Helalalei“-Gesänge und obligatorische Bathory-Gedächtnis-Chöre inklusive. Technisch ist der Gruppe bei aller Austauschbarkeit jedoch kein Vorwurf zu machen. Den Zuschauern, die bereits fleißig die Fäuste gen Hallendecke recken, scheint’s zu gefallen.

 

Anspruchsvoller gehen da NAILED TO OBSCURITY mit ihrem melodischen Death-Doom zu Werke. Dass sich der Andrang vor der Bühne in Grenzen hält, mag daran liegen, dass die Niedersachsen mit ihrem schwer melancholischen, die Konzentration des Zuhörers fordernden Material im diesjährigen Line Up etwas aus dem Rahmen fallen. Der Schwerpunkt des Sets liegt auf dem dritten und aktuellen Album „King Delusion“. Elegisch wabern die Twin-Gitarren-Leads durch die Halle, die cleanen wie auch die gegrowlten Vocals des Fronters Raimund Ennenga, der darüber hinaus durch charismatisches Stage-Acting überzeugt, verleihen Gefühlen der Verzweiflung einen musikalischen Ausdruck.  Bei aller Emotion vergisst die Gruppe jedoch die Technik nicht: Instrumental sitzt auch live alles am richtigen Fleck, sodass die komplexen Kompositionen tight aus den Boxen dringen. Wer im Zelt geblieben ist, ist selbst schuld.

Doch in Schwermut versinken muss auf dem Jubiläums-Ragnarök sicher niemand. Und so steht mit GRIMNER auch gleich die nächste Kapelle mit Gute-Laune-Faktor auf der Bühne. Schon die Optik der Musiker in Fellmode und Kriegsbemalung deutet an, wohin die Reise geht. Bei Amon-Amarth-Riffs in stampfendem Midtempo kommen vor allem die Wikinger-Fans auf ihre Kosten. Ein grimmig dreinblickender, vollbärtiger Flötenmann, der sich offenbar Jethro Tulls Ian Anderson zum Vorbild genommen hat, sorgt für Irish-Folk-Anklänge. Der Party-Pulk pogt und bangt.

Überhaupt nicht kriegerisch, dafür aber umso verträumter präsentieren sich im Anschluss die Schotten von SAOR, die dem verwilderten Wikinger-Look brave Kurzhaarfrisuren und akkurat getrimmten Bärte entgegensetzen. Passend zum Cover des aktuellen Albums „Guardians“ taucht der Lichttechniker die Show in satte Blautöne. Während Andy Marshall als kreativer Kopf des Projekts alle Tonträger im Alleingang einspielt, ist auf Tour eine komplette Band für die Umsetzung des Materials verantwortlich. Fans folkig angehauchten Atmospheric Black Metals mit postrockigen Anklängen wird es freuen, gehört SAOR doch zu den Shooting Stars der Szene – und verkauft sich live keinen Deut schlechter als vor der heimischen Stereoanlage. Im Gegenteil: Außerhalb des Studios wirken die Songs rauer und erdiger, die ihnen innewohnende Epik aber gleichzeitig noch einnehmender. Dabei machen die Musiker auf der Bühne kein großes Theater: Ansagen gibt es kaum, überzogene Rockstar-Posen haben die Glasgower nicht nötig. Allein die gefühlvoll-authentischen Klänge entfalten mit jeder Minute des Auftritts eine hypnotischere Wirkung, sodass große Teile des Publikums am Ende nur noch staunend dastehen, die Augen geschlossen, und genießerisch mit den Köpfen nicken. [NS]

Vorsicht ist geboten, denn mit LEAVES‘ EYES kommen die Wikinger! Und sie bringen nicht nur eine Schar entsprechend gekleideter Statisten, sondern auch eine musikalisch überzeugende Mixtur auf folkiger Feierlaune und anmutiger Epik mit auf die Bühne. Manch einer mag die optische Aufbereitung übertrieben finden, dennoch trägt sie dazu bei, dass der leider zu kurze Auftritt der deutschen Symphonic-Metaller zu einem atmosphärischen Höhepunkt wird. Wer nach einer EP und einem Album immer noch Zweifel an den gesanglichen Fähigkeiten von Neuzugang Elina Siirala hat, sollte spätestens nach dem Erleben dieses Live-Gigs eines Besseren belehrt sein. Gemeinsam mit Band-Urgestein Alexander Krull, der für die Growls verantwortlich zeichnet, zeigt sich die Finnin in Höchstform. Die Setlist ist dabei sehr deutlich auf neues Material der letzten beiden Alben „King Of Kings“ und „Sign Of The Dragonhead“ ausgerichtet, hier wird das Problem deutlich, dass ein 45-Minuten-Slot für eine Gruppe wie Leaves‘ Eyes viel zu knapp bemessen ist. Der Stimmung tut das keinen Abbruch, sodass der Auftritt mit „Blazing Waters“ zu einem fulminanten Abschluss kommt. Das Publikum zollt der Gruppe durch einen kleinen Mosh- und später einen Circle Pit die wohlverdiente Anerkennung.

Eine stattliche Menge an Zuschauern versammelt sich daraufhin vor der Bühne, um dem Auftritt der schwedischen Melodic-Death-Metaller DARK TRANQUILLITY beizuwohnen. Rechtzeitig anwesend zu sein lohnt sich, denn die Urgesteine machen eindrucksvoll klar, dass sie nach wie vor Meister der musikalischen Melancholie sind. Zudem bietet die Gruppe eine Setlist, die die bisherige Karriere umspannt, sodass der geneigte Festivalbesucher weder auf den Titeltrack der aktuellen Platte „Atoma“, noch auf den Allzeit-Hit „Misery’s Crown“ verzichten muss. Welchen Song die Schweden auch darbieten, sie tun es energetisch und voller Spielfreude, sodass der Gig mehr als sehenswert ist.

 

EQUILIBRIUM ist nicht nur in gewisser Hinsicht ein Kontrastprogramm, sondern zweifelsohne auch eines der Events, dem das Festival-Publikum die höchste Erwartungshaltung entgegen bringt: Die Halle füllt sich zusehends, wer zu spät kommt, muss die Show der deutschen Epic-Metaller aus einer der hinteren Reihen mitverfolgen. Dies lohnt sich sowohl aus den vorderen Reihen als auch aus dem Hinteren Teil der Halle oder von den Rängen aus, denn obwohl Equilibrium oftmals mit feiertauglichem Schunkel-Folk assoziiert werden, ist der Auftritt nicht nur eine große Party, sondern auch melancholisch-herzlich. Da der Gig im Zeichen des zweiten Albums „Sagas“ steht, welches sein zehnjähriges Jubiläum feiert, ist die Setlist in weiten Teilen darauf zugeschnitten. So sind es zuvorderst Klassiker wie „Wurzelbert“, „Heimwärts“, „Dämmerung“ oder „Unbesiegt“, die die Band zum Besten gibt und die lediglich unter dem etwas undifferenzierten, verwaschenen Sound leiden müssen. Ganz außen vor lässt die Gruppe neuere Songs jedoch nicht, so dürfen die Zuhörer den „Waldschrein“ betreten, und selbstverständlich bekommen jene, die zum Episch-Sein geboren wurden, ihr Highlight. Apropos: Als absoluter Höhepunkt des rundum tollen Gigs stellt sich der Sagas-Song „Die Weide und der Fluss“ heraus. Für diesen kommt nämlich Ex-Equilibrium-Sänger Helge Stang auf die Bühne und tritt damit zum ersten Mal seit Langem mit seiner alten Band auf. Momentaner Sänger Robse Dahn überlässt Helge respektvoll das Rampenlicht, doch wenn die beiden die letzten Minuten der Nummer gemeinsam intonieren und Helge dann nach herzlichen Umarmungen die Bühne wieder verlässt, sind das eindeutig Momente der Gänsehaut. [PW]

Kaum haben Equilibrium die Bühne verlassen, leert sich die Stadthalle schlagartig. Ausgerechnet für die progressiven Black-Metal-Epen der Szene-Urgesteine von ENSLAVED scheint sich auf dem Jubiläums-Ragnarök zu fortgeschrittener Stunde kaum mehr jemand zu interessieren. Ob die Party-Crowd wohl bei der Vorgängerband zu tief ins Trinkhorn geschaut hat? Doch echte Nordmänner wären keine echten Nordmänner, gäben sie nicht auch für einen kleinen Kreis an Fans alles. Mit „Storm Son“, dem Opener der aktuellen Platte „E“, starten die Norweger postrockig in ihr Set und geben Neu-Keyboarder Håkon Vinje gleich die Gelegenheit, seine Fähigkeiten am Gesangsmikro unter Beweis zu stellen. Leider vermag der anfänglich noch etwas matschige Sound nicht alle Nuancen der technisch anspruchsvollen Nummer optimal darzustellen. Ein Problem, das sich jedoch während „Roots Of The Mountain“ vom RIITIIR-Album legt, sodass spätestens „Vetrarnótt“ druckvoll, dynamisch und transparent aus den Boxen schallt. Gerechnet haben dürfte mit dieser Nummer niemand, der nicht vor der Show im Netz die Setlist der Tour studiert hat. Immerhin handelt es sich dabei um einen noch vergleichsweise ungeschliffenen, elfminütigen Black-Metal-Epos vom Debüt „Vikingligr Veldi“, den besonders Fans der neueren ENSLAVED-Platten womöglich gar nicht mehr auf dem Schirm haben. Die Spielfreude steht der sonst so konzentriert wirkenden Band bei diesem Ausflug in die Vergangenheit förmlich ins Gesicht geschrieben. Angesichts so viel urwüchsiger Energie schallt mit den letzten Tönen des Songs ein inbrünstiges „Geil“ durch die Halle, die sich langsam wieder ein wenig füllt. Zum Glück: Sonst hätten noch mehr Menschen die wohl stärksten Momente des ganzen Festivals verpasst, in denen ENSLAVED sich zunächst mit „Sacred Horse“ gekonnt in psychedelische Höhen emporschraubt, und dann mit dem Klassiker „Isa“ endgültig für gefühlt meterdicke Gänsehaut sorgt. Als gebührender Jubel ausbleibt, verlassen die Musiker sang- und klanglos die Bühne.

 

Da fahren GRAVEWORM, die in Lichtenfels ein eigens zusammengestelltes History-Set spielen, mit ihrem im Vergleich zu Enslaved recht straighten Material schon mehr Zuspruch ein. Das auf Platte zuweilen klebrige Keyboard-Orchester tritt live glücklicherweise etwas in den Hintergrund, sodass sich die Band auf der Bühne bei druckvollem Sound als versierte Schwarzmetall-Combo ausweist. Die Südtiroler bringen es sogar fertig, das Publikum in den frühen Morgenstunden noch einmal zu einem Pit zu motivieren. Mit „Forlorn Hope“ hat sich sogar eine selten gespielte, melancholische Rarität von der 2009er-Platte „Diabolical Figures“ auf die Setlist verirrt. Mit einem etwas windschief dargebotenen, nach eigenen Aussagen spontan einstudierten Cover des Bon-Jovi-Hits „Runaway“ und der obligatorischen R.E.M.-Verbeugung „Losing My Religion“ zieht die Band schließlich einen Schlussstrich unter den ersten Festivaltag. [NS]

 

Samstag, 07.04.2018

Die rumänischen Folk-Metaller BUCOVINA schaffen es, zu verhältnismäßig früher Uhrzeit schon ein stattliches Publikum vor der Ragnarök-Bühne zu versammeln. Dieses kommt auch vollstens auf seine Kosten, denn die anmutige Musik der Gruppe live zu erleben, lohnt sich allemal. Die Band profitiert von einem glasklaren Sound, durch den sich alle Nuancen heraushören lassen und somit weder Folk-Melodien, noch brachiale Riffs zu kurz kommen. Ein besonderes Highlight des Auftrittes ist dabei der Gesang, bei dem sowohl bemerkenswerte Clean-Vocals als auch harsche Growls live zum Besten gegeben werden. [PW]

 

Zu noch recht früher Stunde zaubern die Italiener von ENISUM eines der schwarzmetallischen Highlights des diesjährigen Ragnarök Festivals auf die Bühne. In kaltes Licht getaucht und mit Kerzen vor sich zockt der Vierer atmosphärischen Black Metal der schnelleren Gangart, der so ähnlich auch der Feder von Cascadian-Bands wie Wolves In The Throne Room oder Alda entspringen könnte. Hinzu kommen dezente Emperor-Anleihen, besonders bei den Vocals, und fertig ist eine mitreißende Mischung aus schwelgerischer Melancholie und explosiver Härte – episch, aber ohne große Schnörkel. Positiv fällt besonders das sehr variable Schlagzeugspiel auf, das sich mit seinem äußerst musikalischen Einsatz von Hi-Hat und Becken nicht vor dem von Szenegrößen wie Mgła zu verstecken braucht, die in diesem Bereich Referenzarbeit abliefern. [NS]

 

Ein heftigeres Kontrastprogramm zu Enisum als die darauf folgenden HARPYIE hätte man  kaum finden können, die sodann mit eingängigem Mittelalter-Rock aufwarten. Die Diversität, die das Festival bietet, ist somit in der Theorie kein Grund zur Klage, doch gelingt es der Gruppe nicht, eine sonderlich große Schar an Zuschauern vor der Bühne zu versammeln. Den Anwesenden bietet sich ein möglicherweise nicht auf ewig im Gedächtnis bleibender, aber doch stimmiger Auftritt, der sich nicht nur vom vorausgehenden, sondern auch dem nachfolgenden Programm stark unterscheidet. [PW]

Im eigenen Merchandise treten anschließend nämlich die Progressive-Black-Metaller von IN THE WOODS vor das Publikum. Dass der Frontmann sich mit Brille im Gesicht die Seele aus dem Leib kreischt – schmerzerfüllt verzerrte Miene inklusive – kann man wahlweise super authentisch oder ziemlich lächerlich finden. Jedenfalls passt der Philosophiestudenten-Look hervorragend zum auch ansonsten eher tapsigen Stageacting der Norweger. Immer wieder versuchen die Musiker, ihre Zuschauer zum Mitklatschen zu animieren. So richtig passend ist das in Anbetracht der eher komplexen Klänge allerdings selten. Daran, dass doomeeinflusste Epen wie „Blue Oceans Rise“ oder „Cult Of Shining Stars“ vom aktuellen Album „Pure“ musikalisch über alle Zweifel erhaben sind, ändert das natürlich nichts. Viele Fans hat die Zuhörband des Tages einmal mehr nicht nach Lichtenfels locken können: Die Menge an Zuschauern ist gering. [NS]

Bevor das Publikum nach melancholischem Progressive-Black-Metal zu sehr in Nachdenklichkeit versinkt, bringen die schwedischen Folk-Rocker FEJD mittelalterliche Instrumente und Feierlaune auf die Bühne, was eine beachtliche Menge von Zuschauern anzieht. Diesen gefällt die Darbietung sichtlich, denn obwohl die Gitarre im Sound stark untergraben wird und die Folk-Melodien hörbar im Fokus stehen, werden ordentlich Matten vor der Bühne geschwungen. Sich der guten Stimmung, die die Gruppe angesichts ihrer Spielfreude ausstrahlt, zu entziehen, ist allerdings auch weder einfach, noch dem gelungenen Auftritt angemessen. [PW]

Breitbeinige Rockstar-Posen packen die Finnen von WOLFHEART aus, auf die sich gemessen an der Zuschauerdichte offenbar viele Ragnarök-Besucher einigen können. Verwunderlich ist das nicht, bietet die Band doch eine recht ausgewogene Mischung aus Pagan- und Melodic-Death-Metal mit dicken Keyboards aber auch gelegentlichen Ausbrüchen in Form schwarzmetallischer Blasts. Ein extremmetallisches Malen nach Zahlen quasi. Der Schreiber dieser Zeilen findet das vor allem: aalglatt und wenig ergiebig. Alle anderen scheinen das anders zu sehen, kommen den Aufforderungen des Gitarristen zum Mitgröhlen allzu gerne nach und werfen eifrig die Fäuste in die Luft.

Mit BATUSHKA steht anschließend die Kapelle auf der Running Order, auf die ein großer Teil der Schwarzmetall-Fraktion am sehnsüchtigsten gewartet haben dürfe. Bereits mit ihrem ausgefeilten Debüt „Litourgiya“ hat sich die seit drei Jahren aktive Gruppe eine große Fanschar erspielt. Kaum verwunderlich also, dass sich eine stattliche Anzahl von Besuchern frühzeitig vor dem Gig einen Platz vor der Bühne sichert. Auch in Lichtenfels stellt die Band eine orthodoxe Messe nach, dreht diese aber auf satanisch. Optisch ist das kaum zu überbieten: Bevor es losgeht, nimmt sich der Frontmann, wie alle anderen Bandmitglieder in eine Robe gekleidet und mit verdecktem Gesicht, die Zeit, die vielen Kerzen zu entzünden. Weihrauch wabert dabei durch die Halle. Schließlich legt auch die Band los. Schade nur, dass das eigentlich erstklassige Songwriting im Soundmatsch untergeht. Screams und Gesänge kommen kaum gegen das viel zu laute und viel zu basslastige Schlagzeug an.

Bei den norwegischen Viking-Urgesteinen von EINHERJER dauert es etwas, bis der Funke überspringt. Das mag auch daran liegen, dass das Songmaterial der Gruppe doch etwas komplexer daherkommt als bei vielen Genre-Kollegen. Doch im Verlauf des Auftritts scheinen immer mehr Besucher Gefallen an dem Auftritt zu finden. Verdient haben die Mannen den Zuspruch allemal: Grimar, der bassspielende Frontmann, singt sich ausdrucksstark und charismatisch durch eine abwechslungsreiche Setlist, die sowohl härtere Nummern wie „Ironbound“ genauso beinhaltet wie episches, getragenes Material der Marke „Far Far North“. Zu „Odin Owns Ye All“ steuert einer der beiden Gitarristen rauere Vocals bei, was dem Sound gut zu Gesicht steht. Apropos Gitarristen: Die teils rockige Gitarrenarbeit und die breitbeinig dargebotenen Soli sind es, die von der Show nachhaltig im Gedächtnis bleiben.

Ein echtes Highlight steht mit ROTTING CHRIST ins Haus: Im Gegensatz zur komplexen pseudo-orthodoxen Messe der polnischen Kollegen von Batushka beten die Griechen den Deibel auf eine Weise an, die zum tatkräftigen Mitmachen einlädt. Die ritualistischen – manche würden sagen monotonen – Riffs verfehlen ihre Wirkung nicht: Der proppenvolle Platz vor der Bühne verwandelt sich bereits während der ersten Songs in ein Meer aus Fäusten und Haaren. Kein Wunder, lädt Frontmann Sakis Tolis seine Fans doch immer wieder durch energische Zurufe dazu ein, sich körperlich in die Musik hineinzugeben. Die Lichtshow, die sich hier stark an der Doublebass orientiert, lässt beinahe eine Epilepsie-Warnung notwendig erscheinen. Spätestens beim Überhit „Grandis Spiritus Diavolos“ kennt die Menge kein Halten mehr. [NS]

Wenn der Headliner des Festivals daraufhin die Bühne betritt, beweist die diesjährige Auflage erneut ihren Hang zu wild kontrastierenden Bands. Denn stilistisch weiter von Rotting Christ entfernt könnte man kaum sein als die schottischen Pirate-Metaller ALESTORM, welche mit einer geballten Ladung folkig-melodiösem Party-Metal die Fraktion bedient, die auf spaßiges Feiern aus ist. Mit ihrer neuen Platte „No Grave But The Sea“ im Gepäck feuern die Seemänner neue Breitseiten wie den Titelsong oder „Mexico“ auf das Publikum herab, das jedoch auch mit älteren und unverzichtbaren Klassikern wie „Shipwrecked“, „The Sunk’n Norwegian“ oder „Over The Seas“ versorgt wird. Wer den Auftritt still stehend auf sich wirken lassen möchte, ist fehl am Platz, denn sowohl gemeinsames Rudern im Sitzen als auch das Herumwerfen einer überdimensionalen Gummi-Ente stehen hier auf dem Programm, die Crowdsurfing-Fraktion arbeitet zudem auf Hochtouren. Auch bei ALESTORM stellt sich die kurze Auftritts-Zeit von einer knappen Stunde als Problem heraus, sodass sicher nicht jeder Zuhörer in den Genuss des einen oder anderen unbedingten Wunsch-Songs kommt. Gut gelaunt danach zum nächsten Gig, zum Getränkestand oder nach Hause gehen dürfte aber jeder.

Einmal mehr leert sich die Halle nach dem großen Party-Exzess deutlich. Denn nun steht die grimmige, böse Seite des Schwermetalls mit Wikinger-Thematik auf dem Programm: Die alten Hasen von THYRFING geben sich die Ehre – und zwar mit gehöriger Lautstärke. Die Fans, die zu so später Stunde noch vor der Bühne ausharren, werden mit einem soliden Auftritt voller schwer stampfender Metal-Monolithen belohnt.

Die Jungs von DER WEG EINER FREIHEIT haben schließlich die Ehre, das Jubiläums-Ragnarök zu einem Ende zu bringen. Mit 20 Minuten Verspätung betreten die Musiker die Bühne und sorgen für bittersüße Melancholie in der wieder erstaunlich gut gefüllten Stadthalle. In klinischem, hochpräzisem Sound dringt der meist rasend schnelle Black Metal – fast wie auf Platte – aus den Speakern. Song wie „Repulsion“ oder „Aufbruch“ vom neuen Album „Finisterre“ entfalten so eine brachial-meditative Wirkung. Gerade richtig, um bei geschlossenen Augen die letzten Kraftreserven zu mobilisieren. [NS]

Das Jubiläums-Ragnarök ging reibungslos und gut organisiert über die Bühne. Einmal mehr überzeugten auch der Metal-Markt im Zelt mit viel Merchandise und einer großen Auswahl an Tonträgern sowie der geräumige Campingplatz. Gut 4500 Gäste feierten eine ausgelassene Party. Wobei der Schwerpunkt diesmal tatsächlich fast ein bisschen zu sehr auf der Partymacherei lag: Headliner wie ALESTORM oder EQUILIBRIUM, die ihre Fans zweifellos mit starken Shows bedienten, zeigten sich wenig kompatibel mit ernsthafteren Acts wie den alten Hasen von ENSLAVED, THYRFING oder IN THE WOODS…, die sich mit verhältnismäßig wenig Publikum begnügen mussten. Einen seltsamen Beigeschmack hinterließ auch das eine oder andere eindeutig rechte T-Shirt, das sich eigentlich von der Security aus dem Verkehr gezogen gehört hätte.

Publiziert am von Nico Schwappacher und Pascal Weber

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