Konzertbericht: Pussy Riot presented by Diana Burkot w/ New Age Doom

22.02.2025 München, Rote Sonne

New Age Doom

PUSSY RIOT düften den meisten linksgerichteten Musikkonsumenten spätestens seit dem legendären „Punk-Gebet“ am 21. Februar 2012 in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau ein Begriff sein. Die Aktivistinnen hatten damals gegen die Allianz von Kirche und Staat und gegen Putin demonstriert, der Auftritt wurde nach 41 Sekunden von Sicherheitskräften beendet. Die drei Mitglieder Nadeschda Tolokonnikowa, Marija Aljochina und Jekaterina Samuzewitsch wurden unter anderem wegen „Rowdytums aus religiösem Hass“ mit der Begründung, sie hätten „die soziale Ordnung grob unterwandert“ zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Lediglich Diana Burkot, damals noch Schlagzeugerin der Punk-Band, schaffte es, unerkannt zu entkommen – und ging für ungefähr acht Jahre in den Untergrund. Erst als die Verjährungsfrist abgelaufen war, gab sie ihre Anonymität auf. Und begann unter ihrem bürgerlichen Namen und unmaskiert Musik zu schreiben und Konzerte zu geben.

Das letzte Konzert von Burkots erster Solo-Europatour fand im Club Rote Sonne in München statt. Auf den ersten Blick eine ungewöhnliche Location, handelt es sich bei der Venue doch um eines der Aushängeschilder Münchens in Sachen Techno und elektronischer Musik ganz allgemein. Der post-industrielle Urban-Decay-Charme mit ein bisschen linksgrün-versiffter Berlin-Note hat an diesem Abend aber durchaus etwas für sich, zumal Burkots neues Musikprojekt erst einmal wenig mit Punk zu tun hat: Vielmehr handelt es sich um elektronische (Club-)Musik, irgendwo zwischen Trip-Hop, Dubstep, Hip-Hop, Electro und … ja, Avantgarde, in manchen Momenten Interpreten wie Karin Park oder The Knife nicht unähnlich.

Begleitet wird die 39-jährige Russin von der kanadischen Band NEW AGE DOOM. Das Duo bestehend aus Schlagzeuger sowie Gitarristen/Bassisten in Personalunion präsentiert eine unterhaltsame Mischung aus Drone, Progressive- und Stoner-Rock, verfeinert mit ein bisschen weirder Elektronik und Sprachsamples unter anderem vom 2021 verstorbenen Dub-Reggae-Pioneer Lee „Scratch“ Perry, mit dem die beiden Musiker vor einigen Jahren zusammengearbeitet haben. Das Konzert fängt aufgrund technischer Schwierigkeiten mit dem Monitormix ungefähr 30 Minuten später an als geplant, was vom Publikum aber geduldig hingenommen wird. Apropos Publikum: Selten hat man so eine gemischte Zuhörerschaft auf einem Konzert erlebt. Vom Death-Metaller mit Kutte bis zum linksautonomen Hipster ist so ziemlich jeder Archetyp vertreten, den die Münchner Subkultur zu bieten hat. Und die wenigsten wussten im Vorfeld, was sie musikalisch erwartet. Umso erfreulicher, dass NEW AGE DOOM ihren rund 45-minütigen Gig unter tosendem Applaus beenden dürfen.

Diana Burkot

Als dann gegen 22 Uhr Diana Burkot die Bühne betritt, ist die Menge entsprechend gespannt, was die Russin musikalisch darbieten wird. Lediglich bewaffnet mit Mikrofon und Laptop präsentiert sie ihr durchaus spannendes und stilistisch vielfältige Set, welches in jedem Moment tanzbar und groovy daherkommt. Mit Metal hat das Ganze prinzipbedingt gar nichts zu tun, wird aber vom Publikum sehr wohlwollend aufgenommen. Großflächige Visuals, die Steckbriefe diverser russischer Aktivist*innen, oftmals der LGBTQ-Community angehörig, zeigen, untermalen die intensive musikalische Performance visuell. Man darf gespannt sein, ob Burkot die Songs in absehbarer Zeit in irgendeiner Form veröffentlichen wird, denn ein Album oder ähnliches gibt es (noch) nicht.

Nach rund zwei Dritteln des Sets wird die sympathische und charismatische Russin sehr sentimental: In einer mehrminütigen Ansprache mit Blick auf die am nächsten Tag stattfindenden Bundestagswahl ruft sie zur unbedingten Wahl demokratischer Parteien auf und endet unter tosendem Applaus mit „Don’t fuck it up like we did in Russia“.

Diana Burkot

Zum letzten Drittel des Konzerts kommen dann die Musiker von NEW AGE DOOM auf die Bühne – und machen Burkots letzte vier Songs zu einem Lehrstück in Sachen Hardcore-Punk, das bezüglich seiner Energie zum Beispiel einem Terror-Konzert in Nichts nachsteht. Beeindruckend und irgendwie unerwartet. Und einen mehr als beachtlichen Mosh- beziehungsweise Circle-Pit in einem runtergerockten Techno-Club in München – das sieht man auch nicht alle Tage.

Unterm Strich ein tolles Projekt und Konzert, was Diana Burkot unter dem Label PUSSY RIOT gemeinsam mit den beiden Kanadiern von NEW AGE DOOM auf die Beine gestellt hat – und für rund 20 Euro für heutige Verhältnisse auch noch ausgesprochen preiswert. Es bleibt zu hoffen, dass Burkot auf ihrem weiteren Weg die Aufmerksamkeit zuteilwird, die sie und ihre nach wie vor politische Message verdienen. Dass das Ganze dann auch noch musikalisch vielfältig ist und Substanz hat, ist umso schöner.

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