Konzertbericht: Powerwolf w/ Xandria, Orden Ogan

03.10.2015 Große Freiheit 36, Hamburg

Ungewöhnlich früh am Tag der deutschen Einheit läd die Große Freiheit 36, ein Ort mit beträchtlicher Konzertgeschichte auf dem Hamburger Kiez, zum gemeinsamen zelebrieren der „Wolfsnächte Tour 2015“: Das Aufwärmen übernehmen XANDRIA und nachgelegt wird von ORDEN OGAN, auf die der Hauptact POWERWOLF folgt.

IMG_7456Während sich die scheinbar unendliche Schlange aus Metalheads langsam in die Große Freiheit 36 bewegt, starten XANDRIA ärgerlicherweise schon vor dem offiziellen Beginn: Symphonic Metal gewürzt mit einer ernstzunehmenden Prise Power Metal. Vor einem riesigen Phönix und umgeben von Abbildungen zahlreicher Flammen und mittelalterlichen Gemäuern wird voller Pathos etwas auf die Bühne gebracht, das seit Jahrzehnten versucht, sich aus dem Schatten der lästigen, aber berechtigten Nightwish-Vergleiche freizuspielen. Sängerin Dianne von Giersberg trägt operettenhaft geträllerte Songs vor wie „Voyage of the Fallen“ und „Valentine“. Dabei erscheint die niederländische Sängerin allerdings weniger wie die Frontfrau einer Metalband als wie eine Wrestling-Diva: Sie wirkt mehr verkleidet als stilvoll, schüttelt die gehörnte Hand ungelenk wie eine Rassel neben dem Kopf und passt in ihrer Art, mit dem Publikum zu sprechen, eher in eine Fernsehsendung mit Helene Fischer. Passend dazu spielen XANDRIA neben dem nicht uninteressanten Symphonic Metal zwischendurch Abschnitte, die der Komplexität eines RTL2-Anrufer-Quiz entsprechen: „Was spielen XANDRIA? a. 4/4-Takt. b. Kartoffel.“ Wer, wie der motiviert „Hey!“ schreiende Saal, sich nicht dadurch abschrecken lässt, findet auf dem aktuellen Album „Sacrificium“ Nachschub für das sopranhungrige Symphonic-Power-Metal-Ohr.

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Mit ORDEN OGAN betreten dann vier archaisch oder postapokalyptisch anmutende Krieger die Bühne. Ihre vergleichsweise unaufgeregten, langen, aber nicht langweiligen Power-Metal-Songs bedienen sich einiger Folk-Elemente, die allerdings vom Band eingespielt werden müssen. In ihrer Kluft und vor einem düsteren Fantasy-Hintergrund strahlen sie Authentizität aus, als würden sie in einer riesigen Taverne von ihren tragischen Heldentaten berichten.IMG_7487Die beinahe vollkommen hipsterfreie Menge aus Kutten, langen Haaren und Metalshirts hört begeistert zu und wirft ihre „Fists of Fate“ zu „To the End“ in die warme Saalluft. Für „The Things We Believe In“ wird eifrig das Mitgrölen geübt: „And so we are …“ „… cold, dead and gone!“ Am lautesten erklingt jedoch der Kampfschrei für „die Wölfe“, den Mainact des Abends, Powerwolf. Im Kontrast dazu gelingt es der Technik leider nicht, den Gesangspart von Bassist „Spoony“ auf hörbare Lautstärke zu bringen. Abgesehen davon liefern ORDEN OGAN, die ihr neustes Album „Ravenhead“ im Gepäck haben, ein solides Power Metal-Konzert mit einer kleinen Portion düsteren Folk-Feelings ab.

IMG_7725Die Bühne wird mit einem riesigen, schwarzen Vorhang abgehängt, der in rotem Licht schimmert, bevor er zu den Klängen von „Blessed & Possessed“ fällt und die Bühne für POWERWOLF freigibt. Am Mikro von Sänger Attila Dorn glitzert ein Kreuz, zwei große, geschnitzte Drachen-Vogel-Figuren ragen auf und verbergen die Tasteninstrumente von Organist Falk Maria Schlegel, die schwarzweißen Gesichter der Band werden sichtbar und die Haare der Saiteninstrumentalisten beginnen über den Windmaschinen zu fliegen. Schon nach dem ersten Song, der dem aktuellen Album seinen Titel gibt, erklingt ein frenetischer Applaus, von dem die meisten Bands nur träumen können. Die ausverkaufte Halle wird auch auf der „Wolfsnächte Tour 2015“ wieder zur „einzig wahren Heavy-Metal-Messe“.
Doch auch wenn die Texte und das geradezu pausenlose „Ave Maria!“, „Halleluja!“ und „Amen!“ den Eindruck machen, sind POWERWOLF keine tatsächlich religiöse Band im theistischen Sinne. Ihre Religion ist der Heavy Metal, unter dem sie ihren sakralen Power Metal verallgemeinern. Im Namen des Heavy Metal wird die „Army of the Night“ rekrutiert und „In the Name of God“ in die heilige Schlacht gezogen: „Amen & Attack“! Wer noch immer nicht davon überzeugt ist, dass POWERWOLF sich nicht allzu ernst nehmen, erfährt dies in der Geschichte vom Wespenstich im Penis, die zu „Resurrection by Erection“ gehört, oder dem exzessiven Gezappel bei der Frage, ob die Fans besessen wären – was hier als eindeutig wünschenswerter Zustand gehandelt wird.

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Das Konzert zeigt, dass auch das neueste Album „Blessed & Possessed“ von den Fans mit Liebe angenommen wird. Ob gemeinsam gesungen wird oder Falk und Attila den Raum teilen, um die Fans im Wettkampf gegeneinander brüllen zu lassen, die Stimmung ist bestens und die Band bemerkenswert amüsant: Ein POWERWOLF-Konzert ist nicht nur eine Musik-Präsentation, sondern vielmehr eine Rundum-Unterhaltungs-Show. Nach drei Zugaben von „Sanctified With Dynamite“ über „Kreuzfeuer“ bis „All We Need Is Blood“ stimmen noch immer hunderte Metalheads mit emporgestreckten Teufelshörnern mit ein – „Halleluja!“ –, bevor sie das Konzert verlassen mit Attilas Worten im Ohr: „Was wir wollen, ist, dass ihr rausgeht und für den Heavy Metal predigt!“ Amen!

Ein Abend im Zeichen des Power Metals. Den symphonischen Einstieg machen XANDRIA im Dauersopran und mit irgendwie ungereimter Bühnenpräsenz, doch die Menge ist gut gelaunt. Wie die Wikinger stürmen dann ORDEN OGAN die Bühne und bringen die Menge mit leichtem Folk-Anklang zum Mitgrölen. Unübertroffen feiern dann POWERWOLF ihre Heavy-Metal-Messe mit dem vollauf begeisterten und ausverkauften Saal. Hier lässt sich erkennen, dass Fan und Fanatismus nicht weit auseinanderliegen: Wie gut nur, dass diese Religion keinen Kodex hat – außer lautstarkes Mitsingen!

Publiziert am von Jan Termath

Fotos von: Jan Termath

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