Die Legende besagt, dass rund 20 Lenze ins Land gezogen sind, seit die POPES OF PAGANISM ihr letztes Konzert gespielt haben, um danach von heute auf morgen spurlos in der Versenkungen zu verschwinden. Trübe Erinnerungen der letzten verbliebenen Zeitzeugen berichten von einem Album namens „Danzig“, doch spätestens in den letzten Jahren gehen die Geschichten zu den Werdegängen der einzelnen Bandmitglieder auseinander. Im Rahmen des Musica Antiqua Viva 2018 geschah es im Spectaculum Mundi, dass eben jene Urväter des Paganismus ihre irdische Niederkunft erneut zelebrierten und dabei die Gestalten von einigen bekannten Gesichtern annahmen.
Rund 100 Jünger haben sich versammelt, um den Päpsten des Paganismus, den Shamanen den Shanti-Folks im Rahmen der freitäglichen Audienz zu huldigen. Nur ein heiliger Kirchensonntag zur besten Sendezeit um 10 Uhr morgens hätte den Rahmen noch toppen können. Doch bevor die Päpste nach 2,5 Inchtabokatables-Zyklen (= 20 Jahre) die Bühne betreten, geben die Lokalmatadoren von FAUN ein kurzes Gastspiel an eben jener Örtlichkeit, wo sie ebenfalls rund zwei Dekaden ihre ersten Konzerte spielten. Zur Feier des Tages zelebrieren die sechs Musiker ihren Hit „Rosmarin“ in einer extralangen Neu-Version mit ausgebautem Instrumental-Teil, nur um anschließend sofort wieder die Bühne für die Umpause vor dem Hauptact zu räumen. Böse Zungen sprechen von einem der besten und vor allem kurzweiligsten Auftritte von FAUN in der jüngeren Vergangenheit.
Elendig lange Minuten ziehen ins Land, ehe das Spectaculum Mundi verdunkelt wird und ein Mann durch die Menge schreitet, der frappierende Ähnlichkeit mit einer der bekanntesten Personen des Christentums besitzt. Der Jesus-Verschnitt betritt die Bühne und leitet in einem Monolog melodramatisch das anstehende Konzert ein. Kurz darauf betreten die POPES OF PAGANISM mit ihren selbstgebastelten Mitras die Bühne und beginnen ihr Gastspiel, welches schnell gewisse optische und auch akustische Ähnlichkeiten zum Support-Act aufweist. Für die Spaßbremsen unter den Gästen verbirgt sich hinter dem Pseudonym schlicht ein „Secret-Gig“ von FAUN, so wie ihn beispielsweise auch Die Ärzte (als Laternen Joe) oder In Extremo (als Unbefleckt) bereits gespielt haben. Das tut der Stimmung allerdings keinen Abbruch, denn einige FAUN-Hits wie „Walpurgisnacht“ oder „Blaue Stunde“ bekommen ein lyrisches Makeover verpasst, wenngleich nicht jede der neuen Textbotschaften über die Lautsprecher beim Publikum ankommt. Auch die anfänglichen Versuche von Oliver Sa Tyr, den Bandnamen in verwandte Wörter wie Flaum zu verwursten, sind eher bemüht als witzig.
Völlig für sich spricht dafür die Darbietung von „Mayenzeit auf Hawayy“ mit Stephan Groth aka MC Hawayy am Mikrofon und den beiden Damen Laura und Fiona in Baströckchen gekleidet. Dieses vermutlich einmalige Schauspiel, verbunden mit verschiedenen Insider-Plakaten im Publikum wie „Liebe im Wald“ oder „Für Lembas“, sorgt für das erste stimmungstechnische Ausrufezeichen. Zu „allerley“ Klamauk packen FAUN auch einige Live-Beinahepremieren wie das im Game-of-Thrones-Universum angesiedelte „Feuer“ von „XV – Best Of“, welches sehr auf die Qualitäten von Neu-Sängerin Laura zugeschnitten ist. Einige ältere Stücke wie „Wind und Geige“ bekommen ebenso ein Make-Over verpasst und auch ohne Einar Selvik gelingt „Odin“ auf der kleinen Club-Bühne an diesem Abend außerordentlich gut. So wird der Auftritt im kleinen Rahmen gleichzeitig auch eine Art Feuerprobe für die große Jubiläumstour im Herbst.
Das große Highlight heben sich die POPES OF PAGANISM bis zum Schluss auf: In einer Zugabe der ganz besonderen Art überführen Niel Mitra und Rüdiger Maul zusammen mit Ernst Horn von Deine Lakaien am Keyboard das wohl meistkritisierte FAUN-Stück aller Zeiten, „Tanz mit mir“, in eine Art schamanisches Exorzismus-Ritual, das für eine grölende Menge sorgt und als wunderbares selbstironisches Statement der Band über ihre eigene Vergangenheit in die Geschichte eingeht.
Kein Zweifel, die POPES OF PAGANISM bzw. FAUN fühlen sich eher im Neo-Pagan-Folk als bei Carmen Nebel verwurzelt. Was die Live-Auftritte der letzten Jahre oder auch mancher Remix wie der von „Walpurgisnacht“ bereits nahelegen, dürfte sich alsbald auch wieder auf den CDs widerspiegeln. FAUN wollen ganz offensichtlich weiter zurück zu ihren Anfängen und weg vom Gute-Laune-Schlager, powered by Santiano. Die Show unter anderem Namen trägt am Ende sehr zur Glaubwürdigkeit dieses Unterfangens bei und könnte auch manch verprellten Fan zurückgewinnen. Wenn sich dafür die POPES OF PAGANISM als Support von FAUN auf der kommenden Tour die Ehre gäben, trüge das sicherlich auch zum weiteren Erfolg bei. Welch Potential hinter der Kombi steckt, offenbarte dieser Abend.
Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von: Janina Stein