Festivalbericht: Party.San Metal Open Air 2022 – Teil 2

11.08.2022 - 13.08.2022 Flugplatz Obermehler-Schlotheim

Samstag, 13.08.2022

An der Tradition, den letzten Party.San-Tag früh zu eröffnen, hat sich auch nach zwei Jahren Pandemie-Pause nichts geändert. Diese Aufgabe kommt 2022 am Vormittag um 10 Uhr den Leipzigern von CAROOZER zu, die trotz der frühen Stunde eine beeindruckende Energie an den Tag legen. Das lässt sich ebenso von den Thüringern MOTOROWL sagen, die in etwa so klingen, wie man sich den gemeinsamen Sohn von Pink Floyd und Black Sabbath auf Steroiden vorstellen würde – und das im allerbesten Sinne. Auch wenn das Zelt gerade zu Beginn des Gigs eher schütter besetzt ist, performen die Musiker wie die ganz Großen. Alle Posen sitzen. Ihr selbst auferlegtes Label „Power Quintet“ nehmen die Musiker in jedem Fall ernst. Die doomigen Riffs durchstampfen den Festival-Morgen heavy wie die Hölle, machen hier und da aber auch geschmackvoll bluesigen Licks Platz. Die teils verschachtelten rhythmischen Strukturen, die unverschämt guten Gesangslinien und charmanten Retro-Synthie-Sounds setzen dem noch die Krone auf. Ein makelloser Start in den Tag, der sich selbst dann noch genießen lässt, wenn Hitze, Alkohol, Schlafmangel und langes Stehen schon ihren Tribut zollen. [NS]

Logo der Band Slaughterday

„Today is the day – SLAUGHTERDAY!”, lautet die Ansage, zu der die niedersächsischen Death-Metaller auf die Bühne kommen, um den heutigen Main-Stage-Tag in der um 12:00 Uhr schon erbarmungslos knallenden Sonne zu eröffnen. Nicht minder erbarmungslos ist der Old-School-Sound, den das Live-Quintett über das für die Tageszeit schon relativ gut besuchte Infield schallen lässt. So hart SLAUGHTERDAY im Stil sein mögen, so herzlich und ursympathisch zeigt sich Sänger Bernd Reiners in den Ansagen, der seine Dankbarkeit für die Einladung ausdrückt („Es ist eine Ehre, hier zu sein!“) und den neuen Drummer Tom Hoffmann vorstellt, der seinen ersten Live-Auftritt mit der Combo gleich in einem so verhältnismäßig großen Setting bestreitet.

Tief, tiefer – die Growls von Mirko Dreier. Wer auf schnörkellosen Auf-die-Fresse-Todesmetall steht, braucht sich nach der Show von SLAUGHTERDAY nicht allzu weit von der Main Stage wegzubewegen, denn als Nächstes stehen die deutschen Szene-Veteranen PURGATORY auf dem Programm. Die Combo wurde ursprünglich als Reaktion auf die (schlussendlich wieder zurückgezogene) Absage von 1914 gebucht und steht nun tatsächlich zum fünften Mal auf den Party.San-Brettern. Ob dieses Jubiläum der Grund ist, warum schon zu so früher Stunde überraschend die Flammen für die Bühnenshow zum Einsatz kommen? Das Publikumsinteresse an der Band wächst jedenfalls, die mit dem im April erschienenen Album „Apotheosis Of Anti Light“ im Gepäck einen routinierten Gig zockt. [MF]

PANZERFAUST live auf dem Party.San 2022

Die erste Assoziation, die einem zum Auftritt von PANZERFAUST in den Sinn kommt, lautet: Walze! Die Ausstrahlung der Musiker, die zum Klang einer Luftschutzsirene die Bühne entern, ist dabei so breitbeinig, aggressiv und feindlich wie die Kunst, die sie hervorzubringen verstehen. Besonders für den Kniff, den unter dem Pseudonym Goliath agierenden Growl-Vokalisten weite Teile des Auftritts erhöht hinter dem Drumriser, in schwarze Kutte und schwarze, mehrgesichtige Maske gehüllt als Personifizierung von Tod und Schrecken absolvieren zu lassen, kann man der Gruppe nur gratulieren – verhilft er der Show doch zu einem Element des Mysteriösen. Die restlichen Musiker präsentieren sich, wie schon 1914 tags zuvor, im Dreck-Look, posieren mit Fuß auf dem Monitor und spielen ihre Gitarren mit Vorliebe vertikal. Besonderes Schmankerl: „Promethean Fire“ von „The Suns Of Perdition – Chapter II: Render Unto Eden“, in dem der Wechselgesang zwischen Goliath und dem screamenden Gitarristen Brock Van Dijk besonders gut zur Geltung kommt. Eindrucksvoll.

Dagegen wirkt der Auftritt von NUNSLAUGHTER regelrecht altbacken und generisch. Sicher: Die deutlich verjüngte Mannschaft um Underground-Death-Urgestein Don of the Dead hat hörbar Bock, groovt stellenweise ordentlich und der Killernieten-Armband-Overload auf der Bühne sowie klischeetriefende Songtitel wie „Satanic Slut“ sind zumindest kultig-charmant. Doch im Vergleich dazu, was andere Gruppen auf dieser Bühne abzuliefern haben, geht die Show leider ein wenig unter. Entsprechend verhalten fallen die Publikumsreaktionen insgesamt aus. [NS]

Die Hauptbühne an allen drei Tagen von Spaßbands eröffnen zu lassen, war den Veranstaltern dann wohl doch zu viel, daher müssen BÖSEDEATH und ihre Fans heute mit der Tent Stage vorliebnehmen. Dass das Zelt zur Nachmittagszeit längst einer Sauna gleicht, scheint Sänger Böse Dän, der den Auftritt in einem Dying-Fetus-Longsleeve bestreitet, ebenso egal zu sein wie den Besuchern, die die Show in beträchtlicher Anzahl und natürlich mit allerlei aufblasbaren Gadgets in eine ausgelassene Circlepit-Party verwandeln. Die Brutal-Death-Combo aus Darmstadt (Wortspiel hier einfügen) feuert Nummern wie „Southern Fried Homicide“ oder „Cantona Facekick Festival“ („Für das Bedürfnis, irgendjemandem in die Fresse zu treten – zum Beispiel jedem Fascho!“) in die feiernde Menge ab und beschließt ihren Gig mit „dem letzten Dreck vom letzten Album“. Dass BÖSEDEATH alles andere als ebenjenes „One Shit Wonder“ sind, zeigen hingegen die zufrieden grinsenden Gesichter, die nach der Show an die heiße, aber frische Luft schlendern. [MF]

Auf der Main Stage folgt der im Vergleich zu NUNSLAUGHTER deutlich interessantere Act: SAOR – und damit maximales Kontrastprogramm. Wer es puristisch mag, dürfte angesichts dieser folkigen Melodie-Wundertüte eilends die Flucht ergreifen. Er – oder sie – verpasst dann allerdings eine im wahrsten Sinne des Wortes sagenhafte Liveband. Zudem gewinnt dieser erste Träumer-Act des Tages auf der Bühne deutlich an Punch. Dass Synthesizer, Ambient-Sounds (etwa Feuerknistern) und Folk-Instrumente (etwa Bagpipes) vom Band kommen, ist zwar einer Erwähnung würdig und dürfte manchem sauer aufstoßen, stört aber eigentlich nicht weiter, was nur für Professionalität spricht. Optisch kommen die Musiker in ihren einfachen schwarzen Shirts und Hosen unspektakulär daher, werden dadurch aber erst recht zu Projektionsflächen für die cineastischen schottischen Landschaften, die die über weite Strecken instrumental dargebotene Musik evoziert.

LUNAR SHADOW sieht man heute zum wohl letzten Mal auf einer Bühne. Die Gruppe um den Leipziger Gitarrist Max Birbaum hatte sich spätestens mit ihrem Full-Length-Debüt „Far From Light“ (2017) einen guten Ruf in Epic-Metal-Kreisen erworben, was nicht zuletzt der Vertrag mit der italienischen Traditionsmetall-Qualitätsschmiede Cruz Del Sur unter Beweis stellt. Mit den beiden Nachfolgewerken folgte dann die Weiterentwicklung hin zu Post-Punk-Elementen und sogar Spuren von Black Metal in der Instrumentierung. Zumindest live soll damit nun Schluss sein, denn Birbaum möchte sich eigenem Bekunden nach auf sein neues Projekt Drennan Whyte – poppig, punkig, wave-rockig – konzentrieren. Alle Facetten von LUNAR SHADOW deckt die Farewell-Setlist auf dem Party.San ab, geht mit „When The Last Grave Has Opened“ und „Triumphator“ sogar zurück bis zur ersten EP. Angesichts der Leistung, die die Gruppe hier abruft, ist das vorzeitige Abtreten von den Brettern, die die Welt bedeuten, höchst schade. Zu erwarten war das nicht unbedingt, waren die Live-Gigs der Band doch bisher leider manchmal eher durchwachsen. Nun präsentiert sich die Gruppe jedoch als bestens aufeinander eingespielte Einheit, die ihr Material mit gleichermaßen Power und Präzision darbietet – mit einem stimmgewaltigen, souverän auftretenden Robert Röttig als Vokalist an vorderster Front. So verwundert es nicht, dass sich der Raum vor der Zeltbühne – manch Party.San-Gänger dürfte die Gruppe angesichts ihres Genre-Außenseiter-Status nicht gekannt haben – im Verlauf des Auftritts immer weiter füllt. Spätestens mit dem höchst eingängen Underground-Hit „Roses“ (von „The Smokeless Fires“ – 2019) haben LUNAR SHADOW das Publikum in der Hand. „Das war absolut geil!“, sagt eine Frau neben dem Verfasser dieser Zeilen, als die letzten Töne verklungen sind. Man kann ihr nur beipflichten. Dann mal alles Gute weiterhin, Herr Birbaum und Co.! [NS]

FLESHCRAWL live auf dem Party.San 2022

Nach dem traurigen Krebstod von Sänger Sven Groß im vergangenen Jahr stehen bei FLESHCRAWL die Zeichen auf Gedenken – aber keinem stillen. Mit zwei Porträt-Bannern („Svenson Gross – Gone But Never Forgotten“) und neuem Frontmann Borisz Sarafutgyinov halten die deutschen Szene-Veteranen die Death-Metal-Fahne oben und die Erinnerung an Groß lebendig. Mag es an der Hitze, die sich auch von der zwischenzeitlichen Bewölkung nicht beeindrucken lässt, oder dem doch traurigen Hintergrund des Auftritts liegen – FLESHCRAWL spielen ihr Programm vor recht lichten Reihen ab.

Immer noch Death Metal, aber mit stärkerem Akzent auf Doublebass-Midtempo mit Tremolo-Picking und doomigen Parts im Stil von Asphyx bieten im Anschluss die Bielefelder von SCALPTURE auf der Tent Stage. Hingucker ist neben dem sehr true auftretenden Sänger Thorsten (lange Haare, Sleeveless-Shirt und Patronengürtel) und dem Bassisten Niklas mit seinem rotbraunen, hölzernen Tieftöner und dem 70er-Jahre-Pornobalken auch ein durch die Luft fliegendes aufgeblasenes Kondom – wohl ein Überbleibsel der BÖSEDEATH-Show? Bei all dem brachialen Sound und der militaristischen Ästhetik geben sich SCALPTURE jedoch auch differenziert: Den Track „To End All Wars“ kündigt der Frontmann mit einer Ansage an, in der er den aktuellen Krieg in Europa verurteilt und betont, „wie unfassbar cool das ist, dass wir hier friedlich eskalieren können“. Von einer Zuschauerin wird das direkt mit einem werner-beinhartesken „Jaaa, jaaa“ quittiert. Aber auch Menschen, die ein paar Tage lang nichts von der aktuellen Weltlage, sondern nur stumpf ihre Lieblingsmusik hören wollen, soll es hier ja geben. [MF]

Auf der Main Stage prangt nun eine hölzerne Algiz-Rune am Mikroständer, der Frontmann hat die blonde Mähne zu einem Zopf zusammengebunden – untrügliche Zeichen dafür, dass nun der Viking-Act des Tages ansteht. Der kommt diesmal in Form der Schweden von MÅNEGARMdie bei aller Schunkelseligkeit, die in mancher Lead-Gitarren-Melodie durchschimmert, stets rau genug aufspielen, um selbst auf dem Party.San nicht allzu sehr aus dem Rahmen zu fallen. Während das Publikum den routiniert gezockten Gig, von vereinzelten Tanzbewegungen abgesehen, zunächst nur interessiert zur Kenntnis nimmt, bekommt die Gruppe spätestens im partytauglichen „Odin Owns Ye All“ das „Movement“, das sie per Ansage einfordert, und in Bühnennähe wird tatsächlich ein wenig gepogt. [NS]

BLOOD INCANTATION live auf dem Party.San 2022

Mit BLOOD INCANTATION aus Denver, Colorado erobert nach MÅNEGARM der Death Metal die Hauptbühne wieder zurück. Zwar nicht an Sänger Paul Riedls tiefen Growls, wohl aber an Gitarrenform und -haltung lässt sich sehr gut erkennen, welche Größe des Florida Death Metal er verehrt, während der Leadgitarrensound ebenso an Deaths Chuck Schuldiner erinnert. Den sperrigen, vertrackten Todesstahl, den das Quartett mit Atempausen in Form von sphärischen oder akustischen Interludes auflockert, mag man von einigen anderen Bands schon kennen; beim Party.San-Publikum kommt er dennoch gut an und profitiert trotz Helligkeit von der gelungenen Lightshow, die den Gig untermalt. [MF]

Der Gig von EIS profitiert eindeutig von der etwas intimeren Atmosphäre der Zeltbühne. Draußen hätten emotional dichten Songs der deutschen Szene-Größe wahrscheinlich nicht ihre volle Wirkung entfaltet. Hier aber, steht dem bei tollem Sound und stimmiger Lichtshow nichts entgegen. Kein Wunder, dass das Zelt beinahe aus allen Nähten platzt, hat die Gruppe doch hörbar Bock; auch die Setlist hat sich gewaschen und lädt bei atmosphärisch dichten Nummern wie „Durch lichtlose Tiefen“, „Mann aus Stein“ mit seinen markanten Drum-Akzenten sowie „Stillstand und Heimkehr“ zum inneren Versinken ein. [NS]

IMPALED NAZARENE live auf dem Party.San 2022

Die blast- und doublebasslastige Mucke, die IMPALED NAZARENE zur Prime-Time aufs Infield ballern, steht in starkem Kontrast zu dem einseitigen Daumenkino, das die Finnen auf der Main Stage bieten. Weniger Bühnenpräsenz und Stage-Acting auf diesem Festival hat wohl nur die Crew bei der Umbaupause gezeigt. Dementsprechend springt hier auch kaum ein Funke aufs Publikum über: Abgesehen von der Handvoll Die-hard-Fans direkt vor der Bühne gehen dann und wann einige wenige Arme nach oben, ein paar Zuschauer laufen im Schritttempo im Kreis – ein fast schon apathischer Anblick. Womöglich stecken zu vielen Leuten drei Tage Hitze, Suff und Schlafmangel in den Knochen, womöglich warten viele der Anwesenden nur auf die folgenden DARK FUNERAL … womöglich spielen IMPALED NAZARENE aber auch einfach einen langweiligen Gig. In die Bandgeschichte wird diese Show der Black-Metaller jedenfalls nicht eingehen. [MF]

Das sieht im Anschluss anders aus, denn auf der Zeltbühne halten zu Geigerzähler-Samples CYTOTOXIN Einzug. Die Chemnitzer legen los, als gäbe es kein Morgen und beschießen das rappelvolle Zelt mit ihrem „Chernobyl Death Metal“. Dieser besteht aus High-Speed-Blasts, donnernden Riffs, brutalen Breakdowns und dem Growls und Squeals von Fronter Grimo. Das Publikum vor der Bühne nimmt die Steilvorlage zur Eskalation dankend an und ergeht sich in ausgiebigen Circle Pits (von der Bühne durch ein hochgehaltenes Kreisverkehrsschild angezeigt) und sogar einer Wall of Death. So wird der erste Auftritt von CYTOTOXIN auf dem Party.San zu einem – nicht nur für die Band – denkwürdigen und sicher nicht zum letzten seiner Art. [CE]

DARK FUNERAL live auf dem Party.San 2022

Mit DARK FUNERAL folgt akkurat durchgestyltes Hyperblast-Black-Metal-Theater samt Kostümen, wie aus den dunkelsten Ecken eines Rollenspieler-Fundus zusammengeklaut. Für viele Party.San-Besucher dürfte es sich um eine Nostalgie-Show handeln, sind die Schweden doch eine typische Genre-Einsteiger-Band. Die Setlist legt den Fokus zwar leicht auf das Material neueren Datums, lässt allerdings kein Kapitel der Bandgeschichte außer Acht – und so kommen auch jene auf ihre Kosten, bei denen die Frühwerke einen besonderen Stein im Brett haben. Dazu bekommt die Menge einen regelrechten Pyro-Overload zu sehen. Auch dramatisches Wummern und Kettenklirren vom Band ist hier inklusive. „You’re fucking incredible“, ruft Frontkreischer Heljamadr – und man kommt nicht umhin, von seinem Charisma zumindest ein wenig in den Bann geschlagen zu werden. Ein unterhaltsames Stück Entertainment, das die Gruppe da auf die Bühne bringt – aber keinesfalls mehr. Denn unterm Strich ist das alles zu perfekt, zu choreographiert, zu kalkuliert, um der dem Genre immanenten Wildheit gerecht zu werden. Andere Bands wie – sagen wir – SAOR versuchen das gar nicht erst. Und das geht auch völlig in Ordnung. Bei DARK FUNERAL jedoch wird man als geneigter Black-Metal-Fan das Gefühl nicht los, ein Abziehbild aufs Auge gedrückt zu bekommen.

Während draußen noch die Lichter im Blastbeat zittern, geht es drinnen nun gemächlich – nein, regelrecht schleppend und depressiv zur Sache: SHAPE OF DESPAIR schicken sich an, das Party.San mit finnischer Traurigkeit zu überziehen. Das Interesse ist groß an dieser betrüblichen Schwelgerei. Das verwundert wenig, passt der blutrote Mond, der gefühlt riesengroß über dem Festivalgelände hängt und von der Seite in das Zelt lugt, als wäre es Magie, in Verbindung mit den nach fast drei Tagen Festival bleischweren Gliedern doch ausgezeichnet zu dieser Musik, die sich am besten mit drei Adjektiven beschreiben lässt: langsam, laut und gotisch. Der weibliche Gesang liefert ein schöngeistiges Element, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Die Konturen der Musiker plus Musikerin verschwimmen ebenso im Nebel, wie es die Songstrukturen tun. Dass der Auftritt dennoch zu keiner Zeit ins Langweilige abgleitet, ist den Funeral-Doomern hoch anzurechnen. Party-Closer-Mucke in Reinform, sozusagen. [NS]

BENEDICTION live auf dem Party.San 2022

Mangelnde Authentizität müssen sich BENEDICTION im Gegensatz zu DARK FUNERAL indes nicht vorwerfen lassen: Bei den Death-Metal-Veteranen weiß man, was man bekommt – ehrlichen Todesstahl der alten Schule von bodenständigen Kerlen. Der 2019 zur Band zurückgekehrte Sänger Dave Ingram ist das beste Aushängeschild dafür. Witzige Ansagen, in denen er seine Liebe zu Bier beteuert und sich fürs Wassertrinken entschuldigt, kommen ebenso sympathisch rüber wie das „Hohohoho“, das er wie ein böser Weihnachtsmann nach beinahe jedem Song ins Mikro poltert. Darüber hinaus bedankt er sich bei der Security, bittet um Applaus für sie und nimmt in der Ansage zum Brecher „They Must Die Screaming“ wohlwollend Bezug auf den Songautor, seinen Vorgänger Dave Hunt – ein Ehrenmann eben. Zwar muss er die hier und da etwas müde wirkende Menge dann und wann ein wenig anstupsen, doch sind die Reihen voll und die Leute zum großen Teil motiviert. Kein Wunder: Die Briten bestechen mit einem fetten Sound, einer imposanten Lightshow voll Flammen und Nebel sowie einer überzeugenden Setlist. So liefern BENEDICTION zum Finale nicht etwa einen Klassiker, sondern den Knaller „Stormcrow“ vom starken, aktuellen Album „Scriptures“ – offenbar sehr zur Freude vieler Anwesenden.

Cannibal Corpse, Carcass, DISMEMBER – Death-Metal-Liebhaber kommen mit dieser Bandaufteilung in den spätesten und somit längsten Show-Slots der drei Tage wahrlich auf ihre Kosten. Nun steht mit den Pionieren des Schwedentods schlechthin das letzte Highlight des Festivals auf der Main Stage – in Originalbesetzung und in hörbarer Topform. Die Pausen zwischen den Songs sind von typisch schwedischer Reserviertheit geprägt, was zu dem kuriosen Umstand führt, dass der Ruf „Make some fucking noise!“ nicht von der Bühne, sondern aus dem Publikum ertönt. Dafür wirken die von trockenem Humor geprägten Ansagen von Matti Kärki umso ulkiger, etwa „When you come home to your girlfriend, be nice and don’t ‚Skin Her Alive‘“ oder „We’re gonna be playing a lot of old stuff because we don’t have any new stuff“. Tatsächlich hat das letzte, selbstbetitelte Studiowerk mittlerweile über vierzehn Jahre auf dem Buckel – DISMEMBER nehmen es mit dem „old stuff“ in ihrer Setlist aber richtig ernst und konzentrieren sich mehrheitlich auf Material von ihren ersten drei Platten. Die neuesten Songs im Set stammen vom Album „Death Metal“ – und das ist von 1997. Doch daran gibt es nichts auszusetzen, denn wenn wir ehrlich sind, gibt es wohl keinen besseren Einstieg in eine DISMEMBER-Show als „Override Of The Overture“, den ersten Song der ersten Scheibe. Der gleichen Meinung sind wohl auch die Fans, denn bei quasi jeder Ansage, die den nächsten Song enthüllt, hört man Freudenschreie aus der Menge. Zum Ende des Konzerts beschallen die fünf Skandinavier die immer noch dichten Reihen passenderweise mit dem Track „Dreaming In Red“ – und das werden die meisten nach einem so großartigen Abschluss wohl auch tun. [MF]

DISMEMBER live auf dem Party.San 2022

Auch nach der Corona-Zwangspause verlassen sich die Veranstalter des PARTY.SAN METAL OPEN AIRs im Wesentlichen auf das Konzept, das sich im Laufe der Zeit bewährt hat – und sorgen so dafür, dass es sich bei den Besuchern nach drei Jahren wie ein lange ersehntes Heimkommen anfühlt. Kein Firlefanz mit Eventcharakter, keine Blaskapellen, sondern drei Tage Metal der größtenteils extremen Gangart, der hinsichtlich der Auswahl weder in beliebig wirkenden Abwechslungsreichtum noch in langweilige Einförmigkeit abdriftet.

Die Fans wissen es zu schätzen und bescheren dem Festival mit etwa 9000 verkauften Tickets wieder gestiegene Besucherzahlen, und das trotz des ebenso gestiegenen Preises von nun knapp 121 € pro Karte – der jedoch immer noch value for money bietet. Auch der Bierpreis von jetzt 4 € pro 0,4-Liter-Becher ist noch im Rahmen, ebenso die Preise für das vielfältige Essensangebot auf dem Festivalgelände. Dass gestiegene Kosten und Inflation genauso wenig an den Besuchern vorbeigegangen sind wie das Wissen um den Personalmangel im Service-Bereich lässt auch darüber hinwegsehen, dass es an den Getränkeständen zeitweise zu langen Schlangen gekommen ist.

Dabei war es an diesem verlängerten Wochenende besonders wichtig, hydriert zu bleiben: Temperaturen deutlich über 30 Grad von früh bis spät verlangten dem Publikum einiges ab. Da fällt eine eigentlich geringfügige Neuerung wie der Zugang zu mehreren Waschbecken mit kostenlosem kühlem Trinkwasser im Infield umso mehr ins Gewicht. Auch die Aufstockung der Toiletten und Duschen auf dem Campingplatz und somit kürzere Wartezeiten in der prallen Sonne fallen positiv auf auf einem Festival, das ansonsten durchoptimiert scheint – nicht zuletzt, weil es die Veranstalter nicht auf weiteres Wachstum anlegen.

Einen kleinen Wachstumsrekord gibt es dann aber doch: Mit 57 Bands haben so viele Combos wie nie zuvor auf dem PARTY.SAN gespielt. Dass sich das hauptsächlich in zusätzlichen Slots auf der Zeltbühne widerspiegelt, betont die Verwurzelung der Festivals in der Underground-Szene. Dass die Veranstalter trotzdem nicht kleckern, sondern klotzen, zeigt die Verpflichtung von internationalen Szene-Größen wie Cannibal Corpse, Carcass und Mayhem sowie den Pionieren des schwedischen Death Metals Dismember. Das PARTY.SAN mag in dieser Hinsicht keine Überraschungen bieten, wohl aber Verlässlichkeit – und gerade deshalb kann man jetzt schon guten Gewissens Vorfreude auf die 2023er Auflage empfinden, wenn man wieder vor der Bühne steht und in großen Lettern lesen kann: Hell is here. [MF]


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… unter anderem mit ALCEST, MAYHEM und CANNIBAL CORPSE (Donnerstag) sowie ASPHYX, KATATONIA und CARCASS (Freitag).

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Publiziert am von Nico Schwappacher, und

Fotos von: Christoph Emmrich

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