Fühlt sich an wie immer: Als wären zwei Jahre der Corona-Auflagen samt ausgefallener Konzerte und Festivals nie passiert, geht das PARTY.SAN in seine 26. Runde. Fans besonders der extremen Metal-Gattungen kommen wie immer drei Tage lang auf ihre Kosten und feiern so etwas wie ein Klassentreffen. Um das Wiedersehen darüber hinaus doch noch zu etwas Besonderem zu machen, hatten die Booker diesmal die Spendierhosen an – und buchten gleich zwei Headliner pro Tag auf die Main Stage. Waren es in der Vergangenheit oft Regen und Sturm, die dem Festival zusetzten, ist es diesmal extreme Hitze mit Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke, mit der sich Gäste und Crew herumzuschlagen haben. Darüber hinaus steht der Sause aber nichts entgegen. So fühlt man sich gleich wieder heimisch, wenn das Banner über der Einfahrtspforte verheißt: „Welcome to Hell“.
Donnerstag, 11.08.2022
Waren die vergangenen Party.San-Ausgaben davon geprägt, dass an den Freitagen und Samstagen eine Grindcore-Band zuerst die Bretter der Main Stage entert, so darf mit BIRDFLESH schon am Donnerstag ein Vertreter dieses Genres ran. Dem Trio wird somit gar die Ehre zuteil, den Live-Auftakt zum kompletten Festival zu geben. Das Publikum ist indes auch einen Tag früher als gewohnt vorbereitet und erscheint erwartungsgemäß mit kreativen Kostümen und bunten Gadgets vor der Bühne: Die Palette reicht von mexikanischen Wrestling-Masken über einen aufblasbaren Lollipop bis hin zum heimlichen Gewinner der Gaudi – einem Gummihuhn in Mini-Kutte, stilgerecht mit Patches benäht. Wohin man an diesem sonnigen Nachmittag schaut, blickt man in grinsende Gesichter und man spürt die freudige Erwartung der Fans darauf, die dreijährige Party.San-freie Durststrecke zu beenden. Der Andrang vor der Main Stage ist entsprechend groß, die Stimmung ausgelassen. Die Entscheidung der Veranstalter, BIRDFLESH den allerersten Slot zu geben, erweist sich als goldrichtig, denn die schwedischen Spaß-Grinder eignen sich perfekt, um die aufgestaute Vorfreude der Fans zu entladen. Tracks wie „Caligulash“, „Anal Misery“ oder „Coffinfucker“ sorgen nicht nur wegen ihrer Titel, sondern auch wegen der in nüchternem Ton vorgetragenen Gaga-Ansagen für Lacher („The next song is about an alive autopsy. It’s called ‚Alive Autopsy‘ from our album ‚Alive Autopsy‘.“). Die Zuschauer quittieren die Performance mit begeistertem Jubel, gemütlichen Circlepits im Schritttempo und … Mannschafts-Luftrudern auf dem Boden der ersten Reihen. Dass Drummer und Ur-Mitglied Smattro Ansjovis zwischenzeitlich mit Problemen an seiner Fußmaschine zu kämpfen hat, fällt nach diesem gelungenen Auftakt nicht weiter ins Gewicht.
Mit mehr Ernsthaftigkeit, aber nicht weniger Energie gehen im Anschluss REVEL IN FLESH ans Werk. Das Quintett war bereits für die geplante 2019er Auflage bestätigt, entsprechend lässt Frontmann Ralf „Haubersson“ Hauber, der stilecht im Nihilist-Shirt auftritt, verlauten: „Seit zweieinhalb Jahren haben wir auf diesen Moment gewartet.“ Dem Publikum geht es offenkundig ähnlich, denn während sich in der Vergangenheit die Reihen nach der eröffnenden Grindcore-Gaudi oftmals gelichtet haben, bleiben sie auch bei den Death-Metallern aus Baden-Württemberg gut gefüllt, und das trotz der brennenden Hitze. Aufgrund der Pandemie sind nun ganze zehn Jahre vergangen, seit REVEL IN FLESH ihren ersten und bis 2022 einzigen Auftritt auf dem Party.San gespielt haben. Inzwischen kann die Combo jedoch auf weit mehr Material zurückgreifen als nur ihr Full-Length-Debüt „Deathevokation“ von 2012. Sie entschließt sich dennoch, mit „Rock Out“ von Motörhead auch ein Cover in der Setlist unterzubringen, was vom feiernden Publikum freudig aufgenommen wird. [MF]
Mit GAEREA aus Portugal feiert der Black Metal seinen Einstand auf dem diesjährigen Party.San. Wie bei so vielen Kapellen aus dem nihilistisch ausgerichteten schwarzen Sektor stehen auf der Bühne: in schwarz gehüllte, hagere Gestalten, die – obgleich bar jeder Mimik – die Bühne mit ihrer Ausstrahlung durchaus auszufüllen vermögen. Besonders der Frontmann ergeht sich immer wieder in bedeutungsschwangeren Gesten. An den Mikroständern prangt ein okkult anmutendes, goldenes Emblem. Dass der Gig bei greller, brütender Nachmittagssonne auf der Main Stage über die Bühne gehen muss, ist der Wirkung der Darbietung leider nicht zuträglich. Dagegen kommt leider auch der Lichttechniker nicht an, der durch starken Gebrauch der Nebelmaschine so etwas wie Atmosphäre zu kreieren versucht. Nicht vorteilhaft ist zunächst auch der Sound, der anfangs noch etwas zu wummernd und verwaschen daherkommt, was bei derartig starkem Songmaterial schade ist, sich im Laufe des Konzerts aber immer mehr legt. Der Band ist all das selbstverständlich nicht vorzuwerfen. Die nämlich legt eine grundsätzlich überzeugende Performance hin, die lediglich an ihren Begleitumständen krankt. Am Ende erhält die Gruppe dennoch ihren wohlverdienten Jubel.
Hoch professionell, dabei aber keinesfalls zu routiniert spielen NYKTOPHOBIA im Zelt auf. Ihre hochmelodische Interpretation des Black Metal hat offenkundig viel gelernt von schwedischem Melo-Death der Marke In Flames und Dark Tranquility. Die Nordrhein-Westfalen klingen dabei modern, ohne die schwarzmetallischen Wurzeln aus den Augen zu verlieren. Epische Nummern wie das balladeske, mitreißende „Beyond The Horizon“ beschwören weite Blockbuster-Fantasy-Landschaften im Kopfkino herauf. Sänger Tomasz Wisniewski – optisch von Weitem durchaus zu verwechseln mit Enslaveds Grutle Kjellson – hat währenddessen das Publikum durch seine weit schweifenden Gesten gut in der Hand. Ein Auftritt, der beim Publikum gut ankommt – und zeigt, dass Black Metal um diese Zeit einfach besser im Innenraum kommt.
Kontrastprogramm dann bei HIGH SPIRITS: Wo sollten die Hard-Rocker besser aufgehoben sein als auf einer Main Stage, über der ein wolkenlos blauer Himmel prangt, vor der ein Publikum steht, das sich auf die nächsten drei Tage Festival freut? Dass es sich hier um die lebensfreudigste Ausreißer-Band des diesjährigen Line-ups handelt, ist schon an den weißen Hosen ersichtlich, die die Bandmitglieder allesamt tragen. Ja, auch das ist möglich auf einem Festival, über dessen Hauptbühne der Slogan „Hell is here“ prangt. Denn welcher noch so hartgesottene Metaller kann schon eingängigen 80er-Jahre-Vibes widerstehen – besonders wenn sich die Band, die jene gerade liefert, als perfekt aufeinander eingegroovte Party-Maschine entpuppt, die so launige Songs wie „Full Power“, „Flying High“, „Torture“ oder erst den fulminanten Ohrwurm „Another Night In The City“ im Gepäck hat? Da gehen die Fäuste schnell in die Luft, und der Sprung des Bassisten – Props für die punkig blondierten Haarspitzen und den weinroten Instrumentengurt – gerät zum umjubelten Stunt. Eine Band, die live noch einmal deutlich besser kommt als auf Platte. HIGH SPIRITS got the Party started.
Von Frohsinn zu abgrundtiefem Hass: Im Zelt entern die Franken von TOTAL HATE die Bühne und zocken ein formidable Black-Metal-Show der ganz alten Schule herunter – inklusive klassischem Corpsepaint und Mikroständer in Kettenform. Näher an Mayhem bewegen sich heute nur Mayhem.
Mit SECRETS OF THE MOON steht dann für den einen oder anderen Festivalbesucher gewiss ein sehr emotionales Konzert auf dem Plan, spielen die deutschen Szenegrößen doch nichts weniger als ihren – so ist es angekündigt – letzten Festival-Gig, bevor es dann im Herbst nochmals einige Farewell-Shows in kleinerem Rahmen geben wird. Ein trauriger Umstand angesichts der Form, in der sich die Gruppe auf dem Party.San präsentiert. Ohne Backdrop oder sonstige optische Hilfsmittel gerät das Bühnenbild regelrecht zum Understatement. Immerhin steigen hier und da bereits die ersten Feuersäulen dem Schlotheimer Himmel entgegen. Das Glockengeläut, das den Gig einleitet, lässt bereits erahnen, welcher Song gleich als Opener folgen wird: „Seven Bells“ vom gleichnamigen 2012er-Album, auf dem die Gruppe den teils doomig schleppenden Black Metal ihrer mittleren Phase perfektionierte. Es folgt eine Reise durch die Band-Historie, die so umfassend ausfällt, wie es die Festival-Spielzeit von 45 Minuten eben zulässt bei vorwiegend überlangen Songs, wie man sie von SECRETS OF THE MOON kennt und liebt. Es folgt das vergleichsweise rasende, bitterböse „Miasma“ vom viel gepriesenen 2004er-Klassiker „Carved In Stigmata Wounds“, das auch nach all den Jahren nichts von seiner ursprünglichen Energie vermissen lässt. An Energie und Schubkraft hinzu gewinnt im Live-Kontext „Earth Hour“, der einzige Song, der heute vom aktuellen, eher goth-rockigen Album „Black House“ (2020) auf der Setlist steht – sicher zur Erleichterung jener Oldschool-Fans, die dem neuen, kaum metallischen Material der Gruppe skeptisch gegenüberstehen. Mit „Man Behind The Sun“ vom Album „Sun“ (2015) steht dann einer der stärksten und zugleich eingängigsten Songs der Band-Historie auf dem Programm, mit „Queen Among Rats“ zum Abschluss eine eher drückende Nummer von „Privilegivm“ (2009). So tritt man würdig ab. [NS]
Während die Berliner Tech-Deather SINNERS BLEED auf der Zeltbühne noch Griffbrettkilometer sammeln, starten auf der Hauptbühne EXHORDER in ihr Set – und bieten ein anderes Bild als bei ihrem Party.San-Einstand 2018: Während ein Gitarrist inzwischen ausgestiegen ist, konnte ein anderer nicht einreisen. Die Lösung: Frontmann Kyle Thomas, vor vier Jahren nur mit Mikrofon in der Hand, steht dieses Jahr mit weißer Flying-V auf der Bühne, und als Aushilfsmusiker konnten die Groove-Thrasher aus New Orleans Szene-Veteran Waldemar Sorychta (u. a. Despair, Swallow The Sun) gewinnen. Dass dies weit mehr als nur eine passable Notlösung ist, beweisen Thomas, der auch Leads und Soli souverän abliefert, und Sorychta, der sich professionell ins Bandgefüge integriert, eindrucksvoll. Mit dem Instrumental „Incontinence“ vom 1992er Album „The Law“ steigt das Quartett in sein Set ein, ehe ein Rundumschlag vom Debüt „Slaughter In The Vatican“ folgt. Das Comeback-Album „Mourn The Southern Skies“ berücksichtigt die Combo mit dem Track „My Time“ – und wird vom Publikum prompt mit einem Circlepit belohnt. Dass EXHORDER insgesamt viel Zuspruch bekommen, liegt wohl nicht nur an den dünn gesäten Thrash-Bands im diesjährigen Billing, sondern auch daran, dass die Amis und Sorychta schlicht eine starke Show hinlegen. [MF]
Danach kommt erst einmal die Träumer-Fraktion mit Affinität für post-metallische Sounds geballt zum Zug. Im Zelt übernehmen die Mannen von ANOMALIE mit melancholischen Leads, reichlich Dreiecken sowie Geweihen im Bühnenbild und Sänger mit einem Look der Marke rußverschmiert. Eher getragen im Feeling inklusive atmosphärischen Interludes vom Band, stimmt der Gig mehr als solide darauf ein, was gleich auf der Hauptbühne folgt.
Dort nämlich übernehmen die deutschen Post-Black-Metal-Shooting-Stars von DER WEG EINER FREIHEIT das Feld – mit ähnlich melodischen, melancholischen, allerdings weitaus rasenderen, urbaneren, kälteren Sounds. Kein Act dürfte an diesem Freitag bislang mehr Publikum auf das Infield gelockt haben. Die Performance gibt der Masse an Zuschauern recht und ist nicht weniger als eine Machtdemonstration. Während die Sonne allmählich weiter gen Horizont sinkt, wird die Lichtshow erstmals voll ausgefahren und verhilft Brocken wie „Am Rande der Dunkelheit“ oder dem bereits zum Klassiker avancierten „Aufbruch“ mit seinen so prägnanten wie erschütternden Cleans („Kommst du, um mich zu holen?“) zu ihrer vollen emotionalen Wucht. Der Sound ist klar und differenziert, was die filigranen Strukturen unter der Raserei auch im Live-Kontext ausreichend zu Tage treten lässt. Die Blasts kommen präzise bis zum letzten Schlag. Eine umso launigere Randnotiz, dass Gitarrist Nico mit seinem „Transilvanian Hunger“-Shirt mit den Lo-Fi-Wurzeln des Genres kokettiert. Vor den Extreme-Metal-Jüngern auf dem Party.San dürfte dieser Schachzug seiner Credibility keinesfalls geschadet haben. Die zufriedenen Gesichter, die vielen fliegenden Haare und in die Luft gereckten Pommesgabeln machen an dieser Stelle unmissverständlich klar: DER WEG EINER FREIHEIT findet inzwischen auch an der Szene-Basis weitgehend die Akzeptanz, die den einem Metalcore-Background entwachsenen Würzburgern zusteht. Qualität siegt am Ende eben doch über Schubladen.
Im Zelt erklären WHOREDOM RIFE, eines der Aushängeschilder der Nidrosian-Black-Metal-Szene aus dem norwegischen Trondheim, den Träumer-Modus kurz für pausiert. Schon optisch präsentieren sie sich mit reichlich Corpsepaint als die komplette Antithese zu DER WEG EINER FREIHEIT. Doch stimmt das wirklich? Die weit schweifenden Melodiebögen der Lead-Gitarre laden durchaus zum Versinken ein – doch ist es eben kein Versinken in elysischen Paradiesgärten oder endlosen Stadtlandschaften, sondern ein Abwärtstreiben im okkulten Mahlstrom, ein Sich-Verlieren in monotonen Riffs, Blasts und unheilvollen Midtempo-Parts. Der dicke und doch transparente Sound kommt dieser Wirkung entgegen. Auf der Bühne schwingen derweil die Flying Vs und Front-Schreihals K.M wirft der Menge grimmige Blicke zu. Die wohl außerweltlichste Erfahrung des Tages und einer der eindrücklichsten, fiesesten Black-Metal-Gigs des Festivals. Dass das Zelt derweil fast aus allen Nähten platzt, kann nur für die Geschmackssicherheit der Party.Sanen sprechen.
Apropos Versinken in elysischen Paradiesgärten: Das zu ermöglichen, obliegt auf der Main Stage nun ALCEST, die für ihren Gig nahezu perfekte Umstände vorfinden. Ein solcher Umstand ist der Sonnenuntergang, der sich nun über die Nottertal-Heilinger Höhen legt und an den Himmel Wolkenschlieren in rosa, gelb und orange zaubert, ein weiterer der Sound, der alle Instrumente deutlich zutage treten und auch Neiges elegische Vocals nicht untergehen lässt. Respekt an dieser Stelle für Soundmann Frank Renner, der von Wacken über Prophecy Fest bis Party.San stets einen guten Job hinlegt und selbst mit den manchmal fiesen Winden auf der Freifläche des Schlotheimer Flugplatzes den bestmöglichen Umgang findet. Gewohnt introvertiert lässt sich der Bandkopf, gekleidet in ein knallbuntes Hemd, auch auf dem Party.San durch sein Konzert treiben. Der Schwerpunkt des ALCEST-Sets liegt mit drei Songs auf dem starken Material des aktuellen Albums „Spiritual Instinct“ („Les Jardins De Minuit“, „Protection“, „Sapphire“), wobei auch Nummern von „Kodama“, „Écailles de Lune“, „Les Voyages De l’Âme“ und „Shelter“ nicht außen vor bleiben und sich harmonisch einfügen. Außen vor bleibt lediglich – und leider – das Material von „Souvenirs d’un Autre Monde“. Doch das ist Jammern auf hohem Niveau. Als dann noch Seifenblasen über die Zuschauermenge fliegen, ist die Überdosis Gefühl perfekt. Die Zuhörerinnen und Zuhörer wissen es mit ihrem Jubel entsprechend zu würdigen. [NS]
Wer nach dem träumerischen Gig von ALCEST ein sofortiges Kontrastprogramm braucht oder die Nackenmuskulatur für MAYHEM und CANNIBAL CORPSE schon mal aufwärmen möchte, ist bei CARNATION, die die letzte Tent-Stage-Show des Tages spielen, gut aufgehoben. Die Belgier bieten kompromisslosen Old School Death Metal in für die Zeltbühne überdurchschnittlich gutem Sound, der von den Besuchern enthusiastisch aufgenommen wird. Sänger Simon Duson trägt im Gegensatz zu seinen Bandkollegen zwar keine langen Haare, macht dies optisch aber mit Corpsepaint wett – und musikalisch mit Gutturalgesang, der von ganz tief unten kommt. Die Leute feiern, das Zelt ist ordentlich gefüllt und nach jedem Song werden die Fäuste und Pommesgabeln frenetisch nach oben gestreckt. Das sorgt im vernebelten, blutroten Scheinwerferlicht auch abseits der Bühne für die visuellen Eindrücke, die man über die letzten Jahre viel zu selten gesehen hat. [MF]
MAYHEM präsentieren sich bei ihrer Headliner-Show als inzwischen hochprofessionelle Verwalter ihrer eigenen Legende und kredenzen – in fast schon ohrenbetäubender Lautstärke – Horror-Theater vom Feinsten. Auf ein stimmungsvolles Intro folgt mit „Falsified And Hated“ vom aktuellen Album „Daemon“ ein starker Einstieg, gefolgt von „To Daimonion“ von „Grand Declaration Of War“ und „Malum“, wieder von der aktuellen Scheibe. Bereits hier wird klar, wohin die Reise heute geht: Selten hat man die Band so tight, so gut aufeinander eingespielt gesehen wie jetzt. Das geht auf Kosten des kultigen Rumpel-Faktors der Anfangstage, tut dem Entertainment-Faktor aber keinen Abbruch. Fixpunkt der Show ist erwartungsgemäß Sänger Attila Csihar, auf der Bühne im pervertierten Priester-Gewand und mit fieser Maske, natürlich nur echt mit Knochen-Kruzifix als Requisit, das der Ungar hier und da unheilvoll auf das Publikum richtet. Geteilt ist der Gig in drei Akte: Zuerst dringen die Nummern der Ära seit 2000 aus den Boxen, dann folgt ein Block mit Material von „De Mysteriis Dom Sathanas“ („Freezing Moon“, „Pagan Fears“, „Life Eternal“, „Buried By Time And Dust“) und schließlich, nach dem dräuenden Intro „Silvester Anfang“, das beinahe punkige Kult-Material von „Deathcrush“ und dem ersten Demo „Pure Fucking Armageddon“ („Deathcrush“, „Chainsaw Gutsfuck“, „Carnage“, „Pure Fucking Armageddon“). Für letzteren Block lässt dann selbst Attila die große Kostümierung fahren und präsentiert sich als selbstbewusster Fronter im Muskelshirt, einen Totenschädel in der Hand. Zum Abschluss ihrer Show schlagen die Urgesteine der zweiten Black-Metal-Welle den Bogen zur ersten: vom Band erklingt Mercyful Fates „Nuns Have No Fun“. [NS]
So stark der MAYHEM-Auftritt zuvor, so blutlos wirkt die Headline-Show von CANNIBAL CORPSE am heutigen Abend. Sicher, bei der Szenelegende sitzt alles tight, es gibt keine Verspieler und die Herren Rutan und Webster geben sich auch durchaus Mühe, etwas Elan in die Angelegenheit zu bringen. Doch gegen die offensichtliche Unlust von Corpsegrinder kommen sie am heutigen Abend einfach nicht an. Das ist enorm schade, bietet doch die Setlist neben zwei Songs vom aktuellen Album „Violence Unimagined“ („Inhumane Harvest“ und „Condemnation Contagion“) auch jede Menge absoluter Klassiker, wie etwa „Fucked With A Knife“, „I Cum Blood“ oder das obligatorische „Hammer Smashed Face“. Dieses beschließt allerdings leider einen der uninspiriertesten Auftritte, die man von dieser Band in einer langen Zeit gesehen hat. Dabei, das sei erneut unterstrichen, ist musikalisch nichts an dem Auftritt der Band schlecht. Wie eine gut geölte Maschine bieten die Herren ihre Songs auf höchstem Level professionell dar. Doch das ist Teil des Problems, denn diese Show wirkt eben wie ein Job, die Leidenschaft muss man sich leider vorstellen. Das ist besonders deshalb schade, da CANNIBAL CORPSE sonst eigentlich immer – auch auf dem Party.San – zeigen, warum sie stets ein gern gebuchter Headliner sind. [CE]
Freitag, 12.08.2022
Zu den Bands, die die musikalische Untermalung zum „Grindcore-Frühschoppen“ des Party.San bieten, dürfen sich seit dem Freitag des diesjährigen Festivals auch die Dortmunder von KADAVERFICKER zählen. Ein Blick in die vollen Reihen verrät nicht nur, dass die Tageseröffnung mit einer humorigen Combo ein Erfolgsrezept ist, sondern auch, dass der BIRDFLESH-Gig vom Vortag lediglich ein kleiner Vorgeschmack darauf war, welch eine Kostümparade das Publikum aufzufahren imstande ist. Doch auch KADAVERFICKER selbst lassen sich nicht lumpen und feuern zusätzlich zu ihren augenzwinkernden Abrissbirnen „Leichenwasser“ in die Menge (eigens etikettiertes Bier in Plastikflaschen) – und zwar mit der Hilfe des Beer Ghouls, einem sehr dicken Mann in sehr weißem Morgenmantel. Dieser kehrt wenig später bei „Infernopommes“ als Pommesmann zurück und wirft in bester A.O.K.-Manier Tiefkühlkost ins Publikum, während er beim Anti-Nazi-Song „Stuhlgewitter“ als Kackemann Plastikhäufchen in die vorderen Reihen schleudert. Frontmann Goreminister lässt sich zu Klischee-Ansagen wie „Seid ihr gut drauf?“ hinreißen, moderiert den Gig als erfahrener YouTuber unterm Strich aber souverän durch. Mit der astreinen Gothic-/Dark-Wave-Nummer „Feel Dead Hit Of The Summer“ beweist die Gruppe zudem, dass sie mehr kann als nur Getrümmer. Da wirkt das abschließende „Dortmund Asozial“, das kurzerhand zu „Schlotheim Asozial“ umgetextet wird, fast schon deplatziert – aber nur fast, denn das Publikum feiert die Band bis zur letzten Sekunde und verabschiedet sie mit großem Applaus. [MF]
Ebenso werden die folgenden LIK abgefeiert, die den Anwesenden vor der Bühne schwedischen Death Metal reinster Qualität um die Ohren blasen. Das Quartett hat mit seinen vier Alben im Gepäck reichlich Songs zur Auswahl, wobei die stilistische Vielfalt sich natürlich arg in Grenzen hält. Das stört die Fans jedoch wenig, ganz im Gegenteil, denn LIK bieten genau das, was man von ihnen erwartet. HM-2-Worship vom Feinsten, gutes Songwriting, fette Riffs und satte Grooves. Dazu bieten die Schweden ihre Songs mit jeder Menge Elan und Freude am eigenen Tun dar, sodass auch die bereits beachtliche Hitze den Menschen vor der Bühne den Genuss nicht verderben kann. Das hätte bei Krachern wie „Flesh Frenzy“, „Celebration Of The Twisted“ oder „The Deranged“ wohl aber auch strömender Regen nicht geschafft. So wird der Auftritt von LIK zu einer tollen Show, während derer die Band sich erneut als absolut mitreißend präsentiert. [CE]
1914 aus der Ukraine setzen sich in ihren Texten bekanntlich mit Themen rund um den Ersten Weltkrieg auseinander. Die Realität hat jene Sujets seit Putins Einmarsch in der Ukraine schmerzvoll eingeholt. So wurde der Gig der Band zunächst abgesagt, dann aber doch wieder bestätigt, da Künstler aus dem kriegsgebeutelten Land zum Touren ausreisen dürfen. Auf jene Möglichkeit griff der Fünfer denn auch zurück. Schwer zu ertragen der Gedanke, dass die jungen Männer, die da gerade auf der Bühne stehen, just in diesem Moment auch in einem Schützengraben liegen könnten, mit der Möglichkeit eines nahen Todes vor Augen. Wie gerade erst einem Schützengraben entronnen sieht Frontmann Dmytro Kumar (agierend als „2. Division, Infanterie-Regiment Nr. 147, Oberleutnant – Ditmar Kumarberg“) im Feldmantel und mit dreckverschmiertem Gesicht tatsächlich aus. Minutenlang hält er zu Beginn des Gigs die ukrainische Flagge in die Luft. Man mag es sich angesichts der Weltlage einbilden, doch: So echt wirkte eine Band mit Kriegsthematik selten. Die Bitternis, Ernsthaftigkeit und Aggression in den Gesichtern der Musiker dürfte nicht gestellt sein. „They are killing our children“, macht der Fronter denn auch unmissverständlich klar. Seine Heimatstadt, Lwiw, liege in Trümmern. „Our soldiers will kill every fucking Russian bastard“ – das macht Kumar gleich zweimal klar. „We are not only fighting für Ukraine, we are fighting for whole Europe, for our future and for your future.“ Die musikalische Darbietung muss jedoch nicht hinter der politischen Botschaft zurückstehen: Druckvoll und vehement tönen die schweren Riffs und die höchst akkuraten Blasts über das Infield. Die doomigen Passagen vermitteln das unheilvoll dräuende Gefühl einer nahen Detonation. Während des letzten Songs bahnt sich der Sänger seinen Weg durch die Zuschauermenge, growlt dort seinem Publikum regelrecht Auge in Auge ins Gewissen. Er erntet dafür viele Schulterklopfer. Und zum Abschluss des Konzerts schallt es laut: „Sláva Ukrayíni!“ [NS]
Von doomigen Passagen kann bei MALEVOLENT CREATION keine Rede sein. Die Death-Metal-Urgesteine, immerhin seit 1987 aktiv, brinngen den US Death Metal alter Schule nach Schlotheim. Dabei verlässt man sich aber leider ausschließlich auf Klassiker der Alben „The Ten Commandments“, „Retribution“ und „Eternal“. Das ist überaus schade, bieten doch auch die anderen zehn (!) Alben der Herren aus Buffalo jede Menge Hits, wie etwa „The Will To Kill“ vom gleichnamigen Album. Doch auch so legt das Quartett einen starken Auftritt hin, während dem natürlich auch des 2018 verstorbenen Fronters Brett Hoffmann gedacht wird. Dessen Posten am Mikrofon hat 2020 Ryan Taylor eingenommen, den man auch von Solstice kennt. Der gute Mann macht seinen Job mit Bravour und schafft es so, die Fußstapfen seines charismatischen Vorgängers zu füllen. Unterm Strich ein solider Auftritt. [CE]
NORNIR aus dem sächsischen Freiberg obliegt es heute, das Programm auf der Zeltbühne zu eröffnen. Das Unterfangen gerät zu einem Triumphzug, liefert der Underground-Act doch den wohl intensivsten Brocken Black Metal des gesamten Festivals ab. Der Gruppe gelingt es dabei, ihre teils pagan-naturmystischen Themen auf ein Weise zu verpacken, die von Kitsch kaum weiter entfernt sein könnte – musikalisch irgendwo zwischen den klirrend kalten Norwegern der zweiten Welle, dem wilden ostdeutschen 90er-Untergrund und der melodischen Sensibilität polnischer Mgła-Prägung. Stets präsent ist dabei das Gefühl, das Black Metal dieser Art von Grund auf definiert: Etwas Bitterböses scheint in dunklen, urwüchsigen Wäldern zu lauern – wütend, gequält und doch wunderschön. Dass die Gruppe mit langen Nietenarmbändern und Corpsepaint alle Genre-Klischees erfüllt, ist hier nur passend. Besonders beeindruckend: Frontfrau und Gitarristin Lethian, der regelrecht anzusehen ist, dass sie über die gesamte Dauer des Gigs alles gibt, das sie zu geben hat; kampfeslustig, aggressiv, energetisch. Nur konsequent, dass auch ihr hohes Geschrei die Menge geplättet zurücklässt. Das Songmaterial steht dem in nichts nach: Immer wieder sorgen gekonnte Breaks und Tempovariationen für genügend Abwechslung, um die Aufmerksamkeit von Anfang bis Ende aufrechtzuerhalten. Ein umjubelter Auftritt, der der Gruppe viel Lob einbringt und die Zahl der Fans nicht unwesentlich in die Höhe getrieben haben dürfte. [NS]
Den Auftakt zur heutigen Thrash-Zweifachbedienung auf der Main Stage machen die Briten von ONSLAUGHT. Die Band hat sich mit Drummer James Perry und Gitarrist Wayne Dorman (seit 2018 dabei) sowie Sänger David Garnett (seit 2020) in den letzten Jahren eine Verjüngungskur verpasst und das merkt man der Energie auf der Bühne deutlich an. Gerade Garnett zeigt sich äußerst agil und das, obwohl er sich selbst die zweite Gitarre umgeschnallt hat, da Gitarrist und letztes verbliebenes Gründungsmitglied Nige Rockett nicht mit von der Partie ist. Aber auch Bassist Jeff Williams, der sich mit seinem nWo-Shirt als Fan von 90er-Jahre-Wrestling zu erkennen gibt, läuft von Rand zu Rand, sucht immer wieder den Augenkontakt zu den Fans in den vorderen Reihen und animiert sie mit Gestik und Mimik zum Mitmachen. Das Quartett bietet eine ausgewogene Mischung aus neuerem und Old-School-Material, wobei es sein Set mit „Let There Be Death“ und „Metal Forces“/„Power From Hell“ elegant mit letzterem eingerahmt hat. Die Menge weiß es zu schätzen, trotzt jubelnd der Nachmittagshitze und gibt der hochmotivierten Truppe auf der Bühne so etwas von ihrer Energie zurück. [MF]
Stage-Diver vor der Zeltbühne? Das kommt auf dem Party.San nicht allzu häufig vor. Eine Gruppe, der es dennoch gelingt, genau hierzu zu animieren, sind die belgischen Speed-Black-Metaller BÜTCHER, die ihren Auftritt als formidable Assi-Party gestalten – samt zerrissenem Painkiller-Laibchen des Frontmanns und einem als umgedrehtes Kreuz gestalteten Mikroständer. Dabei gibt es jedoch bei Weitem nicht nur straight auf die Schnauze: Der Vierer demonstriert darüber hinaus auch, dass er Songs schreiben kann, was sich auch live bezahlt macht. Die Soli haben hörbar viel in der Judas-Priest-Schule gelernt. Und auch die Erkenntnis, dass ein eingängig-epischer Part inmitten des Trommelfeuers nicht schadet, ist diesen Mannen nicht fremd. Stark! [NS]
Auf der Hauptbühne folgt mit MISERY INDEX eine Band, die auf dem Party.San – wie auch verschiedenen anderen europäischen Festivals – schon fast zum Inventar zählt. Denn die Truppe aus Baltimore tourt unheimlich hochfrequent. Abnutzungserscheinungen haben sich aber bisher weder bei Band noch bei den Fans eingeschlichen, sodass der Auftritt zu einem vollen Erfolg wird. Mit „Infiltrators“ und „Rites Of Cruelty“ gibt es zwar nur zwei Songs vom aktuellen Album „Complete Control“ auf die Ohren, das stört aber angesichts der restlichen Setlist niemanden. Denn diese ist gespickt mit HIts wie „Ruling Class Cancelled“, „The Carrion Call“ oder dem das Set beschließenden „Traitors“, das die Anwesenden gebührend abfeiern. MISERY INDEX sind live einfach eine Bank, wie sie heute erneut unter Beweis stellen. [CE]
Mit den Schwarzwäldlern von THRON kommen im Zelt all jene auf ihre Kosten, die Dissection noch immer schmerzlich vermissen und von Bands, die recht streng nach deren Rezeptur aus Härte und Melodie operieren, nicht genug bekommen können. Was auf Platte musikalisch über alle Zweifel (außer vielleicht jenen bezüglich des Epigonentums) erhaben ist, verfehlt auf der Bühne heute leider etwas seine Wirkung. Sicher legt die Gruppe hier einen soliden Auftritt hin, der aber vielleicht zu routiniert, angesichts des etwas unbeholfen wirkenden Corpsepaints zu aufgesetzt rüberkommt. Da haben andere Bands aus der Black-Metal-Ecke an diesem Wochenende eindeutig die Nase vorne. [NS]
Nach dem Main-Stage-Durchmarsch von MISERY INDEX kann man bei den folgenden MESSIAH einen Gang herunterschalten. Im direkten Vergleich eher schleppend, aber nicht minder fett und brachial im Sound lassen die Schweizer ihren räudigen Mix aus Death und Thrash Metal auf die Menge los. Die Combo, die Mitte der Achtziger gegründet wurde, aber mehrere längere Trennungsphasen hinter sich hat, feierte ihre letzte Reunion 2017 und ist dieses Jahr zum ersten Mal beim Party.San dabei. Die Mitglieder mögen mehrheitlich zur Grauhaar-, Glatzen- und Mützenfraktion gehören, sind aber nicht minder flink und tight unterwegs als ihre jüngere Kollegen auf dem Festival. Vor allem Sänger Marcus Seebach, der erst seit Anfang des Jahres in der Band ist und den ausgestiegenen Andy Kaina ersetzt, überzeugt nicht nur mit stilsicherem Kettenmikroständer, sondern in erster Linie mit kraftvollen Screams und Growls und einer lebhaften Bühnenpräsenz, die vergessen lässt, dass der Mann hier einen seiner ersten Live-Gigs mit MESSIAH absolviert. Die Setlist, die von Material vom ersten 1985er Demo „Powertrash“ (Space Invaders“) bis zum aktuellen 2020er Album „Fracmont“ reicht, absolviert er damit gekonnt, als hätte er nie etwas anderes gemacht.
„We are IRON FLESH from fucking France“, kann indes eine scheinbar handverlesene Menge an Fans von der Tent Stage vernehmen. Vielleicht liegt es an ersten Hitzeausfällen, vielleicht auch daran, dass mit LIK und ASPHYX Liebhaber von Old School Death Metal an diesem Tag auch ohne die Franzosen auf ihre Kosten kommen – viel ist im Zelt jedenfalls nicht los bei der Show des Quartetts aus unserem südwestlichen Nachbarland. Dabei spielt die 2017 gegründete Band einen durchaus unterhaltsamen und abwechslungsreichen Stil, der von fies-zähflüssigen Passagen bis hin zu Uptempo-Blasts reicht. Obendrein bestechen IRON FLESH durch originelle Stage-Props wie etwa Sänger Juliens Mikrofonständer aus knöchern-hölzernen Strukturen oder Grabsteinen mit okkulten Symbolen und – naheliegend – „HM-2“-Inschrift. Schade für die Jungs, die etwas mehr Aufmerksamkeit durchaus verdient hätten. Noch weniger Aufmerksamkeit bekommen da nur die auf der Main Stage folgenden HEIDEVOLK – zumindest von der berichtenden Metal1-Crew, die sich während deren Gig lieber unter das Pausenvolk mischt. [MF]
Was die Thrash-Metaller von SPACE CHASER im Zelt auf die Bühne bringen, reicht in Sachen Intensität zwar nicht ganz an den Gig von BÜTCHER heran – doch wer könnte das der Band ernsthaft zum Vorwurf machen? Freunde der alten Genre-Schule kommen hier durchaus auf ihre Kosten und erleben eine solide Show, die ein gar nicht mal so kleines Publikum findet.
UADA sind seit ihrem letzten Party.San-Gig vor fünf Jahren auch gefühlte fünf Nummern größer geworden. Ausmachen lässt sich das anhand der deutlich späteren Spielzeit – diesmal bei Sonnenuntergang -, der deutlich größeren Zuschauermenge, dem deutlich lauteren Jubel, den noch einmal gewachsenen Fähigkeiten der Schwarzmaskierten in Sachen Songwriting. Dem Vorwurf, es handle sich hier bloß um Mgla-Epigonen, ist die Band jedenfalls längst entwachsen. War der erste Gig der Kanadier an dieser Stelle noch allenfalls nett, präsentiert sich der Vierer nun als regelrechtes Bollwerk. Obwohl die Gruppe ihr Set innerhalb kürzester Zeit mit einem neuen Drummer einstudieren musste, schallt die Auswahl an Songs mit großer Perfektion durch die Lautsprecher, ohne aber an Vehemenz zu verlieren. Dass die Musiker, die da durch den verhältnismäßig dichten Bühnennebel stapfen, hinter ihren Masken verschwinden, dass es keine Ansagen gibt – das fällt hier nicht ins Gewicht. Das Charisma ist auch so spürbar. Los geht es bereits mit einem Übersong: „The Purging Fire“ vom Album „Cult Of A Dying Sun“ (2018). Auch der Titelsong des Erstlingswerks „Devoid Of Light“ (2016) wird noch zu Gehör gebracht. Dass die aktuelle Scheibe „Djinn“ von 2020 lediglich mit einem – dem gleichnamigen – Track bedacht wird, überrascht ein wenig, ist aber wahrscheinlich der fehlenden Einarbeitungszeit des neuen Schlagzeugers und den knapp bemessenen Festival-Spielzeiten bei gleichzeitig stattlichen Songlängen geschuldet. [NS]
Bei PROFANITY hat sich 2022 einiges getan: Die deutschen Death-Metal-Veteranen um Gründungsmitglied und Gitarrist Thomas Sartor haben sich mit Drummer David Kempf und Bassist Clemens Engert dieses Jahr eine neue Rhythmusabteilung zugelegt, während der bisherige Mann am Tieftöner, Lukas Haidinger, in die Position des Frontmanns gewechselt ist. Und was soll man sagen: Hatte Haidinger schon als Basser eine imposante Bühnenpräsenz, geht er nun in seiner Rolle als Rampensau voll auf. Der Mann tigert von einem Tent-Stage-Rand zum anderen wie ein hungriges Raubtier, spielt alle Instrumente in ihrer Luftvariante mit, macht High-Kicks – und growlen tut er dazwischen natürlich auch noch. Sympathische Ansagen, bei denen man die bayerische Herkunft der Tech-Deather durchhören kann, wie etwa „Der nächste Song wird anstrengend – aber für euch!“ oder „Wer kennt Suffocation? Richtig, jeder!“ runden das akustische Ohrfeigengewitter gelungen ab.
Weniger technisch, aber mindestens genauso tödlich wie PROFANITY geht es mit ASPHYX weiter. Sänger Martin van Drunen lässt seine Signature-Screams schon beim Soundcheck ertönen, ehe die niederländische Institution mit dem Nackenbrecher „Botox Implosion“ nicht nur gleich voll einsteigt, sondern auch direkt einen Song vom neuesten Album „Necroceros“ präsentiert. Für das Quartett ist es bereits der vierte Auftritt auf dem Party.San, und so spannt van Drunen in gewohnt sympathischer Manier und zweisprachig den Bogen zur ersten ASPHYX-Show auf dem Festival im Jahr 2007, ehe er ein paar amüsante Sticheleien in Richtung Sabaton und Amon Amarth aufgrund gleicher bzw. ähnlicher Songtitel vom Stapel lässt. Ansonsten ist es ein ASPHYX-Konzert, wie man es kennt und liebt: Gitarrist Paul Baayens’ Kopf bangt so heftig, dass der Körper gerade so das Gleichgewicht halten kann, Bassist Alwin Zuur post breitbeinig mit seinem ärmellosen Shirt und seinem B.C.-Rich-Bass, als stünde er für ein Manowar-Artwork Modell und van Drunen hält das Mikro in den Gesangspausen mähneschüttelnd, als wolle er sich auf dem Golfplatz aufs Einlochen konzentrieren, aber nicht von der mitreißenden Musik ablassen. Die Combo mag keine Überraschung im Billing sein, wohl aber eine verlässliche Größe, bei der Stimmung garantiert ist – und das wissen die Fans zweifellos zu schätzen. Durch die hereinbrechende Dunkelheit profitieren ASPHYX zudem als erste Band des Tages so richtig von der Light- und Pyroshow – und natürlich dem vorübergehenden Ende der direkten Sonne, was beim hitzegebeutelten Publikum neue Kräfte freisetzt. Gegen Schluss animiert van Drunen die Menge zu einem Geburtstagsständchen für Drummer Husky, bevor der Vierer mit „Last One On Earth“ eines der begeisterndsten Konzerte des diesjährigen Party.San beschließt.
Wer nach ASPHYX nicht genug hat, kann sich bei GRACELESS noch die Sahne auf den Death-Doom-Eisbecher abholen. Das Angebot nehmen tatsächlich viele wahr, das Zelt ist bis zur Hälfte dicht gefüllt, gefolgt von einem weiteren Viertel lockerer Reihen. Das ebenfalls aus den Niederlanden stammende Quartett spielt ähnlich wie seine Landsmänner von der Hauptbühne groovenden Death Metal, gewürzt mit durchmarschierender Doublebass und heimsuchenden Riffs. Auch heute setzt der Lichtmensch auf infernalisch-rote Farbtöne, die die todesmetallische Walze stimmungsvoll in Szene setzen. [MF]
Bei KATATONIA dürfte selbst im musikalisch hartgesottenen Party.San-Publikum manch einer ein Tränchen im Knopfloch gehabt haben. Den perfekten Spagat zwischen Wumms und Melancholie bekommen die Schweden auch – oder gerade – live problemlos hin. Zu viel Bewegung lassen sich dabei die Wenigsten hinreißen, was aber auch gar nicht notwendig ist: Hier geht es ums Schwelgen. Mit „Behind The Blood“ begrüßt die Gruppe ihr Publikum gleich mit einem der stärksten Tracks ihres neuesten Albums „City Burials“. Dass darauf „Deliberation“ folgt, zeigt bereits an, wohin die Reise geht: Der Schwerpunkt des Sets liegt auf dem Material von „The Great Cold Distance“, dem 2006er-Album, mit dem KATATONIA ihren heutigen schwermütig-rockigen Stil einst endgültig perfektionierten. Sänger Jonas Renkse singt sich rasch in Form und so bewegt sich die Live-Darbietung schnell nah am Sound der Alben. Immer wieder macht die Band dabei Gebrauch von den Pyros, die die Veranstalter den Bands anbieten – etwa beim vergleichsweise hart riffenden „Forsaker“. Sehr viel mehr Bühnenshow braucht es nicht: Wer, der solches Songmaterial in der Hinterhand hat, hat schon überbordende optische Reize nötig? Spätestens mit „My Twin“ – von Renske angekündigt als der einzige Song der Band, der so etwas wie Hitpotenzial habe – dürfte so ziemlich der letzte, der ein Herz für Musik mit Gefühl hat, restlos überzeugt sein. [NS]
Deutlich weniger Gefühl, aber mindestens genauso viel Überzeugungskraft stellen im Anschluss die britischen Death-/Grind-Veteranen von CARCASS zur Schau. Ausgestattet mit dem wohl lautesten, fettesten und klarsten Sound des ganzen Tages, kommt die beeindruckende Tightness der Band voll zur Geltung. Dementsprechend hält sich die Combo nicht mit ausschweifenden Ansagen auf, sondern setzt zwischen den Tracks eher auf Intros vom Band. Zu Beginn knallt sie dem Publikum erst mal vier Songs vor den Latz, bevor Sänger und Bassist Jeff Walker mit animierenden „Come on, Party.San!“- und „Hey, hey, hey!“-Rufen etwas anderes als die Songtexte über die Lippen bringt und ein wenig den Kontakt zur Menge sucht. Großer Animation bedarf es bei den Zuschauern allerdings auch nicht, denn trotz vereinzelter Ermüdungserscheinungen – seien sie der Hitze oder den üblichen Festival-Widrigkeiten geschuldet – wird die Werkschau, die CARCASS an diesem späten Abend bei ihrem dritten Besuch auf dem Open Air bieten, gebührend gefeiert. Die letzten beiden Alben seit der 2007er Reunion, deren Material, heavier, rockiger und progressiver ausgefallen ist als die Klassiker, sind mit jeweils mehreren Songs im Set vertreten. Ein Meisterwerk wie „Heartwork“ darf da aber auch nicht zu kurz kommen – und kommt es auch nicht. Der Party.San-Hattrick von CARCASS kann in der Folge nur als gelungen bezeichnet werden. [MF]
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… unter anderem mit DARK FUNERAL, BENEDICTION und DISMEMBER sowie unserem abschließenden Fazit!