Konzertbericht: Ozzy Osbourne w/ Bullet For My Valentine

15.06.2011 München, Olympiahalle

Ozzy Osbourne ist eine Legende. Punkt.
Daran hat weder die skandalträchtige Zeit, in der der selbstgekrönte „Prince Of Darkness“ und seine verrückte Familie mit seiner Doku-Soap für Aufregung sorgte, etwas geändert, noch die Tatsache, dass es um den ehemaligen Black Sabbath-Sänger musikalisch in den letzten Jahren eigentlich ziemlich ruhig geworden ist – obwohl, und das ist das eigentlich traurige daran, er nie aufgehört hat, Alben zu veröffentlichen. Allein, so richtig interessierten diese eigentlich niemanden, und so verkam auch sein letztes Album, „Scream“, mehr zu einer Randnotiz in der Metal-Welt.Ob er selbst dies nicht mitbekommen hat, oder sich mit irgendwo auch wieder beeindruckender Sturheit weigert, einzusehen, dass seine Zeit als Star auf den Bühnen dieser Welt mit dem Aussterben der Die-Hard-Black Sabbath-Fans unweigerlich abläuft, weiß wohl allerhöchstens noch er selbst, wenn überhaupt. Fakt ist, dass das Konzept der „Scream“-Tour ein, sagen wir mal, etwas verzweifeltes ist.

So wird mit der Olympiahalle Münchens größte Konzerthalle gebucht. Dass Ozzy diese natürlich nicht ansatzweise zu füllen in der Lage ist, dürfte dabei jedem Verantwortlichen von vorne herein klar gewesen sein – böse Zungen behaupten, die Halle habe den Zuschlag ob der Sitzplätze für das alternde Publikum bekommen…
Damit das Ganze keinem Geisterspiel gleichkommt, wird zunächst das komplette hintere Drittel der Halle abgehängt – in Anbetracht der Tatsache, dass die Kopfseite der Halle durch die Bühne und den Backstagebereich wegfällt, ist das Fassungsvermögen der Halle so mindestens halbiert.
Dennoch scheint man sich auf Veranstalterseite nicht ganz sicher gewesen zu sein, dass sich genügend Jünger des Prince Of Darkness einfinden würden, um die Halle ansatzweise zu füllen – und setzt alle Hoffnung offenbar einer Band, die aus dem weitläufigen Feld des Metal entstammt, ihren Durchbruch in den Mainstream geschafft hat und auf die der Begriff „Publikumsmagnet“ eigentlich deutlich besser passt: BULLET FOR MY VALENTINE.
Doch so plausibel dieser Gedankengang auch zunächst klingen mag, so naiv ist er auch, denkt man ein zweites Mal drüber nach – scheitert er doch gleich an mehreren, eigentlich recht offensichtlichen Faktoren: Da sind zum einen die Ozzy-Fans, welche, und ich denke, damit hätte man rechnen können, nicht unbedingt die klassische Zielgruppe von BULLET FOR MY VALENTINE sind: Statt sich also um halb acht eine Band, die ihnen nicht gefällt, anzuschauen, kommen diese quasi geschlossen später. Da BULLET FOR MY VALENTINE jedoch keine Live-Rarität sind, hält sich die Zahl der BFMV-Fans, die sich für eine halbstündige Show ihrer Helden ein Ticket für knappe 50€ gekauft hat, ebenso in Grenzen.
So ist das Bild, das sich BULLET FOR MY VALENTINE bietet, als diese die Bühne betreten, eigentlich wenig verwunderlich – jedoch deshalb nicht minder armselig: Gähnende Leere auf den Rängen, in der Arena „tummeln“ sich vielleicht 500 Leute, welche, man kann es kaum anders sagen, reichlich ratlos dreinblicken. Zwar ernten die Mainstream-Coreler zwischen ihren Stücken akzeptablen Höflichkeitsapplaus, weit darüber geht es aber nicht hinaus. Dass das für beide Parteien wenig erfüllend ist, braucht wohl nicht dazugesagt werden. Doch obwohl der Gig BULLET FOR MY VALENTINE außer der Tatsache, dass man mit einer Tour mit Osbourne die Biographie aufmöbeln kann, wohl wenig bis gar nichts bringt, dürften doch sowohl die Merchandise-Einnahmen als auch die Zahl der dazugewonnenen Fans im einstelligen Bereich liegen, lassen sich die Jungs nichts anmerken und ziehen ihre Show so professionell wie puristisch durch: Kein Backdrop, keine Showelemente, etwas headbangen, Gitarre spielen und herumschreien, und die Sache ist über die Bühne gebracht. Dass BFMV im Mainstream derart angesagt sich, wirkt allein anhand dieser Show fast unplausibel, ist das, was man hier geboten bekommt, doch auch nur geringfügig softer als die Musik von Bands wie Caliban oder dergleichen…
Nach einer halben Stunde ist dann, wie angekündigt, auch wieder Schluss – so richtig stört das heute aber offenbar weder das Publikum, noch die Band, wissen beide doch, dass hier und heute auch mit einer Stunde Spielzeit nicht mehr gegangen wäre. Trotzdem irgendwie schade, ist diese Situation doch für beide Seiten gleich unbefriedigend – gerade, weil sie derart vorhersehbar war.

Setlist BULLET FOR MY VALENTINE:
01. Your Betrayal
02. The Last Fight
03. Waking The Demon
04. Tears Don’t Fall
05. Alone

Dass die nachfolgende Umbaupause nicht all zu lange währt, erklärt sich recht schnell aus der Tatsache, dass eigentlich wenig umzubauen ist – auf Gimmicks wie Bühnenaufbauten oder sonstige Spirenzchen verzichtet der Prince of Darkness nämlich vollkommen. Selbst ein Backdrop scheint ihm zu viel Brimborium zu sein – wo andere Bands dieser Größe gerade in diesem Bereich zeigen, was sie (sich leisten) können, gibt Mr. Osbourne sich bescheiden. Ob dies nun ein Zeichen von Hingabe ist, derart interpretiert, dass Ozzy findet, allein die ehrliche Musik solle im Vordergrund der Show stehen und nicht das Drumherum, oder ob sich auch in diesem Punkt andeutet, dass das Budget der Tour nicht so groß ist, wie man vielleicht glauben mag, ist schwer auszumachen, erscheinen doch beide Möglichkeiten durchaus plausibel.
Als Ozzy selbst schließlich die Bühne betritt, zeigt die mittlerweile wenigstens über das Blamable hinaus gefüllte Olympiahalle zum ersten Mal an diesem Abend eine Gefühlsregung: Bewunderung für einen Mann, der, und das kann und will wohl niemand leugnen, großes geleistet hat für, beziehungsweise in der Szene.Was folgt, ist, wie so vieles an diesem Abend, ein sehr zweischneidiges Schwert.
Beginnen wir dabei mit dem Positiven: Die zumindest von mir befürchtete musikalische Selbstdemontage des Skandal-Opas bleibt aus. Tonsicher und mit fester Stimme präsentiert sich der frühere Black Sabbath-Sänger diesbezüglich in wirklich guter Form und gibt sich in diesem Punkt auch über den Rest des Abends hinweg keine Blöße. Doch wo Ozzy musikalisch überrascht, schockiert er mit seiner sonstigen Verfassung:
Wie ein Schatten seiner selbst watschelt der Mann derart gebrechlich über die Bühne, dass man fast dankbar gewesen wäre, hätte einer der Stagetechs dem Gutsten irgendwann eine Gehhilfe auf die Bühne gebracht. Und nicht nur körperlich, auch bezüglich seines Verhaltens wirkt Ozzy nicht immer ganz auf der Höhe: Sei es nun, dass er sich breits während des ersten Songs einen kompletten Eimer Wasser über den Kopf schüttet, oder dass er im weiteren Verlauf des Abends nicht müde wird, das Publikum (man bedenke: nachts, bei einem Indoor-Konzert) mit einem Feuerwehrschlauch nasszuspritzen – gleich mehrfach hat man das etwas beklemmende Gefühl, der Punkt, an dem ein Freund Ozzy im Vertrauen hätte klarmachen müssen, dass er zu Hause im Schaukelstuhl vielleicht doch besser aufgehoben ist als auf den großen Bühnen dieser Welt, sei schon lange überschritten. Doch gerade in den Momenten, in denen man sich fremdzuschämen beginnt, wächst auch die Faszination, der Respekt davor, dass Ozzy sich trotz seines augenscheinlich desolaten Zustandes nicht unterkriegen, geschweige denn sich den Spass an der Sache nehmen lässt. Denn mag er auch alles andere als fit sein, so hat man doch die ganze Zeit über das Gefühl, er sei bei dem, was er da tut zumindest glücklich: So gibt er bisweilen mehr den Animateur als den Musiker und trippelt von einer Seite der Bühne zur anderen, um die beiden Tribühnen mit hochgeworfenen Armen und kindlicher Freude im Jubel-Duell gegeneinander auszuspielen, feuert das Publikum mit dem für ihn nicht erst seit dem neuen Album „Scream“ legendären „I wanna hear you SCREAM!“ fast frenetischer an als dieses ihn… und überrascht es zwischendurch auch mal mit einem aus seinem Mund doch eher befremdlich tönenden „God bless you all!“. Dass sich die komplette dargebotene „Show“ auf derartige Elemente beschränkt, mag zunächst wenig reizvoll klingen, und objektiv gesehen bietet die Rock-Koryphäe dem Publikum auch wirklich nicht viel für sein Geld – außer eben, und genau das ist eben der Punkt, der das Dargebotene so liebenswert macht, echter, ehrlicher Hingabe, wie man sie bei so manchem Künstler hinter der pompösen Bühnenshow nur all zu oft vermisst.
Halbwegs aufgehen kann dieses Konzept dabei jedoch nur, weil Ozzy eine beeindruckende Band hinter sich hat, die ebenfalls mit wenig TamTam, dafür aber absolut solide ein wahres Brett in den Raum stellt: Gerade Gus G. (Kostas Karamitroudis), welcher erst letzte Woche mit dem „Dimebag Darrell Shredder“-Preis bei den Metal Hammer Golden Gods Awards ausgezeichnet wurde, sowie Schlagzeuger Tommy Clufetos wissen zu begeistern – auch wenn ihre Soli wohl ihre Hauptaufgabe in der dadurch ermöglichten Verschnaufpause für Mr. Osbourne erfüllen. Doch selbst diese Musiker können nicht über eine weitere Skurrilität hinwegtäuschen, dass die Setlist nämlich ausnahmslos aus alten bis ganz alten Stücken zusammengestellt ist: Material etwa vom mit der Tour eigentlich beworbenen Album „Scream“, ja sogar von dessen Vorgänger, sucht man im Set vergeblich. Statt dessen schwelgt der Rock-Opa in alten Erinnerungen – nicht ganz unberechtigter Weise, möchte man meinen, hat die Show doch ihre Höhepunkte, wenig überraschender Weise, ganz klar, wenn es zu den echten Klassikern kommt: Egal, ob „Bark At The Moon“, „Iron Man“ oder das finale „Paranoid“ – hier spührt man den alten Vibe der legendären Black Sabbath wieder aufleben, hier wird plötzlich eine Energie freigesetzt, wie sie die Show gerade in ihrere ersten Hälfte nichteinmal erahnen ließ – Hier wird altehrwürdiges Songmaterial angemessen und mit Würde dargeboten.
Nach knapp anderthalb Stunden ist die Show schließlich an ihrem Ende angekommen – und mit ihr der sichtlich mitgenommene Frontmann. Objektiv gesehen könnte man auch hierüber wieder enttäuscht sein, ist das doch in Kombination mit einer lediglich 30Minütigen Show von BULLET FOR MY VALENTINE garnicht all zu viel Spielzeit für’s Geld – zumal andere Bands dieser Größenordnung doch zumeist über zwei Stunden spielen. Doch sieht man sich den vollkommen erschöpften Ozzy Osbourne so an, kann man ihm einfach nicht böse sein – ist doch ganz offensichtlich, dass der Mann alles aus seinem geschundenen Körper herausgeholt hat, was dieser noch zu bringen im Stande war.

Als man so um kurz nach Zehn hinaustritt in den lauen Münchner Abend, ist nur schwer auszumachen, ob man über das eben Erlebte nun erfreut, erheitert, pikiert oder verärgert sein soll – glich die gesamte Veranstaltung von ihrem Charakter her doch einem Geburtstag im Altenheim: Man trifft sich in von Jahr zu Jahr kleiner werdendem Kreis, erfreut sich gemeinsam an ollen Kamellen und kann dabei die ein oder andere mit dem Alter kommende Peinlichkeit nicht länger verheimlichen – ein irgendwo rührseliges Schauspiel, voll kindlicher Freude, mitunter aber eben auch mitleidserregend und zum fremdschämen peinlich.
Denn auch, wenn Ozzy heute musikalisch – überraschender Weise, wie ich sagen muss – zu überzeugen wusste, sind Totalaussetzer wie das Wassergeprietschel oder sein offensichtlich desolater körperlicher Zustand fast schon erschreckend. In Kombination mit der vergleichsweise drastisch zurückgegangenen Zahl treuer Jünger ein starkes Indiz, dass man den „Prinze Of Darkness“ heute vielleicht zum letzten Mal in Bayerns Landeshauptstadt begrüßen durfte. Zumindest insofern irgendwie auch wieder ein denkwürdiges Ereignis, wenn es sonst schon nicht zum „Konzert für die Ewigkeit“ gereicht hat.

Setlist OZZY OSBOURNE:
01. I Don’t Know
02. Suicide Solution
03. Mr. Crowley
04. Goodbye To Romance
05. War Pigs
06. Bark At The Moon
07. Road To Nowhere
08. Shot In The Dark
09. Rat Salad
10. Iron Man
11. Fairies Wear Boots
12. Change The World
13. Crazy Train
14. Mama, I’m Coming Home
15. Paranoid

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