Dass die Wurzeln des Black Metal in Norwegen liegen, steht außer Frage. Burning Stage Concerts zollen diesem Fakt nun in selten gesehener Konsequenz Tribut: Acht Bands aus dem Land der Fjorde und (niedergebrannten) Stabkirchen stehen auf dem Programm des NORWEGIAN HELLCAMP in der Schweinfurter Stadthalle.
Wie der Name der Location bereits andeutet, könnte diese durchaus uriger sein: Mit Holzvertäfelungen, Samtvorhängen und der vorherrschenden 70er-Jahre-Farbkombination Braun-Ocker-Oliv erwartet man hier eher ein Symposium des Altphilologenverbandes oder das Jahrestreffen des Orchiedeenzüchterverbandes Unterfranken denn zehn Stunden Höllenlärm und Blut spuckende Teufelsanbeter.
Nichtsdestoweniger ist die Halle bereits um 13:30, als SLAGMAUR aus Brekstad/ Trondheim den Reigen eröffnen, ansehnlich gefüllt. Mit ihren Kostümierungen als Metzger, Sau und Rabe machen die Musiker zwar optisch etwas her – die Musik jedoch ist ähnlich unausgegoren wie das Kostümkonzept auf den zweiten Blick: So erweckt es manchmal den Anschein, als wäre der (eher primitive) live dargebotene Teil der Musik nur Beiwerk zu den opulenten Samples – Live-Atmosphäre will dabei nicht aufkommen. Da die Band zudem auf einen Bassisten verzichtet und der Sound (wohl nicht zuletzt deshalb) eher Zumutung als Genuss ist, leeren sich die Reihen noch während des dreiviertelstündigen Sets merklich.
Mit diesem Problem haben VULTURE INDUSTRIES nicht zu kämpfen – hier kommen die Konzertbesucher nämlich gar nicht erst in die Halle. So beginnen die Paradisvögel im Billing ihre Show quasi ohne Publikum. Die wenigen jedoch, die sich trauen, den Gegenbeweis zum Klischee des tumben, linien- und genretreuen Black Metallers anzutreten, werden reich entlohnt: In ihren gediegenen Bühnenoutfits bieten die sechs Musiker aus Bergen nämlich nicht nur optisch ein gelungenes Kontrastprogramm: Klarer Gesang, tanzbare Rhythmen, avantgardistische Einschübe – offenbar zu viel des Guten für die meisten Besucher dieses ansonsten eher true ausgerichteten Events. Ihre Enttäuschung über die Geistershow lassen sich VULTURE INDUSTRIES nur indirekt anmerken: Wie zum Trotz verlässt Sänger Bjørnar Nilsen mehrfach die Bühne, um sich die Fans in der ersten Reihe vorzuknöpfen oder quer durch den gesamten Saal zu tanzen. Fazit: An VULTURE INDUSTRIES scheitert es heute nicht – hier schwächelt einzig und allein das Publikum.
SARKOM scheinen den Geschmack der versammelten Hörerschaft da schon deutlich besser zu treffen: Kaum legt das Quintett aus Lørenskog los, ist der Saal wieder mehr als gut gefüllt. Dass die Band nach eigener Aussage erst eine Woche zuvor gemerkt hat, dass ihnen für die Show ein Gitarrist fehlt, mag befremdlich klingen. Umso beachtlicher ist es jedoch, dass die Norweger es dennoch geschafft haben, den Gig wie geplant zu absolvieren. Der Dank dafür gebührt den beiden Gitarristen Tjalve (Den Saakaldte) und Nihil (Endezzma), die je eine Hälfte des Auftritts bestreiten, als hätten sie seit Jahr und Tag nichts anderes getan. Während der Sound sich nach dem Auftritt des Openers schnell zum besseren gewendet hat, bereitet die Lichtshow Fans wie Fotografen Kummer – mit nahezu ausschließlich rotem Licht und blendenen, auf das Publikum gerichteten Scheinwerferbatterien.
Auf den rohen, geradlinigen Black Metal von Sarkom folgt wieder eine etwas vielschichtiger zu Werke gehende Kapelle: ENDEZZMA. Zwar ist die Musik der Truppe um Welten traditioneller als bei Vulture Industries gehört, in der engen Genreschublade des True Black Metal toben sich ENDEZZMA jedoch aus: Von groovenden Riffs über schnelle Passagen bis zu eingängigen Melodien ist hier alles dabei. Trotz Geheimtipp-Status gelingt es der Band so, immer mehr Fans in die Halle zu locken. Völlig zu recht, liefern ENDEZZMA doch nicht zuletzt durch ihre (kunst)blutiges Stageacting eine absolut sehenswerte Show ab. So abwechslungsreich kann Black Metal klingen!
Das genaue Gegenteil zelebrieren im Anschluss leider DEN SAAKALDTE, die nach ihrem starken zweiten Album „All Hail Pessimism“ (2009) mit „Faen In Helvete“ in diesem Jahr bereits auf Platte enttäuscht hatten. Während die Songs über das Attribut „solide“ leider nur selten hinauskommen, ist die Emotionslosigkeit, mit der die Band ihr Material präsentiert, erschreckend. Vor allem Sängerneuzugang Eldur enttäuscht auf ganzer Linie – und das nicht nur im direkten Vergleich zu seinem Vorgänger Niklas Kvarforth. Während Eldur stimmlich zwar nicht hervorsticht, aber doch zumindest solide Arbeit leistet, fehlt ihm die Gabe, ein Publikum hinter sich zu scharen, komplett: Interaktion mit der Hörerschar findet ebenso wenig statt wie ein sonstiger, irgendgearteter Ausdruck von Hingabe. Am Ende passt die blasse Show von DEN SAAKALDTE zur Musik. Schade, die Band hatte mal Potential.
Wie schon Sarkom, so sind auch AURA NOIR ausfallgeplagt: Mit Aggressor hat es hier ebenfalls den Gitarristen getroffen. Mit Ersatz können die Black-Thrasher aus Olso allerdings nicht aufwarten. Statt dessen wurde kurzerhand eine Setlist improvisiert, die Blasphemer und Apollyon (unterstützt von Live-Drummer Kristian Valbo) an Gitarre und Bass auch zu zweit hinbekommen. Infolgedessen bekommen die Fans heute nicht nur einen der sowieso schon raren Auftritte von AURA NOIR, sondern zugleich auch noch ein Special-Set geboten. Neben einem Cover des Kreator-Klassikers „Flag Of Hate“ hat dieses auch die eine oder andere Old-School-Überraschung aus eigener Produktion zu bieten. So macht man aus der Not eine Tugend!
Mit 20 Jahren Bandbestehen sind RAGNAROK heute nach Aura Noir die dienstälteste Band im Billing – entsprechend groß ist der Andrang vor der Bühne, als die Herren um Bandgründer Jontho loslegen. Dass dieser nach dem Ausstieg von Hans Fyrste im April diesen Jahres vom Schlagzeugschemel ans Mikrophon gewechselt ist, mag aus seiner Sicht ein logischer Schritt sein. Zu überzeugen vermag der Bandkopf in seiner neuen Funktion als Frontmann jedoch (noch) nicht: Wie schon bei Den Saakaldte fehlen auch hier schlicht und ergreifend Biss und nach außen getragene Leidenschaft. Mag sein, dass sich die für diese neue Rolle nötige Souveränität erst mit der Zeit einstellt – unter den gegebenen Umständen jedoch ist es wenig bedauerlich, dass RAGNAROK von der ihnen eingeräumten Spielzeit von maximal 75 Minuten gerade einmal eine knappe Dreiviertelstunde nutzen.
Pünktlich um 22:30 – und damit wegen der verkürzten Ragnarok-Show nach einer unnötig langen Umbaupause – steht schließlich mit TAAKE der Headliner des Festivals auf der Programm. Nachdem der samtene Vorhang ein letztes Mal beiseitegezogen ist, bietet sich allen, die die Band länger nicht live gesehen haben, ein ungewohntes Bild: Als neues Bühnenoutfit hat sich Hoest mittlerweile die Kostümierung eines nekrotischen Nachtwächters zugelegt. Ob das Schädelcorpsepaint, die lange Kapuzenkutte und ein Schlüsselbund sowie das Bergener Stadtwappen in Brotzeitbrettchenformat als Halsschmuck zur Atmosphäre der Show einen unverzichtbaren Beitrag leisten, sei mal dahingestellt – Fakt ist, dass TAAKE auch heute eine ihrer gewohnt mitreißenden Shows abliefern. Dass die Norweger dabei ausgerechnet den Einstieg zu „Hordaland Doedskvad Part I“ vermasseln, verzeiht man ihnen da gerne – weniger Verständnis ist in den Augen so manchen Fans zu entdecken, als TAAKE ihren Auftritt nach einer knappen Stunde für beendet erklären.
An sich ist diese Stagetime nicht ungewöhnlich, spielen TAAKE doch selten länger als eine Stunde. Wie schon wie bei der für „20:50 – maximal 22:05“ angesetzten Ragnarok-Show, welche nach 45 Minuten endete, steht das Gebotene jedoch in klarem Kontrast zur vollmundigen Ankündigung „22:30 – open end: TAAKE (you can await a hell of a show )“.
Ob die Schuld hierfür auf Seiten der Bands oder des Veranstalters liegt, ist schwer zu beurteilen – die Enttäuschung mancher, teils von weit her angereister Fans jedoch allemal verständlich.
Während die generelle Organisation des Events dank reibungsloser Abläufe und eingehaltenem Zeitplan wenig Anlass zu Kritik bietet, ist Getränkeverkauf gleich in mehrfacher Hinsicht Stein des Anstoßes. So kann am Ausschank nur mittels einer „Stempelkarte“ bezahlt werden, die zuvor für 10€ an der Kasse zu erwerben ist. Und auch der flüssige Gegenwert, den man für sein Geld erhält, sorgt für Unmut: So werden Bier und Softdrinks nur in Party-Bechern kredenzt – dass diese mitunter nur ein Fassungsvermögen von 0,25l aufweisen, macht den stolzen Preis von 2,50€ für angebliche 0,3l Bier nicht eben fanfreundlicher.
Für den ersten Durchlauf hinterlässt das NORWEGIAN HELLCAMP alles in allem dennoch einen positiven Eindruck: So kann die Veranstaltung mit einem stimmigen Konzept und ansprechendem Billing, nahezu durchweg gutem Sound sowie einem reibungslosen Ablauf punkten. Mängel wie die uninspirierte Lichtshow oder das unnötig umständliche Getränkesystem sind da verkraftbar – sollten für eine zweite Auflage aber definitiv behoben werden. Es spricht also viel für ein zweites NORWEGIAN HELLCAMP oder ein vergleichbares Nachfolge-Event – auch Schweden soll ja die eine oder andere Black-Metal-Band hervorgebracht haben.
Der Bericht hätte aus meiner Feder stammen können (zumindest inhaltlich). Exakt so habe ich es empfunden (sowohl Orga als auch Bands)! Toller Bericht, Danke. So falsch lag unsere Einschätzung dann wohl doch nicht. Unterm Strick eine tolle Veranstaltung, geile Bands – aber diverse erwähnte Orga-Fauxpas und erwähnte groß angekündigte, aber nicht im entferntesten ausgeschöpfte Headlinershows waren sehr enttäuschend für uns. Besonders, da wir extra aus Kiel/Lübeck dafür angereist sind. ;)