Konzertbericht: Neal Morse Band / The Flower Kings

2013-02-26 Köln, Live Music Hall


Wer sich am 26.02.2013 in der Kölner Live Music Hall einfand, dem war eins schon vorher klar: Es wird ein verdammt langer Abend. Ziemlich genau vier Stunden vergingen zwischen dem ersten Ton der Flower Kings und dem letzten Ton der Zugabe – aber es spricht wohl für sich, wenn die Zeit wie im Fluge vergeht. Auf dem Programm stand Retroprog par excellence von zwei der wichtigsten Bands bzw. Künstler des Genres.

The Flower Kings

Den Anfang machten an diesem Abend die FLOWER KINGS. Sie eröffneten ihr Set – dem Anlass angemessen – mit dem 25-minütigen Schwergewicht „Numbers“ von ihrem aktuellen Album „Banks Of Eden“. Eine vielleicht nicht ganz glückliche Wahl: Der Track ist etwas zäh und kommt nur langsam in Fahrt. Zudem war der Sound zu Beginn noch arg verwaschen, sodass Gitarrist Roine Stolt und seine Mannen zunächst noch etwas verunsichert und sehr konzentriert wirkten. Schon nach kurzer Zeit ließ sich allerdings jedes Instrument glasklar heraushören und bei sehr angenehmer Lautstärke perfekt verfolgen. Trotzdem konnten die FLOWER KINGS nicht über ihre statische Bühnenshow hinwegtäuschen. Da half auch das manchmal ungewollt komische und aufgesetzte Hardrock-Rumgepose von Zweitgitarrist und -sänger Hasse Fröberg nicht, das irgendwie so gar nicht zum weichen Sound der Blumenkönige passt. Lustig anzusehen und unterhaltsam ist es trotzdem.


Nach dem ausladenden Opener konnte die Band mit dem kürzeren, zugänglicheren „My Cosmic Lover“ das bis dato ziemlich zurückhaltende Publikum zumindest ein Stück weit aufwecken und auf die beiden Highlights der Show vorbereiten: „The Truth Will Set You Free“ vom 2002er-Album „Unfold The Future“ und die epische Ballade „Rising The Imperial“, erst im September veröffentlicht. In diesen zwei fantastischen Kompositionen konnten die Blumenkönige ihre ganze musikalische Klasse entfalten. Und wenn Hasse Fröberg am Ende von „Rising The Imperial“ mit voller Hardrock-Röhre zu fettem Moog-Bass singt, sorgt das für eine fette Gänsehaut und lässt den Verfasser gefühlt ein paar Zentimeter vom Boden abheben:

„With the power to believe
We have the power to heal
Together we can change our ways
We are millions, we are one
From a flower to the sun
Together we can make a change“

Es ist eine wahre Freude, solchen Könnern wie Jonas Reingold am Bass, Felix Lehrmann am Schlagzeug oder Roine Stolt an der Gitarre bei der Arbeit zuzusehen. Sie spielen ihr komplexes Material mit höchster Perfektion und doch mit improvisatorischer Leichtigkeit. Ohne Frage gehört vor allem Jonas Reingold mit seinem geschmackvollen Spiel zu den besten Prog-Bassisten überhaupt. Der quirlige Hippie mit orangefarbenem Hemd und bestickter Hose scheint mit seinem Instrument verwachsen zu sein und entlockt ihm die schönsten Töne – sein Repertoire reicht von handelsüblicher Rock-Begleitung über sanften Fretless-Bass bis hin zu Fusion-artigen Läufen. Eine wichtige Rolle spielen auch die Basspedal-Sounds, die bei ihm sehr wuchtig klingen und unheimlich Laune machen.

Ein paar Witzchen am Rande, wie etwas Roines Versuch einen Flower-Kings-Song in Status-Quo-Manier zu interpretieren oder Jonas Heiratsantrag an Roine – mitsamt Rosen – komplettierten das gut 80-minütige Programm. Zuletzt gaben die Herren ein Medley aus „Last Minute On Eath“ und „In The Eyes Of The World“ zum Besten.

Alles in allem präsentierten sich die FLOWER KINGS an diesem Abend solide – instrumental beeindruckend, aber insgesamt doch ein wenig lustlos und nur im Mittelteil wirklich mitreißend. Die musikalische Klasse der Band kommt auf ihren Platten doch etwas besser zur Geltung als auf der Bühne. Insofern war es gut und richtig, dass Roine Stolt & Co. als erstes gespielt haben.

Setlist Flower Kings:
Numbers
My Cosmic Lover
The Truth Will Set You Free
Rising The Imperial
Last Minute On Earth / In The Eyes Of The World

Neal Morse Band


Bei NEAL MORSE sah es von der ersten Minute an anders aus: Charismatisch und mitreißend präsentierte er mit seiner neuen, im letzten Jahr über das Internet gecasteten Band ein rockiges, durch und durch episches Set. Der Einstieg mit den beiden neuen Gassenhauern „Momentum“ und „Weathering Sky“ fiel angenehm direkt und kurzweilig aus. Neal hatte das Publikum sofort auf seiner Seite, auch ohne direkt die volle Prog-Breitseite auszupacken.

Schockierend, wie dynamisch und präsent die NEAL MORSE BAND im Vergleich zu den Flower Kings auf der Bühne ist. Grund dafür dürfte vor allem auch Schlagzeuger und Bühnensau Mike Portnoy (ex-Dream Theater, Transatlantic) sein, der sich wie immer spielend durch hochkomplexe Parts und Breaks trommelt. Schnell wird klar, dass Neal bei der Zusammenstellung seiner neuen Begleitband den Fokus klar in Richtung „Rock“ verschoben hat.

Dank der grandiosen Saitenmänner Adson Sodre und Eric Gillette wirkt selbst älteres, ursprünglich opulenter arrangiertes Material wie die „Question Mark Suite“ plötzlich kerniger und kantiger. Ihr Spiel ist virtuos und mitreißend. Bassist Randy George und Keyboarder/Violinist/Saxofonist Bill Hubauer sind eher von der zurückhaltenden Sorte, machen ihre Sache aber routiniert und – bis auf ganz kleine Ausnahmen – fehlerlos.

Unglaublich beeindruckend ist nach wie vor, dass Neal & Band den Satzgesang in Nummern wie „Author Of Confusion“ oder „Thoughts Part 5“ live reproduzieren können. Wie kann man derart aufwendige, mehrstimmige Gesänge so fehlerfrei und brillant rüberbringen, wenn man dabei noch komplexe Instrumentalarrangements spielen muss?

Selbst bei halbstündigen Kompositionen wie „World Without End“ schaffen es Neal & Co. die Aufmerksamkeit des Publikums aufrecht zu erhalten. Zum einen, weil solche Stücke stets sehr abwechslungsreich arrangiert sind und zum anderen, weil sie mit Melodien bestückt sind, die schnell ins Ohr gehen.

Neben zahlreichen frickeligen Momenten sind es aber auch immer wieder die ruhigen Passagen, die begeistern und die man zum Ausruhen von dieser Prog-Achterbahnfahrt auch wirklich braucht.

Insgesamt ein unheimlich energiegeladener Auftritt auf höchstem technischen Niveau mit einer ziemlich perfekt eingespielten Band. Vermisst habe ich eigentlich nur „The Conflict“ vom „Sola Scriptura“-Album, das Neal & Co. auf der Amerika-Tour gespielt haben. Es wäre mit dieser Besetzung sicherlich eine große Freude gewesen. Aber auch so waren die 90 Minuten mehr als überzeugend.

Setlist Neal Morse:
Momentum
Weathering Sky
Author Of Confusion
Question Mark Suite: The Temple Of The Living God / Another World / Sweet Elation / Entrance / Inside His Presence
Thoughts Part 5
World Without End

Transatlantic-Zugabe

Viele der gut 1.000 Besucher haben sich vermutlich auf den letzten Teil der Show am meisten gefreut. Da mit Mike Portnoy, Roine Stolt und Neal Morse drei der vier Gründungsmitglieder von TRANSATLANTIC gemeinsam auf Tour sind, lag es nahe, den Zugabenteil mit Material der Prog-Supergroup zu bestreiten und die Tour auch damit zu bewerben.

Zunächst betraten nur Neal Morse und Roine Stolt die Bühne. Sie spielten eine sehr schöne Version der Ballade „Bridge Across Forever“, die durch Roines Gitarrenbegleitung noch zusätzlich an sphärischer Weite gewann. Im Anschluss gab man mit voller Band ein gelungenes Medley aus „All Of The Above“, einigen Songs von „The Whirlwind“ und dem grandiosen Breitwand-Finale von „Stranger In Your Soul“ zum Besten. Toll war hier, wie sich während das laufenden Betriebs die zahlreichen Musiker die Bälle zuspielten oder zusätzlich auf die Bühne kamen. So zupfte zunächst Jonas Reingold Bass, wurde dann aber von Randy George abgelöst, während Hasse Fröberg viel Spaß mit seiner Rassel hatte und beim „Whirlwind“-Song „Lay Down Your Life“ wieder – diesmal gemeinsam mit Neal – den Hardrock-Shouter raushängen lassen durfte.

Auffällig – und irgendwie auch verständlich – war allerdings, dass alle Beteiligten das TRANSATLANTIC-Material nicht ganz so perfekt drauf hatten, wie die Songs der eigenen Band. Insbesondere bei Roine Stolt saß zu Beginn des Zugabenteils der ein oder andere Ton nicht dort, wo er sitzen sollte. Das mag aber auch an dem in diesem Block nicht optimalen Sound gelegen haben. Gesang, Bass und Orgel waren zu leise, Neals Synthesizer viel zu laut. Und so ging auch der bereits oben erwähnte Hardrock-Gesangseinsatz von Hasse Fröberg etwas unter, obwohl er mit aller Gewalt ins Mikro brüllte.

Letztendlich fällt all das aber nicht groß ins Gewicht – die vier Stunden Hochglanz-Retroprog werden mir und vermutlich auch allen Anwesenden wohl noch lange im Gedächtnis bleiben. Well done!

Setlist Transatlantic-Zugaben:
Bridge Across Forever
Medley: All Of The Above / Overture Whirlwind / A Man Can Feel / Lay Down Your Life / Stranger In Your Soul

Weitere Bilder vom Konzert findet ihr hier

Konzertfotos: Lutz Diehlwww.progrockfoto.de – vielen Dank!

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Ein Kommentar zu “Neal Morse Band / The Flower Kings

  1. Habe die Tour in Rüsselsheim im Rind gesehen und der Verlauf des Abends war sehr ähnlich. Die Flower Kings wirkten etwas statisch aber in Ordnung – eine Klasse besser: die Neal Morse Band war gigantisch, und an den Transatlantic-Zugaben hatten alle ihren Spaß, auch wenn das Ein oder Andere nicht perfekt war. Beste Grüße Piotre

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