Konzertbericht: Nathan Gray w/ Norbert Buchmacher

10.03.2019 UT Connewitz, Leipzig


Pur, ungefiltert und ohne Maske soll man ihn erleben können. „An Evening With Nathan Gray“ wirbt damit, den Boysetsfire-Fronter ganz nah, ganz intim zu präsentieren. Eine musikalische Katharsis – die sein Soloalbum zweifelsohne ist – soll spürbar werden, quasi eine öffentliche Therapiesitzung. Ob der Abend das halten kann?

Den Auftakt macht NORBERT BUCHMACHER, der seine Lieder nur mit einer Akustikgitarre bewaffnet vorträgt. Unterstützung erhält er dabei von einem Piano und gelegentlich einer clean gespielten E-Gitarre. Über diesem Klangteppich trägt er mit leicht rauchig-kratziger Stimme seine Texte vor. Diese erzählen Geschichten aus dem Alltag, denen das Publikum andächtig lauscht. Da geht es mal um willkürliche und rassistisch motivierte Polizeigewalt („Die Ballade von Willi und Walter“), mal ruft BUCHMACHER dazu auf, sich nicht zu viele Sorgen zu machen. Einfach zu leben und andere leben zu lassen – unabhängig von Herkunft und Hautfarbe. Der sympathische Schwabe ist dabei so direkt wir herzlich, sodass während seiner Songs auch andächtige Ruhe herrscht und nur vereinzelte Wortwechsel die deutschsprachigen Texte unterbrechen.

Auch in der Umbaupause bleibt es recht ruhig, angespannte Erwartung macht sich breit. Kurz vor 21 Uhr wird dann die Bar geschlossen, denn nichts soll von dem ablenken, was nun kommt. Recht unspektakulär betritt NATHAN GRAY die Bühne, flankiert von Gitarrist Ben Christo (Sisters Of Mercy) und Cellistin Isabelle Klemt. Allein dieses personelle Set Up verköpert bereits den heutigen Abend. Hier der Jüngling, dort die Schöne und zentral der alte Haudegen, tätowiert, mit ein paar Falten und Dreitagebart. Kraft, Erfahrung und Schönheit, wie sie in der Musik NATHAN GRAYs enthalten sind, verkörpert durch die Künstler auf der Bühne.
Schon zu Beginn stellt sich das Gefühl ein, dass heute ein außergewöhnlicher Abend wird. Denn NATHAN GRAY bedankt sich bereits nach den ersten zwei, drei Liedern bei den Anwesenden für ihr Erscheinen. Allerdings geschieht dies nicht mit den üblichen Phrasen, sondern mit einer Würdigung dieses Umstandes. Denn Zeit ist – so GRAY – eines der, wenn nicht das wichtigste und kostbarste Gut, dass der Mensch besitzt. Dass die Leute sich dazu entschieden, ihre Zeit für den heutigen Konzertabend zu opfern bzw. zu investieren bedeute ihm sehr viel. So sagt er es und man glaubt ihm und rückt noch ein wenig näher zusammen um ja nichts von diesem magischen Abend zu verpassen.

Dabei ist die Musik nichts Weltbewegendes. Es sind einfache Songstrukturen mit simpler Instrumentierung, wenn auch meisterhaft dargeboten. Was diese Lieder zu mehr als bloßen Songs macht, sind die Emotionen, die sie transportieren und die NATHAN GRAY durchlebt, während er seine Lieder spielt. Man kann in seinem Gesicht sehen, wie einzelne Passagen ihn bewegen und an die Geschichten hinter den Tracks erinnern. So muss der gute Mann nach Beendigung des einen oder anderen Songs erst mal sichtlich durchschnaufen, hier läuft der karthatische Prozess offensichtlich noch.
Zu „Quixote’s Last Ride“ wiederum erklärt GRAY, dass der Songs trotz seines Textes („depressive as shit“), mittlerweile eine fröhliche Nummer sei, da er die damit verbundenen negativen Emotionen durch das wiederholte Spielen des Liedes verarbeitete habe. Diese transfomative Kraft der Musik, die Emotionen freisetzen und bei der Verarbeitung von Negativität helfen kann, spürt man während des gesamten Sets, sodass die Anwesenden von der Darbietung zutiefst berührt werden.
Dies gilt allerdings auch für den Maestro selbst, der sich vor „Wolves“ – welches den Zugabenteil einleitet – dafür bedankt, dass die Leute ihn seit vielen Jahren bei all seinen Projekten unterstützen. Dieser Umstand reizt den alten Haudegen am heutigen Abend tatsächlich zu Tränen – etwas das man höchst selten erlebt und erneut verdeutlich, dass heute ein ganz besonderer Abend ist. Dazu passt auch, dass NATHAN GRAY nach dem Ende seines letzten Songs und der obligatorischen Verbeugung erst eine Runde durch das Publikum dreht und Hände schüttelt und Leute drückt, ehe er noch am Merch-Stand für Fotos zur Verfügung steht.

Am Ende geht man zutiefst bewegt hinaus in eine stürmische Märznacht und fühlt sich innerlich bereichert. Von den Texten und der Musik, von der Stimmung und dem Ambiente. Dieser Abend war ein ganz besonderer, den die Anwesenden wohl noch lange in Erinnerung behalten werden. Ganz ohne Effekte, ganz ohne Brimborium, aber mit jeder Menge leiser Zwischentöne.

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Fotos von: Christoph Emmrich

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