Konzertbericht: Napalm Death w/ Crowbar, Full Of Hell, Brat

23.02.2025 München, Backstage (Werk)

NAPALM DEATH sind die Motörhead des Grindcore: Nicht nur, dass sich die Briten nunmehr seit 44 Jahren (und damit sogar länger als Lemmy und Konsorten) in der Szene tummeln – auch die Verlässlichkeit, mit der NAPALM DEATH durch Deutschland touren, untermauert den Vergleich. In München macht der Tourtross sogar fast auf den Tag genau ein Jahr nach der letzten „Campaign For Musical Destruction“ halt – was Fans der Band ebenso wenig überraschen dürfte wie die Tatsache, dass die Tour natürlich wieder unter diesem Namen firmiert.Anders als beim letzten Mal sind aber natürlich die Bands, die NAPALM DEATH ins Vorprogramm geladen haben.

Als erste dürfen sich diesmal BRAT präsentieren. Musikalisch hat das Quartett aus Louisiana lehrbuchgerechten Grindcore zu bieten – allerdings mit einem Faible für die Farbe Rosa und ’90s-Pop. Zwischen den Songs gibt es darum immer wieder Snippets von Britney Spears bis ABBA zu hören. Dazu tanzt Sängerin Liz Selfish im Sport-Dress klassische Cheerleader-Moves – wenn sie nicht gerade growlt wie besessen. Dass sie sich bis zum Ende der 30-minütigen Show auch noch die wasserstoffblonden Extensions aus den Haaren bangt, mag nicht beabsichtigt gewesen sein, fasst das Energielevel der Truppe aber gut zusammen. Am Ende täuscht die Performance aber nicht über die ziemlich generische Musik hinweg. So ist wohlwollendes Mitnicken dann auch das höchste der Gefühle – obwohl das (seitlich abgehängte) Backstage Werk bereits gut gefüllt ist.

  1. Bought The Farm
  2. Rope Drag
  3. Barracuda (Heart-Cover)
  4. Human Offense
  5. Hesitation Wound
  6. Social Grace
  7. Mean Is What We Aim For
  8. Blood Diamond
  9. Truncheon
  10. Slow Heat
  11. Chain Pain

Noch deutlich brachialer geht es im Anschluss bei FULL OF HELL zu: Ansatzlos startet die Truppe mit an Brutalität und Geschwindigkeit kaum zu überbietendem Powerviolence. Was zuvor Pop-Samples waren, sind nun noisige Sounds, die Fronter Dylan Walker aus seinem Effekt-Pult herausquält, wenn er nicht gerade brüllt wie am Spieß. Dass das Ganze trotzdem genießbar bleibt, ist einzig und allein dem Mischer zu verdanken, dem es gelingt, dieses Inferno zumindest in Sachen Sound in geregelte Bahnen zu lenken: So differenziert wie hier und heute hat man eine Band mit so extremem Stil selten erlebt. So vergehen die 30 Minuten, die der Band zugesprochen wurden, wie im Flug – und das ganz ohne stilistische Abwechslung. Das Wochenende oder die Bundestagswahl scheinen dem Publikum aber doch arg in den Knochen zu stecken: Auch FULL OF HELL sehen lediglich ein paar schuldbewusst geschüttelte Haare, ansonsten aber für die Musik überraschend gemäßigte Reaktionen.

  1. Deluminate
  2. Asphyxiant Blessing
  3. (unbekannt)
  4. Doors To Mental Agony
  5. Transmuting Chemical Burns
  6. Crawling Back To God
  7. Amber Mote
  8. Schizoid Rupture
  9. (unbekannt)
  10. Oven (Melvins-Cover)
  11. Bone Coral And Brine
  12. Gelding Of Men
  13. Eroding Shell
  14. Coagulated Bliss
  15. Burning Apparition

Nach zwei Portionen Rohkost gibt es bei CROWBAR etwas Zeit zum Durchatmen: Das Quartett aus New Orleans, Louisiana, bringt in jeder Hinsicht etwas Ruhe in den Abend. Schon rein vom Auftreten her – bewegen sich Mastermind Kirk Windstein und seine Bandkollegen verglichen mit den quirligen Vorbands doch sehr gemächlich über die Bühne –, aber natürlich auch musikalisch. Doch obwohl (oder gerade weil?) der Sludge von CROWBAR mit seinen tonnenschweren Riffs und den so herrlich jaulend gegrowlten Vocals stilistisch ziemlich aus dem Rahmen der Veranstaltung kommt, kommen CROWBAR beim Publikum richtig gut an. Wer die Band kennt, weiß aber auch, worauf er sich freuen darf: Jede Menge Klassiker, die zumeist deutlich über 25 Jahre auf dem Buckel haben, sowie – eher pflichtbewusst als aus Überzeugung – einen Song vom aktuellen Album „Zero And Below“. Die einzige echte Überraschung im 45-Minuten-Set der Truppe ist der Gastauftritt von NAPALM-DEATH-Bassist Shane Embury bei „High Rate Extinction“. Auch dieses Feature ziehen Shane wie auch Kirk allerdings völlig unaufgeregt durch – und das ist auch gut so: Hektik und Chaos gibt es in dieser Welt (und an diesem Abend) schon genug.

  1. To Build A Mountain
  2. Conquering
  3. I Feel The Burning Sun
  4. Chemical Godz
  5. Negative Pollution
  6. High Rate Extinction
  7. The Cemetery Angels
  8. Planets Collide
  9. Like Broken Glass
  10. All I Had (I Gave)

Nach dem sportlich durchgezogenen Vorprogramm ist es erst 21:25 Uhr, als NAPALM DEATH an der Reihe sind – was zumindest der arbeitende Teil des Publikums an einem Sonntag begrüßen dürfte. Die bisher eingesparte Energie jedenfalls lassen die Fans nun endlich ungebremst heraus: Vom Opener „Multinational Corporations, Part II“ an bis zum finalen „Unchallenged Hate“ wird nun doch noch eifrig gemosht. Anlass dafür gibt es aber auch genug: Im verglichen mit den vorangegangenen Shows der Band geringfügig abgewandelten Set (O-Ton Barney: „So you see that we are not lazy bastards“) reiht sich Klassiker an Klassiker.

Neben den absoluten „Hits“ haben NAPALM DEATH dabei überraschend viele lange nicht gespielte Songs im Programm – etwa „Retreat To Nowhere“, „Vision Conquest“, „Lowpoint“ und „Pride Assassin“, oder auch „Prison Without Walls“, das zuletzt 1989 auf der Setlist stand. Einen großen Unterschied für das Gesamterlebnis macht das freilich nur für Grindcore-Connaisseure und -Connaisseusen; für alle anderen sind natürlich auch diese Nummern, mit voller Absicht der Komponisten aus Birmingham, wenig mehr als Lärm.

Dass die Songs von NAPALM DEATH hektisch und schnell sind, ist weithin bekannt. Überraschend jedoch ist, dass die Briten heute auch zwischen den Songs ziemlich gehetzt wirken: Allen weltpolitischen Verwerfungen und einem besorgniserregenden Rechtsruck bei der eben erst ausgezählten Bundestagswahl zum Trotz fasst sich Barney mit seinen Ansagen erstaunlich kurz. Erst das Dead-Kennedys-Cover „Nazi Punks Fuck Off“ kündigt er mit einem „Fick die AfD, immer“ an. Und nach rund 70 Minuten ist „Unchallenged Hate“ dann auch ohne viel Tamtam Schluss. Das reicht dann auch, muss man ehrlicherweise sagen – sorgt aber nicht gerade dafür, dass von der Show mehr bleibt, als eben das Grundlegende: ein angenehm leergefegter Kopf zwischen den pfeifenden Ohren.

  1. Multinational Corporations, Part II
  2. Silence Is Deafening
  3. Lowpoint
  4. Vision Conquest
  5. Contagion
  6. Twist The Knife (Slowly)
  7. Resentment Always Simmers
  8. Narcoleptic
  9. When All Is Said And Done
  10. Amoral
  11. The World Keeps Turning
  12. Retreat To Nowhere
  13. Social Sterility
  14. Dead
  15. Suffer The Children
  16. Pride Assassin
  17. Necessary Evil
  18. Backlash Just Because
  19. Fuck The Factoid
  20. Scum
  21. Prison Without Walls
  22. You Suffer
  23. Nazi Punks Fuck Off (Dead-Kennedys-Cover)
  24. Unchallenged Hate

So unterschiedlich sie musikalisch auch sein mögen: Mit NAPALM DEATH und CROWBAR haben sich für die 2025er-Edition der „Campaign For Musical Destruction“ zwei Garanten für einen gelungenen Abend zusammengetan. Dass auch noch der Sound über alle Shows hinweg herausragend gut ist und die Vorbands kurzweilige Shows bieten, rundet den Abend gelungen ab. Große Überraschungen braucht man sich von dem Package zwar nicht erwarten – aber manchmal reicht es ja auch vollkommen, wenn bloß Erwartungen erfüllt werden.

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