Konzertbericht: Nachtgeschrei w/ Fiolka

19.03.2016 München, Spectaculum Mundi

Im sechsten Jahr kennzeichnen bei den südwestdeutschen NACHTGESCHREI keine personellen Veränderungen ihr alljährliches Gastspiel im Spectaculum Mundi, sondern musikalische: Mit „Staub und Schatten“ hat der folkmetallische Siebener erstmals sein neuestes Werk in fast voller Studiolänge im Live-Set integriert. Erste (Live-)Eindrücke des Longplayers gab es bereits Ende letzten Jahres im Vorprogramm von Saltatio Mortis zu hören, unter anderem bei einem hervorragenden Gastspiel in München. Die Vorzeichen scheinen für die Combo demnach mehr als geeignet, um mit ihrem neuen Material und ordentlich Rückenwind den nächsten Schritt hin zu alten Höhenflügen zu machen, doch besonders das Publikum in der bayerischen Landeshauptstadt erweist sich als ungewohnt harte Nuss.

Bandfoto

Im Vorprogramm kehren FIOLKA nach ihrem gelungenen Auftritt beim letztjährigen Free & Easy nach München zurück. Inzwischen hat das Quintett mit „Electree“ auch sein Erstlingswerk veröffentlicht. Die dazugehörige Release-Show auf dem Festival Mediaval 2015 in Selb stand unter keinem guten Stern und auch die Support-Show für Nachtgeschrei an diesem Abend leidet besonders unter der Technik. Viele der auf CD durchaus gelungenen Kompositionen werden begleitet von Aussetzern oder (im wahrsten Sinne des Wortes) schrägen Tönen, die die gelungenen Ansätze im Keim ersticken. Auch „Dance Of Souls“, das Duett von Frontstimme Laui mit DELVA-Sängerin Johanna Krins, erreicht nicht den Level des Free & Easy. Letztendlich hinken FIOLKA im Live-Umfeld mit zwei Drehleiern, viel Folk, noch mehr Fusion und einer Prise Elektro (noch?) merklich hinter ihrer Studioproduktion hinterher. Im Zuge wachsender Bühnenerfahrung und mehr Auftritten könnte die Band allerdings noch spürbar zulegen, die Basis ist in jedem Fall gegeben – besonders im Vergleich zu den Supportacts der letzten Jahre.

Nachtgeschrei 2015

Mehr als nur eine Basis besitzen NACHTGESCHREI als Hauptact des Abends in einem gut gefüllten Spectaculum Mundi. Mit „In die Schwärze der Nacht“ eröffnen die Musiker ihr Set mit dem Titeltrack des vorletzten Albums und animieren die Menge sofort zum fröhlichen Mitmachen und Mitklatschen. Das Publikum zeigt sich anfangs willig und erwartungsgemäß legt das Septett schnell des Fokus auf seine Live-Debüts. Mit Ausnahme von drei Songs spielt die Band alle Lieder von „Staub und Schatten“ zusammen mit Mitbringseln des Vorgängers sowie einigen Klassikern, die in keiner Setliste fehlen dürfen. Besonders auffällig ist an diesem Tag die fehlende Textaffinität des Publikums, was sich sowohl bei aktuellem Material wie „Die wilde Jagd“ als auch beim bandinternen Live-Klassiker „Der Meister“ mehr als offenkundig zeigt. Bei eben jenem Stück teilen einige Fans die Bühne mit der Band und erzeugen dort oben gefühlt mehr Stimmung als davor. Auch die beiden Publikumshälften Team Sane und Team Tilman liefern sich rund um „Spieler“ ein eher dürftiges Duell, während zackige Folkrock-Vorzeigenummern wie „Monster“ oder „An mein Ende“ an diesem Abend quasi verpuffen. Warum dem so ist, lässt sich zumindest nicht an der Band festmachen, die sich wie gewohnt reinkniet, um möglichst nah am Publikum zu musizieren und mit diesem zu interagieren. Was die Jahre zuvor im Spectaculum Mundi besser und auch im Vorprogramm von Saltatio Mortis anstandlos funktionierte.

Fernab davon beweist Frontmann Martin LeMar, dass er sich auch vor großen Herausforderungen nicht scheut und wagt sich erneut an „Ardeo“. Ein mutiger Schritt, wenn man bedenkt, dass Ex-Sänger Hotti zu eben jenem Song an eben jenem Ort von rund 300-400 Gästen auf Händen durch die Halle getragen wurde. Dies scheint allerdings nicht ins Gewicht zu fallen, besonders da sich Martin das Stück ebenso zu eigen macht wie „Niob“, „Herzschlag“ oder „An mein Ende“, die nur noch vage an ihre Ursprungsversionen erinnern. Obwohl Laui an diesem Abend ihren ersten Nachtgeschrei-Geburtstag feiert, verzichtet die Band auf das „Fernweh“-Duett des Vorjahres. Stattdessen nimmt Martin zusammen mit Gitarrist Sane am vorderen Bühnenrand Platz, um dort vor einer knienden Menge eine akustische Version von „Bruder“ zu zelebrieren. Eine Einlage mit Potential für weitere Intermezzi dieser Art.
Anschließend nimmt das Konzert unter anderem mit „Windstill“ noch einmal ordentlich Fahrt auf, ehe Schlagzeuger Stefan erstmals in einem wahrhaft bombastisch synthesizeruntermalten Solo seine Künste am Schlagzeug zeigt und die Band mit „Sirene“ sowie „Schlaflos“ den musikalisch kontrastreichen Endspurt vollführt.

Nachtgerschrei_D-Pac_4stg_Digipack fuer 1 CD mit BookletschlitzNach dem Höhepunkt im Vorjahr erreichen NACHTGESCHREI 2016 ihre eigene (extrem hochgelegte) Messlatte trotz eines hervorragenden, neuen Studiowerks nicht. Die Gründe dafür sind am Ende genauso schleierhaft wie im Verlauf des Abends, gibt sich der Siebener selbst alle Mühe, speziell „Staub und Schatten“ ins rechte Folklicht zu rücken. Doch besonders die trägen Publikumsreaktionen sorgen für ungewohnte Längen, vor allem in den „epischen“ Momenten der knapp 100-minütigen Show, die darüber hinaus erstmals ganz ohne instrumentale Stücke auskommt. Dafür klingt der gesamte Sound noch eine Spur metallastiger als zuvor. Diese Härte steht dem Geschrei grundsätzlich sehr gut zu Gesicht, benötigt aber noch ein paar ausgefeiltere Details wie z.B. deutlicheren Gesang im Instrumentenfluss, um in allen Nuancen zu überzeugen. Einem Comeback 2017, dem rekordverdächtigen siebten Jahr in Folge, steht indes hoffentlich nichts im Weg, zeigen die Musiker doch immer wieder wie gerne sie in den „Speckdackel“ kommen und dass sie auch trotz weniger Fan-Support als gewohnt mehr als amtlich rocken können.

 

 

 

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