Konzertbericht: Nachtgeschrei w/ DELVA

18.03.2017 München, Spectaculum Mundi

Nach dem Feuer Ardeos und der Erde in „Staub und Schatten“ führen NACHTGESCHREI mit ihrem letzten Studiowerk „Tiefenrausch“ in die unendlichen Weiten des Meeres. Auf der dazugehörigen Tour dürfte ein Stop in München nicht fehlen. Seit 2011 zählt der folkmetallische Siebener zu den Stammgästen beim alljährlichen Musica Antiqua Viva. Live entfesselte „Tiefenrausch“ 2017 ungeahnte Qualitäten.

Bevor es laut und schwitzig wird, lädt der Support DELVA zum Zuhören ein. Im Kontext von treibenden Melodien und Riffgewittern ist das Projekt rund um Sängerin Johanna Krins stets ein spannendes Experiment, so auch an diesem Abend in der Heimat der Band. Mit ihrem Auftritt unstreicht das Trio erneut seine Qualitäten, die sich u.a. bereits im Spectaculum Mundi und beim TANZT! 2016 gezeigt haben. Mit ihren reduzierten, wenngleich kraftvoll vorgetragenen Stücken von der Debüt-EP „DELVA“ und dem Nachfolger „The Raven’s Prophecy“ holt Johanna einen Großteil der Besucher ab. Zu verdanken ist dies primär der Stimme der Frontfrau, die ihren Texten immer wieder aufs Neue einen markanten Ausdruck verleiht. Dabei spielt es nur eine untergeordnete Rolle, ob das Material traditionell irisch oder selbstgetextet deutsch ist. Die DELVA-Interpretation von „Black Is The Colour“ gelingt ebenso wie „Schwarz und Weiß“, der „Schattentanz“ oder das neue „Der Frühling muss warten“. Für einige Nummern gesellt sich Laui an der Drehleier zum Trio und erweitert das streicher- und gitarrenlastige Klangspektrum um einige neue Facetten. Eine nette Idee, wenngleich gar nicht unbedingt notwendig.

 

Nach extrem kurzem Umbau spielen sich NACHTGESCHREI mit ihrem Titeltrack direkt in den „Tiefenrausch“. Was auf CD nicht ganz die Qualität vorheriger Alben erreicht, überzeugt im Kontext des Live-Umfelds überwiegend. Dazu trägt auch das im Vergleich zum Vorjahr feierwütigere Publikum in der bayerischen Landeshauptstadt bei, welches oft auch ohne Animation in die Songs einsteigt. Das metallische „Meilen unter Meilern“ und „Aus dem Licht“ sind nur zwei Beispiele aus der neuesten Schaffensphase, die mit mächtig Druck auf den Lautsprechern für amtliche Stimmung in der kleinen Halle sorgen. Vor dem etwas getrageneren „Heldenmut“ nimmt sich Sänger Martin, der mit seiner Stimme und seinem Charisma den gesamten Abend prägt, etwas Zeit für eine Ansage zum Hintergrund des Lieds. Dieses ist allen Helfern und Ehrenamtlichen gewidmet, die teilweise ihr eigenes Leben riskieren, um andere zu retten oder zu beschützen. In eigenen Worten zollen NACHTGESCHREI diesen Menschen ihren Respekt. Deutlich schweißtreibender wird es im Rahmen von „Die wilde Jagd“, „Das Nichts“ und beim Lautstärkeduell der Publikumshälften zu „Spieler“, ehe das Septett mit einer alten Perle überrascht: „Fernweh“ feiert ein Comeback in der Setliste, erstmals in der rockigen Variante allein mit Martin am Mikro – und überzeugt. Gleiches gilt für das akustische „Herbst“ und den ersten Teil der Zugaben: Mit dem „Fiur/Muspili“-Medley reisen die Frankfurter ebenfalls weit zurück in die eigene Vergangenheit und präsentieren ihre instrumentalen Stärken. Etwas, das „Tiefenrausch“ fehlt. Das reguläre Set beenden NACHTGESCHREI zuvor erst rockig mit „Windstill“ und dann verspielter mit dem letzten Track von „Tiefenrausch“ namens „Laniakea“. Nach der instrumentalen Dreingabe läutet „Schlaflos“ die letzten Takte des Gastspiels des Geschrei in diesem Jahr ein.

Die Frischzellenkur von „Tiefenrausch“ tut NACHTGESCHREI insgesamt gut und wird vom Live-Publikum bereitwillig angenommen. Dazu stimmt der satte Klang im Spectaculum Mundi und auch der Support als Kontrastprogramm. Unter dem Strich bringen die sieben Musiker alles mit für die größeren Hallen- und Festivalbühnen, doch auch die große Tour mit Saltatio Mortis scheint nicht für den nächsten Schritt zu sorgen. So bleiben die Folk-Metaller auch nach über zehn Jahren mehr ein musikalisches Kleinod für all jene, die sich mit der musikalischen Ausrichtung der größeren Combos nicht mehr identifizieren können. Griffig, experimentierfreudig und vor allem lebendig sind NACHTGESCHREI in annäherend jedem Song. Genau dieser eigene „Heldenmut“ schreit nach mehr Belohnung. 

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