Festivalbericht: Midgardsblot 2024 – Teil 2

Mitte August kommen rund 4.000 Menschen aus aller Welt ins norwegische Borre. Etwa zwei Stunden südlich von Oslo gelegen, findet dort, nahe dem Midgard Viking Center, das MIDGARDSBLOT Festival statt.

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… unter anderem mit unter anderem mit GRAND MAGUS und AMON AMARTH (Mittwoch) sowie VADER und TESTAMENT (Donnerstag)!

Freitag, 16.08.2024

Der Freitag kommt wieder mit besserem Wetter und einem picke-packe-vollen Programm. Den Anfang auf der Helheim-Stage machen VULTURE INDUSTRIES. Für was die Norweger musikalisch stehen, ist nicht einfach zu beschreiben. Zu den Black-Metal-Wurzeln hat sich viel Avantgarde-Rock und ein Schuss Horror-Metal gesellt: Der Metal-Soundtrack für die Addams Familiy. Die Bühne-Show steht dem musikalischen Wahnsinn (im positiven Sinne) in nichts nach. Sänger Bjørnar dominiert dabei klar mit seiner Theatralik und seiner Agilität auf der Bühne. Ein bisschen The Vision Bleak auf Speed. Herrlich!

Auf der Valhalla-Stage, die heute erstmals in Betrieb geht, sorgen FOLKET BORTAFOR NORDAVINDEN für eine ausgelassene aber gleichzeitig düstere Stimmung. Sehr ursprünglicher Nordic Folk mit dunklem kehligem Gesang animiert das Publikum zum Träumen und/oder Tanzen. Die Musik besticht durch ihre Einfachheit. Rauer, mehrstimmiger Gesang, monotone Rhythmen auf ursprünglichen Trommeln ergänzt um Melodien auf Leier und Flöte. Einfach gut, aber nicht simpel.

Mit EREB ALTOR geht es dann wieder etwas Gitarren-lastiger zu. Die Schweden stehen für Viking Metal mit einer Prise Black Metal. Gegründet im Jahr 2003, ist die Band bekannt für ihren epischen, atmosphärischen Sound, der nordische Mythologie und historische Themen aufgreift. Sie kombinieren mehrstimmigen Gesang mit melodischen Black Metal-Elemente und kraftvollen Viking Metal-Riffs. Ein stimmungsvoller Auftritt, der sehr gut zum Midgardsblot passt.

Auch auf der Valhalla-Stage geht es nur schwarz-metallisch zu Werke. Die Briten FEN bieten ihren atmosphärischen Black Metal feil. Bei prallem Sonnenschein versucht das Trio dichten, atmosphärischen Klanglandschaft zu beschwören. Bei gutem Sound und eingängiger Performance will der Auftritt aber nur bedingt zünden. Nicht ganz das richtige Setting.

Das haben dafür die Ärzte ohne Grenzen. Die gemeinnützige Organisation berichtet in der Gildehalle von ihrer Arbeit. Auch hier unterstreicht das Festival erneut seinen Anspruch, Menschen über alle Grenzen zu verbinden. Detail am Rande: An jedem Stand kann heute mit einem Extra-Trinkgeld für die Ärzte ohne Grenze gespendet werden. Bravo!

Während parallel in der Gildenhalle düsterer Synth-Pop der Marke FABBRICA 82 erschallt, geht es auf der Helheim Stage metallisch weiter. Die ehemaligen Australier DESTROYER 666 verkörpern einen aggressiven Mix aus Black und Thrash Metal. Pfeilschnelle rohe Riffs und energiegeladene Beats treffen auf eine Spielfreude ohne Gleichen. Kollege Warslut und Konsorten stehen gern im Rampenlicht und das merkt man. Auch musikalisch zündet der Auftritt beim Publikum. Mission completed!

Auf der Valhalla-Stage gibt es wieder das übliche Kontrastprogramm. Das Duett Natasha und Anatoly nimmt uns mit in die Welt der sibirischen Schamanen. NYTT LAND ist geprägt durch den einzigartigen und kraftvollen Gesang der beiden Sibirier. Er basiert auf traditionellen, uralten Vokal- und Kehlkopfgesangstechniken indigener Völker. Unterstützt werden die beiden von einem Drummer, der das Ritual noch druckvoller zum Leben erweckt. Musikalisch und optisch ein Hingucker!

Im Anschluss muss sich das geneigte Publikum entscheiden: Roher Black-Metal das Marke NATTVERD in der Gildehalle oder Alternative Rock auf der Main Stage. Das Votum fällt klar aus, nicht zuletzt, weil in die Gildehalle nur 200 Leute passen. Diese ist aber randvoll und die strenge Security muss weitere Zuschauer abweisen. Die Atmosphäre in der dichtgedrängten Gildenhalle ist einmalig. So intensiv geht sonst nur in den berühmten kleinen finnischen Clubs zu. NATTVERD als grimmiger Black-Metaller aus Bergen lassen sich ihre Begeisterung kaum anmerken und liefern eine eiskalte und rohe Performance ab.

Vor der Helheim-Stage haben sich derweil ein Großteil der verbleibenden 3800 Gäste versammelt. Auch die müssen nichts bereuen, denn SEIGMEN liefern ebenfalls eine intensive Show ab. Das verwundert kaum, schließlich haben es Teile der Band Anfang der 2000er unter dem neuen Namen Zeromancer zu Weltruhm gebracht. Heute Abend gibt es wieder das Original mit weniger Industrial Metal und mehr Alternative der Marke Bush oder Soundgarden.

Den Abschluss und das heimliche Highlight des Freitags gibt es auf der Valhalla-Stage. Unter dem Namen SONGLEIKR hat die Heilung-Sängerin eine sehr ansprechende Schar an Mitstreiter um sich geschart: Christoper Juul (ebenfalls Heilung), dessen Vater, Ingrid Galadriel u.a. Die 2016 gegründete Kombo ist gerade auf Welttournee, wie Ingrid und Maria bekunden, und das Midgardsblot ist das absolute Highlight der Tour. Nicht nur, weil die Tour genau einen Stop macht, sondern auch weil Maria quasi im heimischen Wohnzimmer auftritt und die ganze Familie da ist.

Musikalisch bieten SONGLEIKR heiteren Nordic Folk mit einem Augenzwinkern, ob der eigentlich düsteren Vorlagen. Die Kombo und insbesondere die beiden Damen haben sichtlich Spaß auf der Bühne. Diese Freude ist absolut ansteckend und man möchte sich wünschen, dass die Welttournee noch etwas ausgedehnt wird.

Samstag, 17.08.2024

Der Samstag startet energie-geladen mit dem TEXAS CORNFLAKE MASSACRE. Die Energie befindet sich dabei mehr auf der Bühne als davor. Anfänglich ist das Verhältnis von Musikern zu Gästen noch einstellig. Der druckvolle Death-Metal der Texaner lockt dann aber noch ausreichend Publikum aus ihren Schlafsäcken vor die Bühne.

Bei LUMSK ist es dann schon bedeutend voller. Die Norweger bieten eine spannende Mischung aus Progressive Metal und traditionellem skandinavischem Folk. Engelsgleicher Gesang kombiniert die Band aus Trondheim mit Geigen und folkloristischen Instrumenten sowie mit druckvollen Metal-Riffs. Eine gelungene Mischung.

In der Gildenhalle liefern derweil NYTT LAND einen zweiten Auftritt ab. In intimer Atmosphäre spielen Natasha und Anatoly ein rein akustisches Set ab. Zwischen den Liedern gibt es immer wieder Auszüge aus einem alten Märchen aus ihrer Heimat Sibirien. Gänsehaut pur für die 200 Teilnehmer in der randvollen Halle.

Auf der Valhalla-Stage bleibt es folkig: LINDY-FAY HELLA und DEI FARNE stehen für elegischen Nordic Folk, der getragen wird durch die herausragenden Stimmen der beiden Sängerinnen. Poppig und ohne große Höhen und Tiefen kommt der Auftritt daher. Als Highlight geht noch die Bardin mit dem Akkordeon durch. Ansonsten doch lieber Wardruna, deren Mitglied Lindy-Fay Hella bekanntlich ist.

Deutlich mehr Energie bringen auf UNLEASHED auf die Helheim-Stage. Das Urgestein des Viking-Metals macht wie immer keine Gefangenen. Solide und druckvoll spielen die Schweden einen bunten Querschnitt aus ihrem Schaffen. Besonders passend zum Midgardsblot: „You are the Warrior!“

In der Gildenhalle liefern derweil SALIGE SYNDERE („seelige Sünder“) soliden Folk-Rock ab. Was man von außen hört, klingt ebenfalls sehr hörenswert. Sehens und hörenswert ist auch LEDFOOT. Unter diesem Künstlernamen tritt Tim Scott McConnell als Soloprojekt auf der Valhalla Stage auf. Bewaffnet mit einer 12-saitigen Gitarre und einer markanten tiefen Stimme liefert McConnel eine einzigartige Mischung aus düsterem, rauem Blues und Americana ab. Seine Musik wird oft als „Gothic Blues“ bezeichnet und zieht durch ihre eindringliche Atmosphäre und rohe Authentizität in den Bann. Unerwartet, aber eine absolute Bereicherung auf dem Festival.

Während es auf der Helheim-Stage mit BEL CANTO wieder sehr poppig wird, gibt es in der Gildenhalle mächtig auf die Ohren. Die Norweger DWAAL liefern in minimaler Beleuchtung eine tonnenschwere Mischung aus Sludge und Post-Metal ab. Die Atmosphäre (wie auch die Luft) ist dermaßen dicht, in der 200 Personen fassenden Gildenhalle, dass sich jeder Besucher sein Stück für zuhause mitnehmen kann.

Mit ELDRIM geht es auf der Valhalla-Stage wieder gewohnt traditionell zu. Klassischer nordischer Folk – sehr ausgewogen und sehr hörenswert. Ein schöner Moment, um Atem zu holen, bevor es wieder zur Mainstage geht.

Dort geben sich Ihsahn und Samoth mit EMPEROR die Ehre. Obwohl seit der Auflösung 2001 kein Album mehr erschienen ist, sind die Urgesteine des norwegischen Black-Metal nie ganz von der Bühne verschwunden. Diverse Auftritte auf dem Inferno oder dem Wacken gab es in den letzten 20 Jahren. Dennoch ist die Spannung groß als das Intro von 1994er-Scheibe „In The Nightside Eclipse“ erklingt. Haben sie es noch drauf? Wird der komplexe Sound insbesondere der späteren Alben realisierbar sein? Die Antwort auf beide Fragen ist ein klares JA! Ihsahn und Co. bringen ganz alte wie auch nicht ganz so alte Songs mit einem glasklaren Sound und der gewohnten Perfektion auf die Bühne. Ein verdienter Headliner.

Den Abschluss des Festivals bilden RUNAHILD & ASTRALSEID auf der Valhalla-Stage. Träumerischer Folk kühlt die Gemüter nach der Raserei von Emperor wieder herunter.

Mit einem Fackelzug zum Strand und endet ein sehr gelungenes Festival mit dem Abschlussritual am Fjord. Das Blot ist und bleibt ein Ort für alle Menschen, unabhängig von Nationalität, kulturellem Hintergrund, ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht oder sexueller Orientierung. Es zelebriert das Miteinander und die Vielfalt. Nicht zuletzt ist es ein perfekt organisiertes Festival mit einer extrem vielseitige musikalischen Ausrichtung bei durchgehend perfektem Sound und einem eigentlich schon zu umfassenden Rahmenprogramm. Als Wehrmutstropfen bleibt, dass aufgrund der parallelen Veranstaltungen viele sehenswerte Vorträge, Events wie das Met-Tasting und etliche Bands auf der Strecke bleiben. Dazu zählt leider im Falle des Autors auch die Fahrt mit dem restaurierten Winkinger-Langboot „Saga Oseberg“. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben! Danke an die Organisatoren, die Mitwirkenden und nicht zuletzt auch die vielen Freiwilligen, die mit diesem Festival ein unvergessliches Erlebnis geschaffen haben.

Publiziert am 9. September 2024 von Hannes Fuchs

Fotos von: Hannes Fuchs