Festivalbericht: Metal For Mercy 2007

13.04.2007 Witten, Werkstatt

2 Tage, 15 Bands, 14 Euro Eintritt – so könnte die Headline zum vierten „Metal For Mercy“-Festival lauten, wenn da nicht das beinahe Wichtigste fehlen würde. Wie so einigen inzwischen bekannt sein dürfte, handelt es sich bei „Metal For Mercy“ um ein Benefizfestival. Konkret heißt das: alle Bands spielen ohne Gage bzw. verzichten auf einen Großteil derselbigen und beziehen lediglich eine Aufwandsentschädigung etwa in Höhe der entstandenen (Benzin-) Kosten zu Gunsten des Kinderhospiz-Dienstes Ruhrgebiet e.V., eine Vereinigung, die sich um todkranke Kinder und deren Familien kümmert.

Wie im Vorbericht angedeutet, kamen diesmal einige Neuerungen auf Veranstalter und Fans zu, denn erstmals wurde „Metal For Mercy“ an zwei Tagen ausgefochten, so dass sich für Flo die Möglichkeit ergab, zwei Themenabende zu installieren. Außerdem ging es nach zwei Jahren „Matrix“ in Bochum wieder „back to the roots“, denn MfM 2007 fand wie im ersten Jahr wieder im Kulturzentrum „Werk°stadt“ in Witten statt.

Freitag, 13. April 2007

Und so war es wenig verwunderlich, dass sich am ersten richtig warmen Tag des Jahres etliche mehr oder weniger schwarze Gestalten auf den Weg ins Kulturzentrum machten, um ihre Helden bzw. die, die es in den nächsten Jahren noch werden wollen, live und in Lebensgröße zu begutachten. Das inzwischen traditionelle Opener-Turnier entschieden diesmal die Hamburger STURCH für sich, die erst eine Woche vor dem Konzert einen Plattenvertrag erhalten haben, so dass das „Ausschlusskriterium“ für die Teilnahme am Contest spät genug kam. Wie auch in den vergangenen Jahren bot der Opener ein feines Programm mit ordentlicher Musik, die man getrost im Bereich des Modern Rock einordnen kann, Vergleiche mit Tool kann man durchgehen lassen, allerdings gehen die Nordlichter doch etwas härter zur Sache. Zum Anheizen an einem langen Konzertabend aber sicher genau richtig, auch wenn die Band nach Meinung vieler Anwesender an der frühen Position etwas verheizt war, was auch der durchaus reichhaltige Applaus des Publikums zu bestätigen wusste.

Als nächstes folgte bereits mein persönliches Freitags-Highlight, denn die Bochumer DAWN OF DESTINY enterten die Bühne. Schnell sprang der Funke von der Band auf das Publikum über, was bei einer derartig ausgereiften Musik, wie die vier Jungs um Frontdame Tanja zelebrieren, gar nicht verwunderlich ist. Zwar ist Power Metal hier nur eine bedingt zutreffende Kategorisierung, aber das war den mittlerweile zahlreichen Fans relativ egal. Da flogen Fäuste gleichermaßen wie Haare, Songs wie „Healing Touch“, „Dawn Of Destiny“ oder „Condemnation“ wurden also kräftigstens abgefeiert. Mit einer reifen Bühnenperformance und tollen Songs in der Hinterhand hat sich der Ruhrpott-Fünfer auf jeden Fall mal wieder für höhere Aufgaben empfohlen.

Die folgenden Bands verpasste ich leider, da ich ein Interview mit DAWN OF DESTINY führte. Im Falle von CURSED IN SILENCE, der Band von Veranstalter Flo, war es zu verschmerzen, da ich die Truppe in den letzten Monaten einige Male gesehen habe, schade war es hingegen, CUSTARD (Power Metal) zu verpassen, die, wie mir Ohrenzeugen versicherten, einen schmissigen Gig auf die Bretter geknallt haben. Die Meinung des Publikums zu CURSED IN SILENCE war auch recht positiv, nach dem unglücklichen Auftritt beim letzten „Metal For Mercy“ (Abbruch nach drei Liedern wegen Soundproblemen) kam das Programm um Shouter Olli und Sängerin Anni mit einem ordentlichen Schuss guter Laune daher. CUSTARD wurden mit etwas mehr Lobeshymnen bedacht, im Vergleich vor allem zu CURSED IN SILENCE muss man aber betonen, dass diese Band bereits einen Plattenvertrag hat und logischerweise eine professionellere Live-Performance an den Tag legt.

Anschließend wurde es eine Nummer düsterer, die paganistisch angehauchte Musik von ADORNED BROOD erklang. Leider hatte sich die Halle nach CUSTARD doch merklich gelehrt, vermutlich, da bis auf BLACKWELL bereits alle lokalen Bands gespielt hatten. ADORNED BROOD und den noch Anwesenden war’s aber herzlich egal, die Band spielte ihren Stiefel runter, wobei besonders die integrierte Querflöte interessante Einsätze hatte. Vor vollem Haus wäre es sicher ein toller Auftritt gewesen, so fehlte doch etwas die Stimmung im Publikum, ein Problem, mit welchem auch die Baden-Württemberger REMEMBER TWILIGHT zu kämpfen hatten. Kammercore nennen sie ihre Musik, was wohl auf schnelle, harte Musik mit Streichinstrumenten hindeutet. Und tatsächlich, neben der üblichen Bandbesetzung gesellen sich zwei junge Damen zum Rest, welche anmutig ihren Violinen erklingen lassen. An diesem Abend genießen sie damit sicher Exotenbonus und auch ihnen würde ich beim nächsten Mal mehr Publikum wünschen.

Den ersten Abend beschließen zu später Stunde, es ist bereits weit nach ein Uhr und im Ganzen fast sieben Stunden abwechselungsreicher, gutklassiger Musik liegen hinter uns, die Mühlheimer BLACKWELL, welche bereits im letzten Jahr bei der Warm-Up-Party mit einem beherzten, engagierten Auftritt glänzen konnten. Engagiert waren sie auch diesmal, allerdings machte sich der zunehmende Zuschauerschwund immer mehr bemerkbar. Gerockt haben die Jungs wieder, nur leider hat es nun wirklich bis auf die besten Freunde und einiger Teammitglieder (sowie dem tapfer ausharrenden Metal1-Redakteur) dann auch niemand mehr. Schade, immerhin gute 250 Leute waren es ja schon an diesem Abend, aber davon hätten ruhig auch ein paar mehr noch durchhalten können, denn sie verpassten so nicht nur gutklassige Bands, sondern auch noch zwei ziemlich betrunkene Jünglinge, die mit den „Metal For Mercy“-Spendendosen am Ausgang lauerten und durch allerlei zwielichtige Angebote immerhin über 100 € an Spenden einsammelten. Da auch ich brav einen Obolus eingefügt hatte, konnte ich mich gegen halb drei dann auf den glücklicherweise kurzen Heimweg machen.

 

Samstag, 14. April 2007

Eine Mütze Schlaf, etwas gegen Nachdurst und Kopfschmerzen und weiter ging es. Zugegeben, es ist vorteilhaft, bei einem Festival im heimischen Bettchen nächtigen zu können, entsprechend frisch schlug der Metal1-Redakteur am Samstag, dem 14. April pünktlich zur ersten Band wieder auf. Auch wenn die musikalische Kost nicht so ganz dem Gusto entsprach (was allerdings nicht am Können der Bands sondern eher an den dargebotenen Musikstilen lag), stand doch wieder ein amüsanter Abend bevor.

FACE DOWN HERO waren also die Gewinner des Opener-Contests für den „harten“ Abend. Aus dem hessischen Marburg reisten sie mit reichlich melodischem Thrash Metal an und prügelten ihr Set kompromisslos in die bereits wieder ansprechend gefüllte Matrix. Scheinbar ist der heutige Festivalgänger eher darauf bedacht zeitig anwesend zu sein, aber eben auch früh wieder die Heimreise antreten zu wollen. Danach war wieder Zeit für ein Heimspiel, STURMPROPHET aus Witten enterten die Stage und machten härtetechnisch da weiter, wo FACE DOWN HERO aufgehört hatten. Musikalisch tendierten die Jungs eher in Richtung Pagan Metal, wobei mir Bands, bei den man nicht verstehen kann, ob sie Deutsch, Englisch oder Suaheli singen, eh etwas suspekt sind. Immerhin hatten sie eine kleine Fanbase mobilisiert, die das wilde Stageacting gerne aufnahm und vor der Bühne eine Party feierte. STRUMPROPHET hätten mir sicher besser gefallen, wenn sie, gestützt auf feine Melodien der Instrumentalfrakton samt Keyboard, hier und da mal das Tempo gedrosselt hätten. Sei’s drum, dem Publikum gefiel es und auch die Band hatte sichtlich ihren Spaß.

Zur nächsten Band TIL MY LAST DROP gibt mein Diktiergerät zunächst nichts weiter her als „Affenstall“. Dies will ich ausdrücklich nicht auf die Band beziehen, auch wenn sie sicher in gewisser Weise als Initiatoren „schuldig“ gemacht hat. Aber was im Publikum bzw. einem kleinen Teil davon vor sich ging, war nicht anders zu bezeichnen. Hip-Hopper, stylisch die Hose in den Kniekehlen und Kappen vorpubertär schief af dem Schädel, zelebrierten eine Art Karat-Show, die dem brasilianischen Volkssport „Capoeira“ vermutlich recht nahe kommt. Dass dabei für den Rest des Auditoriums kein Platz mehr war, versteht sich von selbst, bis auf diesen elitären Haufen schien aber auch niemand so wirklich angetan von der Musik der Bochumer/Wittener-Formation, eher 08/15-mässiger Hardcore. Vielleicht waren die Besucher aber auch nur einfach abgeschreckt und wären sonst etwas kräftiger mitgegangen.

Auch bei Band Nummer 4, EXPOSED TO NOISE, wurde wieder, oh Wunder, geprügelt und auch dies ziemlich laut. Der Schlagzeuger der Band wird sicher bei jeder Probe ein neues Snaredrum-Fell aufziehen müssen, nachdem er wie ein Klitschko in besten Jahren auf seinem Instrument herumgewütet hat. Musikalisch und insgesamt technisch war der Auftritt einwandfrei, nur beschlich mich leider ab und zu das Gefühl, dass außer dem berserkernden Schlagzeug und dem Kreischen des Frontmannes überhaupt nichts zu hören war. Auch dieser Band hätten ein paar groovende Elemente sicher gut zu Gesicht gestanden.

Die folgenden Bands TULIP und LAID IN ASHES verpasste ich wiederum aufgrund von Interview-Tätigkeiten, allerdings sind mir TULIP aus Bochum natürlich keine Unbekannten, ein paar Mal habe ich schon was von ihnen gehört und mit der früheren Band von „Schreihals“ Dimi teilte ich bereits die Bühne, auch wenn das schon eine Weile her ist. Aber schön, mal wieder alten Bekannten über den Weg zu laufen. LAID IN ASHES sollen nach Zuschaueraussage ganz gut gewesen sein, allerdings fielen auch sie, wie schon die headlinenden Freitagsbands dem zunehmenden Ablauf der Zuschauer zum Opfer.

Schlattplatte, siebter Teil. FINAL BREATH gaben mit flinker Instrumentenbeherrschung noch einmal alles, obwohl inzwischen wohl mehr Kellner, Techniker und Musiker als Zuschauer anwesend waren. Das muss man den Jungs auf jeden Fall hoch anrechnen, die Musik war dann eher nicht mein Fall, auch wenn die erste Reihe ordentlich die Haare fliegen lies. Thrashiger Deathmetal ist ohnehin nicht so mein Ding, da wäre schon ein herausragender Auftritt von Nöten gewesen, der aber verständlicherweise kaum noch möglich war. Auch hier ein ambivalentes Fazit: für Fans der Musik sicher ein Hochgenuss, für das allgemeine Publikum klang es eher etwas eindimensional.

Das änderte sich zum Glück beim Headliner doch noch komplett. BURDEN OF GRIEF konnten mich schon mit ihrem letzten Output „Death End Road“ fast vollauf überzeugen und bereits beim damaligen Hören war eigentlich klar, dass die Musik absolut livetauglich daherkommt. Und so feuerten Mike und die Jungs eine melodische Todesblei-Granate nach der nächsten ins Publikum, dem sowohl die eher langsamen Stücke wie „Swallow The Sun“, aber auch die flotten Hymnen wie „Killer In Me“ gefielen. Dass in den letzten Jahren insgesamt drei neue Bandmitglieder integriert worden sind, fiel kaum auf, zu professionell agiert das hessische Quintett, dem es auch (fast) egal zu sein schien, dass nur noch lumpige 22 Zuschauer anwesend waren. Allen anderen muss man einfach sagen, dass sie das Beste wirklich verpasst haben und so flogen auch nach insgesamt 14 Bands an zwei Tagen nachts um 1.30 Uhr noch massenhaft Haare, so dass die wenigen Verbliebenen letztlich sehr zufrieden den Heimweg antreten konnten.

In einem solch speziellen Fall ist es nicht ganz leicht, ein lockeres Fazit zu ziehen. Gerade am ersten Tag war viel Interessantes dabei, wenngleich auch Tag zwei seine starken Bands aufzuweisen hatte. Einen Veriss hat keine Band verdient, die sich in den Dienst der guten Sache stellt, daher bewerte ich das vierte „Metal For Mercy“-Benefizfestival mal einfach als musikalisch ansprechend. Leider waren an beiden Abenden nur insgesamt 400 Leute anwesend, was gerade im Hinblick auf den Benefizcharakter doch etwas traurig stimmt. Man kann nur hoffen, dass Flo seine Truppe beisammen hält und sich auch im nächsten Jahr wieder für eine gute Sache engagiert, so etwas bräuchte es in der heutigen Zeit viel häufiger.

Publiziert am von Jan Müller

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