Seit 2003 heißt es jedes Jahr am Wochenende vor allmighty Wacken: „Bash or be bashed“ in Neu Wulmstorf bei Hamburg – zum vierten Mal veranstalteten Remedy Records heuer ihr kleines, aber feines Hausfestival im idyllischen Hamburger Vorort und luden zu diesem Anlass Bands aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden ein. Der Viking/Pagan-Anteil, den man letztes Jahr durch das Heran holen von Tuatha de Danann, Equilibrium und Moonsorrow schuf, fiel dieses Jahr komplett raus und wurde durch eine höhere Quote von Death- und Black Metal-Bands ersetzt. Unberührt von dieser Entwicklung verblieb die große Zahl an Bands aus der Power/Heavy/Speed-Ecke, die mit dem als „legendär“ angepriesenen Ex-Sänger von Iron Maiden, Paul Di’Anno, aufwarten konnte.
Nachdem das ‚Bash letztes Jahr wortwörtlich ins Wasser gefallen war, versprach der Einzug haltende „Jahrhundertsommer“ (schon der zweite in diesem Jahrhundert!) in dieser Hinsicht Besserung, und um es voraus zunehmen: Die meiste Zeit über sollte es tatsächlich trocken bleiben, dazu sorgten zwei kurze, aber heftige Regenschauer für Abkühlung, die in der schwülen Hitze auch sehr gelegen kam. Zudem hatten die Veranstalter aus den Erfahrungen des letzten ‚Bash gelernt und diesmal zwar nicht für mehr Sitzgelegenheiten, aber wenigstens für mehr Möglichkeiten zum Unterstellen gesorgt. Die Essens- und Getränkepreise blieben im guten bis akzeptablen Rahmen (1,50€ für 0,3l Bier, 1€ für 0,3l Softdrinks, 1,50€ für Pommes), und überfüllt war der auf die angepeilte Besucherzahl von 500 Leuten ausgelegte Platz zu keiner Zeit.
Doch nun zum wirklich Wichtigen, zur Musik. Lonewolf aus Frankreich entgingen meiner „Reisegruppe“ und mir (im Folgenden „wir“ genannt), daher waren NEVER COMES SILENCE für uns die erste Band des Tages, offensichtlich eine Gothic-Kapelle mit Growlelementen und einer Violine, quasi Haggard für Arme, wenn natürlich auch mit gänzlich anderer Stilrichtung. Viel sahen wir nicht von der Gruppe, das Gesehene war eine solide Vorstellung, wenn auch nicht überragend und mit wackligem Gesang. Die Bremer von ETERNAL REIGN wussten mit ihrem Gemisch aus Power- und Speed Metal dafür umso mehr zu überzeugen, hier ging vor der Bühne schon halbwegs die Post ab, freilich in kleinem Rahmen. ABROGATION lieferten soliden Death Metal mit historischen Themen, der erste Moshpits vor der Bühne aufkommen ließ – mörderisch bei diesem Wetter, möchte man meinen, doch zu größeren Notfällen, um die sich die DLRG-Helfer hätten kümmern müssen, kam es nicht, nur die üblichen Sonnenstiche und Trunkenheitsfälle waren zu beklagen.
In den viertelstündigen Spielpausen pilgerten wir immer wieder zum 100 Meter vom Festivalgelände entfernt geparkten Auto zurück, um Kraft in Form von Corny-Riegeln, Schinkenwürsten, warmer Sprite und kaltem Wasser zu tanken. Während der Pause vor ABANDONED kam es nun auch zum ersten kleinen Wolkenbruch des Tages, den wir im Auto zum Glück unbeschadet und trocken überstanden. Bei der Rückkehr sahen wir eben genannte Band aus Hessen, die sowohl mit ihrem melodischen Thrash Metal als auch mit ihren kultig akzentuierten Ansagen zu gefallen wussten. Die Power Metaler von IVORY TOWER indes hatten Schwierigkeiten, die „Menge“ in Wallung zu bringen, und so hielt sich der Großteil des Publikums lieber bei den Verköstigungsständen als vor der Bühne auf, was durch den gegen Ende des Auftritts einsetzenden heftigen Schauer nicht gerade besser wurde. Eigentlich schade, denn IVORY TOWER waren technisch einwandfrei und musikalisch durchaus interessant, wenn auch vielleicht etwas zu kopflastig, um wirklich dazu abgehen zu können.
NEGATOR knüppelten während des immer noch anhaltenden leichten Regens ihren rohen Black Metal runter, ohne dabei irgendwelche wirklichen Höhepunkte vorzeigen zu können. Unspektakulär. Spektakulär wurde es dafür bei den holländischen Schwermetall-Urgesteinen (Jahrgang ’79) von VORTEX: Die vollschlanke Frontsau Jurjen Tichelaar trat in einem hautengen (!) Spandex-Outfit, einer befellten Weste, einer zotteligen Perücke samt Stirnband und mit Corpsepaint auf und gab so ein herrliches Bild ab. Die Jungs rockten gut ab und gaben zum Schluss eine Coverversion vom Judas Priest-Klassiker „Breaking the law“ zum besten. Nachdem ich aufgrund der auf meinem gebrutzelten Haupt sitzenden Würger King-Krone und meines Klappstuhls zum „König“ ernannt wurde und mir huldigen ließ (selten so viel Spaß gehabt), folgte der erste kleine Headliner: DEBAUCHERY, die (Kunst)blutverschmiert auf die Bühne kamen und ihren Gore-basierten, groovenden Death Metal mit viel Spaß an der Freude in die moshende Menge schleuderten. Zu „Chainsaw Masturbation“ gab’s ausgelassenes obszönes Posing vom Fronter. Klasse Auftritt! Der Auftritt von GUN BARREL ging ohne weitere Besonderheiten vorbei, und so wirklich konnten die Herren die Menge auch nicht in Stimmung bringen. Als „Überraschungsgast“ kamen die KNEIPENTERRORISTEN auf die Bühne und zockten zwei Songs runter.
Nun war es Zeit für den zweiten großen Namen des Tages: DARK AGE, die Lokalmatadoren aus Hamburg, die mit ihrem düsteren Dark Metal schon so manchen Banger zu überzeugen wussten. Ich kannte die Jungs bisher nur vom Hörensagen, doch sie waren stets in höchsten Tönen gelobt worden, und so entschloss ich mich zu einer Expedition in die erste Reihe. Nach einigen technischen Startschwierigkeiten ging’s dann los – und wie es los ging! Mit einer enormen, herrlich anzusehenden Spielfreude gingen DARK AGE ans Werk und versetzten die nun recht große Menge vor der Bühne heftig in Bewegung. Ich wechselte nur noch zwischen Bangen, Fotos machen und wieder bangen, grölen, bangen, und so weiter und so fort. Knaller wie „Last Words“ und drei Songs vom neuen Album, für das sich die Truppe nun vier Monate ins Studio zurückzieht, trieben mich gegen meine Art auch noch auf die erste Quersprosse der Absperrung, von wo ich weiter feierte. Ein grandioser Auftritt dieser Band, die ihre Lockerheit bewahrt hat und sich nach dem Auftritt noch in bester Stimmung zu einem Gruppenfoto mit mir in der Mitte bereit erklärte.
Zuletzt stand jetzt noch der eigentliche Headliner aus: Iron Maidens ehemaliger Stimmgeber PAUL DI’ANNO mit seiner deutschen Backing-Band „The Phantoms of the Opera“, im Vorfeld oft als „Legende“ betitelt. Nun ja. Neben den Songs, darunter Maiden-Klassiker wie „Running free“, „Phantom of the opera“, „Killers“ und „Wrathchild“ zwischen einigen Eigenkreationen, war er hauptsächlich damit beschäftigt, immer wieder zu betonen, dass er 15.000 Meilen aus Südamerika nach Deutschland gekommen sei und von den „Motherfuckern“ hier mehr Stimmung haben wolle. Auch betonte er, dass seine Stimme an diesem Abend ziemlich „fucked up“ sei. Und er redete noch irgendwas von „fucking motherfuckers“. Na, wer erkennt das Muster? Manchen mag diese prollige Art gefallen, mir ging sie jedenfalls gehörig auf die Nüsslein. Musikalisch war der Auftritt in Ordnung, auch wenn Di’Anno viel eingebüßt hat in den Jahren. Vielleicht lag’s aber auch nur an seiner „upgefuckten“ Stimme an diesem Abend.
Das war also das Metal Bash 2006, ein kleines, aber außerordentlich feines Festival mit viel Charme, reichlich guter Musik, angenehmer Atmosphäre und akzeptablen Preisen. Ein klasse Wacken-Warmup, das auf weitere Neuauflagen hoffen lässt. No sleep ‚til Neu Wulmstorf!