Festivalbericht: Mediaval-Solidaritäts-Festivals 2022 – Tag 1

14.05.2022 - 15.05.2022 Selb, Goldberg

Nach dem „Benefiz am Berg“ im letzten Jahr kehrt das Festival-Mediaval für zwei SOLIDARITÄTS-FESTIVALS im Frühjahr 2022 an den Goldberg zurück. Das Besondere: Diesmal spielen die Bands ohne Gage, um das Festival-Mediaval zu unterstützen. Ganz ohne pandemische Einschränkungen und bei bestem Wetter finden sich mehrere hundert Gäste auf dem Gelände ein. Das liebevoll „Mini-Mediaval“ getaufte Festival unterteilt sich in einen Rock- und einen Folk-Tag. Der eröffnende Samstag steht dabei für die etwas härteren Klänge und der Goldberg entfaltet wieder einmal seine einzigartige Atmosphäre.

Foto @ Bernd Sonntag, konzertreport.de

LAUTENMANN starten das Festival bei bestem Wetter mit dem starken Opener „Sturmvogel“ und locken damit die ersten paar Dutzend Zuhörer weg von den Bierbänken in die schattenfreie Fläche vor der Bühne. Mit guten Gitarrensoli und ansprechenden Drehleier-Parts macht die Band dem Rock-Mittelalter-Thema des heutigen Tages alle Ehre. Neuzugang Chris sorgt dabei für den nötigen Druck am Schlagwerk. Trotz des oft undankbaren Slots als erste Band des Tages hinterlassen LAUTENMANN damit einen sehr positiven Eindruck.

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Ebenso launig geht es mit IRXN weiter. Die Münchener mit dem sperrigen Namen spielen inzwischen schnellen Folk in Mundart, gern auch mehrstimmig, und fordern mit dem launigen Genre-Mix zum Tanzen auf. So erspielen sie sich mit Songs wie „Kokolori“ oder „Tanz mit mir“ schnell ein kleines, aber bewegungsfreudiges Publikum. Auch die neueste Single „Unschuld“ wird auf Live-Tauglichkeit erprobt. Bei ruhigeren Stücken wie „Die Leichtigkeit des Seins“ sind dagegen nicht die Tanzbeine, sondern die Stimmbänder des Publikums gefordert: Fleißig wird bei „Dib dib dib, mir san was uns übrig bleibt“ mitgesungen. Besonders heimelig wird es bei „Giasing – dreggad und oid“, die IRXN-Ode an den berühmten Münchener Stadtteil Giesing. Lässig zum Mitschunkeln arrangiert besingen sie ihr geliebtes Viertel und werden dabei auch wehmütig, denn auch das bodenständige, alteingesessene Giesing kämpft gegen steigende Mietpreise und Gentrifizierung. Insgesamt ein abwechslungsreicher Auftritt, bei dem von Mittagsträgheit nichts zu spüren ist – weder bei der Band, noch beim Publikum.

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Härter geht es im Anschluss bei MINOTAURUS zu. Die Aschaffenburger haben Gastmusiker Joe Sneider am Schlagzeug dabei, da Rouven Zumkeller frisch Vater von Zwillingen geworden ist. Joe vertritt den Musikerkollegen würdig, und so ist von der zweijährigen Zwangspause bei diesem Auftritt kaum etwas zu spüren. Das letzte Album „Victims of the Underworld“ aus dem Jahr 2019 hat lange auf seine Live-Feuertaufe gewartet. Auf der Setlist mischen sich ältere Songs wie „Feel like coming home“ und neueres wie „Immortality“. Trotz der rockigen Ausrichtung mit Power-Metal-Einflüssen sitzt das Publikum entspannt auf der Wiese vor der Bühne, um zuzuhören. Vermutlich nicht die gewünschte Reaktion auf die treibenden E-Gitarren, aber bei gleißendem Sonnenschein auch nicht verwunderlich. Es passt also gut, dass MINOTAURUS gegen Ende noch ihre neue Ballade „Raven’s Fate“ spielen und ihr Set auch ohne energiegeladene Zuschauerteilnahme ausklingen lassen.

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Bei THE BLACKBEERS im Anschluss gibt es wie immer rauen und rohen Piratenspaß. Mit sowohl allseits bekannten Songs wie „Whiskey in the Jar“ oder „Galway Girl“ als auch Eigenkreationen können die Freibeuter das anwesende Publikum im Sturm erobern. Die tieferstehendere Sonne hat die Hitze-Müdigkeit des Publikums jedenfalls ausgetrieben, und so gibt es für alle, die Lust haben, die üblichen BLACKBEERS-(Cover)-Highlights wie „Fuck the King“, „Blackbeers Blackbeers“ und „Drunken Lullabies“ zu hören. Mit viel „Yoho yoho“ und anderen einfachen Schlachtrufen hält die Band die feiernde Zuschauermenge bis zum Ende des Sets gut bei Laune und beweist sich mit ihrem Party-Folk wie immer als Stimmungsgarant.

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QNTAL bereichern den Festival-Samstag nicht nur durch ihre elektronischen Klänge. Sängerin Syrah ist nach überstandener Krankheit wieder zurück auf der Bühne und bei bester Stimme. Dies wird unter anderem bei „Ecce Gratum“ deutlich. Ihr congenialer männlicher Gesangspartner Michael glänzt mit seiner Stimme wiederum bei „Die finstere Nacht“. Davor und danach dominieren bei QNTAL die elektronischen Beats und der Bass, die gemeinsam druckvoll und perfekt abgestimmt über den gesamten Goldberg dringen. Die perfekte Symbiose aus Klargesang und Elektronik bildet schließlich der leider bis dato immer noch unveröffentlichte Bergwerk-Remix von „Frühling“, zu dem die Menge ordentlich in Wallung versetzt wird. Mit dem leicht hypnotischen „Veni“ und dem Dancefloor-Klassiker „Ad Mortem Festinamus“ haben QNTAL aber auch danach noch einige treibende Tanznummern am Start. Zusammen mit ruhigeren Nummern wie „Tenacious Love“ liefern die Musiker eine bemerkenswerte Show ab, die in diesem Rahmen ihre volle Wirkung entfaltet. In dieser Form ist die Band für jedes szeneübergreifende Festival eine absolute Bereicherung.

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CORVUS CORAX sind regelmäßige Gäste in Selb und daher ist es kein Wunder, dass es sich die Mittelalter-Urgesteine nicht nehmen lassen, auch beim Solidaritätsfestival mitzuwirken. Wirklich neu ist abseits der Inszenierung wenig: Wer schon eine der Headliner-Shows der Band gesehen hat, weiß musikalisch ziemlich genau, was er bekommt.  Auf der Selber Bühne präsentieren die Szeneveteranen neben ihres bekannten Sets den größten, zweitgrößten, aber auch den kleinsten Dudelsack der Welt, ebenso wie die größte Drehleier. Die vielen Instrumente, viele davon Eigenbauten, und einige Deko-Elemente werten den Auftritt optisch auf. Geplagte Mittelaltermusik-Hörer dürfen sich wiederum besonders über die gut gestimmten, teils mehrstimmigen Dudelsack-Passagen freuen, die die Klassiker wie „Bibit Aleum“, „Mille Anni Passi Sunt“ oder „Venus Vida Musica“ zuhauf zu bieten haben. Mitten während der Show entscheidet sich das Publikum wenig überraschend gegen die traurige Ballade mit 126 Strophen, sondern für mehr traditionelle Marktmusik. Einen sehr sehenswerten Gastauftritt haben schließlich die Fabelwesen von „Schattenwelt Südharz“: Die geheimnisvollen und teils unheimlichen Kostüme machen im Dunkeln vor der Bühne ordentlich was her. CORVUS CORAX hatten die Gruppe, die alte Mythen ihrer Region am Leben erhalten und ein Gesicht geben möchten, bereits für ihr Musikvideo „Sverker – Era Metallum“ engagiert, und so ist es eine mehr als willkommene Abwechslung, die Fabel-Künstler zu eben jenem Song ordentlich Pyro in die Luft schießen zu lassen. Eine Zusammenarbeit, die hoffentlich in Zukunft noch weitere Früchte tragen wird.

Foto @ Bernd Sonntag, konzertreport.de

Dass CIRCUS OF FOOLS am besten im Dunkeln wirken, beweisen sie auch beim Solidaritätsfestival. Mit einer stimmungsvollen Lichtshow, aufwändigen Clowns-Kostümen und insgesamt einem sehr gut durchdachten Konzept wissen die Tübinger nach zehn Jahren Bandbestehen zu überzeugen. Die neue Sängerin Tammy Keinath macht sich nicht nur stimmlich ziemlich gut im Bandgefüge, und auch allgemein kann der Sound der Band an diesem Abend punkten. Daher ist es schade, dass die Songs vor allem zu anfangs des Sets sehr ähnlich klingen und sich der Wow-Faktor recht schnell abnutzt. Spätestens aber mit ihrem neuen Song „Distanced“ legen CIRCUS OF FOOLS dann aber die nötige Variation an den Tag beziehungsweise in die Nacht: „Drag me onto your orbit“ mit seinem abrupten Genrewechsel hin zu launigen Tanzpassagen weckt die Menge ordentlich auf und motiviert sie sogar zu einer ordentlichen Polonaise. Beim deutlich härteren „Sideshow: Das letzte Sandkorn fällt“ finden sich trotz der späten Stunde einige Freiwillige für die eine oder andere Wall of Death. Auch die neuen Singles „In the Name of Science“ und „Our Digital Drug“ kommen bei denen, die bis dahin geblieben sind, gut an, und so können sich besonders eben jene auf das neue Album „A Broadcast From Generation.0“ freuen, das im November erscheinen wird.

Der erste Tag des SOLIDARITÄTS-FESTIVALS besticht durch bekannte Gesichter und besonders gegen Ende durch viel Abwechslung. Auch die ersten Bands überraschen positiv. Dazu spielen QNTAL ihre beste oder zumindest eine ihrer stärksten Shows in Selb. Das Publikum kann sich daher zurecht auf den zweiten Festival-Tag freuen.

Foto @ Bernd Sonntag, konzertreport.de

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