Konzertbericht: Mayhem

07.12.2024 Obertraubling, Eventhall Airport

Jubiläums-Touren liegen im Trend – insbesondere, wenn man schon länger kein Album veröffentlicht hat, bieten Geburtstage einen willkommenen Anlass, mit dem Versprechen einer Special-Show auf Tour zu gehen. So überrascht es wenig, dass MAYHEM – immerhin seit fünf Jahren ohne neues Material – ihren 40. Geburtstag nicht ohne eine entsprechende Tour verstreichen lassen. Und wie man die Norweger kennt, geizen MAYHEM vorab nicht mit Superlativen: Die größte Indoor-Stage-Production der Bandgeschichte, eine zweistündige Show und Songs, die nie zuvor live gespielt wurden, verspricht die Band in der Tour-Ankündigung.

Kein Wunder also, dass Fans von nah, vor allem aber von fern zur einzigen Show im süddeutschen Raum in die Peripherie von Regensburg gepilgert sind und die Eventhall Airport Obertraubling trotz des stolzen Ticketpreises von 50 € um 20:00 Uhr mehr als gut gefüllt ist. Später zu kommen, ist auch keine gute Idee – denn MAYHEM sind ohne Support-Act unterwegs.

MAYHEM im Dezember 2024 in RegensburgUm 20:00 Uhr beginnt die Darbietung mit einem Einspieler auf der riesigen Video-Leinwand, in dem O-Töne aus den Anfangstagen der Band klarmachen: An Selbstbewusstsein hat es MAYHEM schon damals nicht gefehlt. Zu dem truen Bild, das MAYHEM in dieser Retrospektive abzugeben versuchen, will die bunt zusammengewürfelte Truppe, die anschließend die Bühne betritt, allerdings nicht so recht passen: Hellhammer im Grave-Digger-Shirt, Teloch in schlichtem Schwarz mit truem Corpsepaint, Attila mit Umhang und wilder Gesichtsbemalung, der muskelbepackte, aber völlig emotionslos wirkende Ghul … und der eher bemüht als ernstzunehmend böse dreinblickende Nekrobutcher.

MAYHEM im Dezember 2024 in RegensburgDoch so wenig die Optik zum Image passen mag – musikalisch stellen diese fünf Männer fraglos die versierteste Reinkarnation der immer wieder umbesetzten Band darstellen, die die Welt in nunmehr eben 40 Jahren gesehen hat. Das zeigt sich heute direkt von der ersten Minute – denn MAYHEM arbeiten sich im Rahmen dieser Jubiläumsshow konsequent chronologisch in der Zeit zurück. Gleich zu Beginn gibt es demnach die neuesten, durchaus nicht trivialen Stücke von „Daemon“ (2019) und „Esoteric Warfare“ (2014) zu hören, ehe es mit „Illuminate Eliminate“ von „Ordo Ad Chao“ (2007) den ersten länger, genauer seit 2016 nicht gespielten Song zu hören gibt. Die einzige echte Rarität ist (entgegen der Ankündigung) „Chimera“ vom gleichnamigen Album (2004), von dem nur eine Live-Darbietung aus dem Jahr 2004 überliefert ist. Immerhin ebenfalls seit 2016 nicht gehört: „View From Nihil“ von „Grand Declaration Of War“ (2000), bei dem Attila Maniacs gesangliche Kapriolen bemerkenswert gut imitiert.

MAYHEM im Dezember 2024 in RegensburgWährend die Show rein musikalisch sowohl von der Songauswahl als auch von der Performance und vom Sound her am oberen Ende dessen rangiert, was man von MAYHEM in den letzten Jahrzehnten zu sehen bekommen hat, wirkt das Drumherum leider deutlich weniger eindrucksvoll als die Band das wohl vor dem inneren Auge hatte: Der Bühnenaufbau mit zwei nackten Treppchen neben dem alles dominierenden Drumkit von Hellhammer sieht ziemlich billig aus, Nekrobutchers Kutte mit der viel zu großen Kapuze im „De Mysteriis Dom Satans“-Set ist auf „Spinal Tap“-Niveau grotesk – und spätestens Attilas Gehabe hätte, wäre man es nicht bereits gewohnt, durchaus das Zeug zum Stimmungskiller: Ob nun der von ihm für den Abschnitt der frühen 2000er-Jahre gewählte Look (Barett und Fensterglasbrille) oder sein Herumgespiele mit Knochen (wahlweise als Phallus oder Maschinengewehr), einem Galgenknoten oder einem Schädel – nichts davon ist wirklich geeignet, den Mythos MAYHEM aufrechtzuerhalten.

MAYHEM im Dezember 2024 in RegensburgDa ist es schon fast erfrischend, dass sich ausgerechnet Nekrobutcher einmal nicht über die Maßen ernst nimmt, und nach einem großen Schluck aus der Coke-Zero-Flasche grinsend Werbung für den Softdrink macht. Entsprechend krass ist damit aber auch der Kontrast zum tatsächlich atmosphärisch starken Move, zu „Funeral Fog“ die originalen Gesangsspuren von Per Yngve Ohlin alias „Dead“ abzuspielen. Dass hier gejubelt wird, ist absolut verständlich. Darüber, dass die wohl unvermeidlichen Szenen mit Varg Vikernes in einem weiteren Einspieler mit Szenenapplaus bedacht werden, kann man hingegen nur den Kopf schütteln.

Mit dem letzten Abschnitt der Show geht es dann zurück zu den punkigen Anfangstagen der Band – „Deathcrush“, „Chainsaw Gutsfuck“, „Carnage“ und natürlich auch das in Motörhead-„Overkill“-Manier immer und immer wieder neu ins Rollen gebrachten „Pure Fucking Armageddon“ runden die Retrospektive musikalisch wie auch – endlich – atmosphärisch stimmig ab.

  1. Malum
  2. Bad Blood
  3. MILAB
  4. Psywar
  5. Illuminate Eliminate
  6. Chimera
  7. My Death
  8. Crystalized Pain in Deconstruction
  9. View From Nihil
  10. Ancient Skin
  11. Symbols of Bloodswords
  12. Freezing Moon
  13. Life Eternal
  14. De Mysteriis Dom Sathanas
  15. Funeral Fog
  16. Deathcrush
  17. Chainsaw Gutsfuck
  18. Carnage
  19. Pure Fucking Armageddon

MAYHEM im Dezember 2024 in Regensburg

Wenn die heutige Show eines deutlich macht, dann, welch Bürde eine fraglos bedeutungsvolle Historie wie die von MAYHEM für eine Band sein kann. Denn schlussendlich haben die heutigen, von Teloch geprägten MAYHEM ebenso wenig mit den glorifizierten „De Mysteriis“-MAYHEM zu tun wie die Geniestreiche von Blasphemer aus den frühen 2000er-Jahren. Dass es MAYHEM überhaupt gelingt, musikalisch alle diese Phasen stimmig wiederaufleben zu lassen, verdient Anerkennung.

Die größte Indoor-Stage-Production der Bandgeschichte indessen entpuppt sich eher als Lachnummer: Böse oder gar „true“ ist hier nichts mehr. Insbesondere mit den vor Glorifizierungen strotzenden Einspielern, aber auch durch die verschiedenen Kostüme hat die Show bisweilen den Charme einer Disneyland-Inszenierung zum Thema Black Metal. Das ist schade, denn eigentlich hätten die heutigen MAYHEM rein musikalisch betrachtet all das gar nicht nötig – und wären losgelöst von ihrer fragwürdig ruhmreichen Geschichte eigentlich die viel bessere Band.

MAYHEM im Dezember 2024 in Regensburg

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