Konzertbericht: Martin Barre Band

13.10.2019 Augsburg, Spectrum


Satte 44 Jahre war Martin Barre Lead-Gitarrist von Jethro Tull, die er mit seinen scharfen Riffs und ausgedehnten Soli prägte. 1988 brachte seine Gitarrenarbeit einen Grammy für „Crest Of A Knave“ ein. Nach der Auflösung Jethro Tulls 2012 durch Ian Anderson baute er die MARTIN BARRE BAND auf, die neben Tull-Songs auch Eigenkompositionen spielt und an diesem Abend im Augsburger Spectrum Club Halt machte. Es sollte ein knackiger Rockabend voll mit altbekannten Hits und einigen ganz besonderen Momenten werden.

Der Einstieg gelingt wortlos mit den beiden Songs „My Sunday Morning“ und „A Song For Jeffrey“, die das überschaubare Publikum bedächtig lauschen und sicher auch in einigen Erinnerungen schwelgen lassen. Der Applaus gestaltet sich noch verhalten, aber einige Zuschauer versammeln sich bereits am vorderen Bühnenrand des ansonsten bestuhlten Spectrum. Erste enthusiastischere Reaktionen entlockt das 1969 auf „Stand Up“ erschienene „Nothing Is Easy“, dem auch die erste Ansage von Barre folgt, die er mit typisch britischem Humor versieht. Der mittlerweile 72-jährige Musiker zeigt sich äußerst agil, setzt ein breites Grinsen auf und springt mit wahrer Freude über die Bühne. Auch seine Kollegen wie Sänger und Gitarrist Dan Crisp, der vor allem mit seinem Organ und seiner extravaganten Mimik punkten kann, und Schlagzeuger Darby Todd (u.a. The Darkness, Gary Moore, Robert Plant) können der Performance ihren Stempel aufdrücken.

Lediglich der namhafte Bassist Alan Thomson (u.a. Phil Collins, Eric Clapton, David Gilmour) wirkt im Geschehen etwas stoisch, lässt sich aber gelegentlich zu kleineren Posen oder einem wohlgefälligen Lächeln hinreißen. Die Eigenkompositionen der MARTIN BARRE BAND reihen sich nahtlos in die bekannten Jethro-Tull-Songs ein, denen die ansonsten so prägende Flöte in keiner Weise fehlt. Das macht spätestens das Trio aus „Teacher“, „Aqualung“ und „War Child“ klar, vor allem bei den beiden letztgenannten ist das Publikum textsicher und unterstützt die Band nach Kräften. Angesichts der Art ihrer Trennung und vor allem der Intensität, mit der heute die Klassiker präsentiert werden, ist es wenig verwunderlich, das Barre seinen langjährigen Weggefährten Anderson mit keinem Ton erwähnt. Nach dem stark Blues-lastigen „Peace And Quiet“ geht der Abend bei „Songs From The Wood“ oder „A New Day Yesterday“ auf die Zielgerade. Nach einer kurzen Pause stimmen die Musiker den wohl größten Hit „Locomotive Breath“ an, allerdings fällt Crisps Mikrofon aus und auch Barres gut gemeinte Aushilfe möchte nicht funktionieren. So spielen sie etwas irritiert über längere Zeit das bekannte Riff, ehe die Technik wieder in den Griff bekommen wird und sie einen durchaus fulminanten Abend rühmlich zu Ende führen können.

  1. My Sunday Morning
  2. A Song For Jeffrey
  3. For A Thousand Mothers
  4. Nothing Is Easy
  5. Lone Wolf
  6. To Cry You A Song
  7. (This Is) My Driving Song
  8. Teacher
  9. Aqualung
  10. War Child
  11. Peace And Quiet
  12. Heavy Horses
  13. Songs From The Wood
  14. Hunting Girl
  15. A New Day Yesterday
  16. Jump Start
  17. Locomotive Breath

In seiner MARTIN BARRE BAND konnte der legendäre Gitarrist namhafte und talentierte Musiker zusammenführen, die den klassischen Jethro-Tull-Songs einen neuen und rockigeren Anstrich verpassen. Über die Dauer von knapp zwei Stunden haben sie das Publikum mit dieser Herangehensweise unterhalten, aber gleichzeitig stark in die Rockmusik der 70er Jahre versetzt. Neben der Gewissheit, dass die alten Zeiten definitiv nicht mehr zurückkommen, das anhand der heute gebotenen Klasse aber auch kein Muss ist, war es für alle Anwesenden ein Genuss, die Gitarristen-Legende und seine Rock-Klassiker noch einmal live zu erleben. Gerne darf hier eine Wiederholung stattfinden, vielleicht dann auch mit etwas mehr Körperbewegung und weniger stillschweigender Bewunderung.

Publiziert am von Christian Denner

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