Konzertbericht: Marteria w/ Kid Simius

09.03.2014 München, TonHalle

Marteria-Tour1

Wenn man sich die aktuelle Musikszene in Deutschland ansieht, ist eines unübersehbar: Es läuft für Hip Hop. Neben dem 2011 erschienenen Album „XOXO“ von Casper ist die Aufmerksamkeit für Deutschrap vor allem dem 2010 veröffentlichten Album „Zum Glück in die Zukunft“ von MARTERIA zu verdanken. Umso schöner ist dieser Erfolg in Anbetracht der Tatsache, dass beide schon lange in der Hip-Hop-Szene unterwegs sind und in ihrem Fahrwasser viele interessante Bands ins Zentrum gerückt sind, die vorher eher ein musikalisches Nischendasein führten. Wenn sich MARTERIA nun Anfang 2014 mit dem zweiten Teil von „Zum Glück in die Zukunft“ in der bereits im Vorfeld restlos ausverkauften TonHalle in München die Ehre gibt, ist das ein hervorragender Grund für den Rap-affinen Teil der Metal1-Redaktion eine weitere Episode aus der Rubrik „HipHop1.info“ zu liefern.

Das Publikum setzt sich neben vielen Kappenträgern auch aus Menschen in Shirts von Rockbands zusammen, was ebenso wie die angenehme Altersverteilung zeigt, dass Grenzen zwischen Genres und Generationen derzeit nicht mehr eindeutig auszumachen sind. Entsprechend wird man auch im Metal-Look nicht skeptisch gemustert.

Kid SimiusDen Anfang macht pünktlich um 19.30 KID SIMIUS, welcher bei Marteria für die elektronischen Spielereien zuständig ist und gerade sein neues Album „Wet Sounds“ veröffentlicht hat. Seine Mischung aus Rock, Trap, Elektro und Baile-Funk im Stil von Buraka Som Sistema angemessen zu bewerten, ist in Anbetracht des Sounds allerdings kaum möglich: Zwar ist die Abmischung extrem basslastig, dabei allerdings nahezu vollständig undefiniert und dröhnt demnach als Matsch aus den Boxen. Dass KID SIMIUS immer wieder zu anderen Instrumenten wie Gitarre, Mundharmonika und Harmonika greift, das Publikum animiert und sichtlich Spaß an seinem Auftritt hat, macht die Show zwar sehr sympathisch – besonders die Ausflüge in den Baile-Funk sind in Anbetracht der später folgenden Musik von Marteria allerdings extrem anstrengend, ein Gefühl, das durch die hektische und nervige Lichtshow noch einmal gesteigert wird. Alles in allem also leider kein Einstand nach Maß, der nach knapp 40 Minuten sein Ende findet, und trotz unserer kritischen Meinung vom Großteil der TonHalle begeistert bejubelt wird.

Marteria 02

Nach einer kurzen Umbaupause ist es schließlich um kurz nach 20.30 soweit und das Licht erlischt zum zweiten Mal, was euphorischen Jubel in der TonHalle aufbranden lässt. Zu einem groovigen Intro kommen nach und nach alle Bandmitglieder auf die Bühne, was neben dem bereits erwähnten Kid Simius an den elektronischen Geräten und teilweise an der Gitarre noch Bass, Schlagzeug, DJ und drei Background-SängerInnen mit einbezieht, welche durch dieses Intro bereits zum Auftakt des Konzerts ihren ersten starken Auftritt erhalten. Wirklich ohrenbetäubend wird der Jubel allerdings erst, als MARTERIA selbst mit einem breiten Grinsen die Bühne betritt und zu den Anfangstönen von „OMG“ das Publikum begrüßt. Der Sound ist nun zwar deutlich besser als noch bei Kid Simius, allerdings immer noch zu leise, was vor allem den Gesang von MARTERIA selbst betrifft. Die gesamte erste Hälfte des Konzerts besteht ausnahmslos aus Songs des neuen Albums „Zum Glück in die Zukunft II“, was zwar zwar an sich durchaus Sinn ergibt, da die Tour eben genau diese Veröffentlichung supporten soll – da das Album allerdings zu großen Teilen sehr entspannt auf ruhigen Beats und flächigen Arrangements basiert, will das Konzert nach dem tollen Opener nicht so wirklich Fahrt aufnehmen. Ausnahmen sind hier eindeutig der recht früh im Set platzierte Hit „Kids“, welcher das Publikum zum lauten Mitsingen animiert, sowie das druckvolle und wütende „Bengalische Tiger“, bei welchem sogar Pyros als Showelement zum Einsatz kommen.

Nach dem packenden und stimmigen „Lila Wolken“, zu dem auch Miss Platnum auf die Bühne kommt, verabschiedet sich MARTERIA kurz und überlässt Miss Platnum für ein kurzes Medley das Feld. Kurz darauf kennt der Jubel in der TonHalle kein Halten mehr, als die ersten Töne von „Grüner Samt“ erklingen und die Band mit grünen Masken auf die Bühne zurückkehrt und schließlich MARTERIAs Alter Ego MARSIMOTO mit seiner hochgepitchten Stimme zur Kifferparty einlädt. Die Songs sind allesamt druckvoll, das Publikum ist absolut begeistert und das kurze Intermezzo leider viel zu schnell nach nur vier Songs auch schon wieder vorbei. Ohne allerdings auf Zugaberufe zu warten, kommt MARTERIA selbst zurück und liefert mit „Endboss“ einen alten Song, der gemeinsam mit „Marteria Girl“, „Alles verboten“ und dem atmosphärischen „Verstrahlt“ extrem laut bejubelt wird. Das Konzert nimmt in diesem letzten Block nun wirklich so richtig Fahrt und Energie auf, was im ekstatisch betanzten „Feuer“ inklusive Pyroshow und Hinknie-Aufsteh-Spielchen am besten zur Geltung kommt. Das ruhige, abschließende „Welt der Wunder“ bildet den offiziellen Abschluss der Show, bevor die Band schließlich für „Crash dein Sound“ noch einmal auf die Bühne zurückkommt und gefühlte 100x „die letzten 20 Sekunden“ zelebriert, welche von einer komplett hüpfenden und Kleidungsstücke über dem Kopf wedelnden TonHalle gefeiert werden. Schließlich hält es MARTERIA selbst nicht mehr auf der Bühne, sodass er sich erst seines Jacketts entledigt und anschließend ein langes Bad in der Menge nimmt. Noch einmal Glitzerkonfetti von der Hallendecke und eine nassgeschwitzte, euphorische Menge in der TonHalle bejubelt einen knapp zweistündigen Auftritt.

Marteria 03FAZIT: Die ständigen Beteuerungen MARTERIAs, dass er unendlich dankbar ist und die Zuschauer an diesem Abend eine große Familie bilden, wirken zu keinem Moment gestellt, sondern stets absolut ehrlich. Das Publikum frisst MARTERIA aus der Hand und dieser revanchiert sich mit einer mitreißenden Show, die diese Bezeichnung auch verdient. Schade, dass das neue Album quasi am Stück präsentiert wurde, hätte eine Mischung aus ruhigen und treibenden Songs doch eventuell für mehr Abwechslung gesorgt – doch trotz dieser Unstimmigkeit, welche gemeinsam mit dem leider zu leisen Sound einen kleinen Wermutstropfen bildet, weiß MARTERIA auch im Livesetting absolut zu überzeugen und steht in der Energie einer Rockshow nicht im Geringsten nach.

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