Konzertbericht: Marillion w/ Jennifer Rothery & Riccardo Romano

05.12.2018 Wien, Bank Austria Halle

Bald 40 Jahre ist es her, dass ein paar britische Tolkien-Fans die Band MARILLION gründeten und damit den Startschuss für die Entwicklung des Neo-Prog setzten. Ob man nun die klassische Besetzung mit Leadsänger Fish oder die moderneren Werke mit Steve Hogarth am Mikro bevorzugt, es lässt sich nicht bestreiten, dass das Quintett die progressive Musiklandschaft geprägt hat und auch heute noch mit hervorragenden Alben und leidenschaftlichen Shows bereichert. Wer letztere These auf die Probe stellen will, bekommt auf der „Theatre-Tour“ die Möglichkeit, die Band zusammen mit JENNIFER ROTHERY & RICCARDO ROMERO auf sich wirken zu lassen.

Wer genau über MARILLION Bescheid weiß, sollte an dieser Stelle bereits hellhörig geworden sein. Das Duo, das den Abend pünktlich um 20:00 Uhr mit sanften Keyboardklängen und gefühlvollem Gesang einleitet, setzt sich nämlich einerseits aus der Tochter von MARILLION-Gitarrist Steve Rothery und andererseits aus dem Keyboarder seines Soloprojekts zusammen. Zyniker würden hier von Vetternwirtschaft sprechen, doch JENNIFER ROTHERY & RICCARDO ROMANO machen sich um ihren Support-Slot durchaus verdient. Während JENNIFER ROTHERY mit ihrer sanften, aber keineswegs schwächlichen Stimme den Ohren schmeichelt, zeigt RICCARDO ROMANO, dass er es vortrefflich versteht, Emotion und Virtuosität gleichermaßen in sein Spiel einfließen zu lassen. Zwar ist es ein wenig bedauerlich, dass das Zweigespann für einige Tonspuren auf Samples zurückgreifen muss und nach einer Weile laufen sich die zunehmend in verschlafene New-Age-Gefilde abgleitende Songs ein wenig tot, doch letzten Endes hinterlassen die beiden sanftmütigen Musiker mit ihrem einfühlsamen, halbstündigen Auftritt ein wohliges Gefühl der Intimität.

Nach einer weiteren halben Stunde des Wartens betreten schließlich MARILLION die Bühne. Mit zarter Akustikgitarre, leisem Gesang, Vogelgezwitscher und Projektionen von Naturbildern versetzen die Briten die Hörerschaft zu Beginn noch in eine friedliche Stimmung, ehe sie sie im späteren Verlauf des mehrteiligen, sozialkritischen Openers „El Dorado“ auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Politisch wird es in weiterer Folge auch noch auf dem den Klimawandel thematisierenden „Seasons End“, allerdings lockern MARILLION die Stimmung zwischendurch immer wieder mit erbaulicheren Stücken wie „Sounds That Can’t Be Made“ auf. Beim leicht kitschigen, aber auch wunderschönen Liebeslied „No One Can“ mag man im Publikum sogar das eine oder andere aneinandergeschmiegte Paar ausmachen.

Hinsichtlich der Setlist ist heute somit für jeden etwas dabei, doch auch in puncto Performance ziehen MARILLION sämtliche Register. Dass man Keyboarder Mark Kelly nicht anmerkt, dass er erst vor gut einer Woche von einem Lastwagen angefahren wurde, kann man nur als glückliche Fügung bezeichnen, denn mit seinen vielgestaltigen, über allem schwebenden Tastenklängen verleiht er der Show eine eigentümliche, einnehmende Atmosphäre. Doch auch Rotherys markant spacige Gitarrenleads und -soli tragen – zusammen mit Ian Mosleys einfallsreichem Drumming – zu einem durchweg stimmigen Gesamteindruck bei, der die vollen zwei Stunden über aufrecht bleibt.

Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht jedoch ohne Zweifel Steve Hogarth, der im Zuge der Show sämtliche Facetten seiner Gesangskunst zum Besten gibt und zwischen den Songs auf humorvolle, charmante Art den unmittelbaren Kontakt zum Publikum sucht. Übermütig wie ein Jungspund tänzelt Hogarth über die Bühne und ist sich dabei nie zu schade, die anmutige Ballerina oder den schlagkräftigen Rockstar zu mimen. So ansteckend ist der Enthusiasmus des Sängers, dass es die Leute im Zuschauerbereich von ihren Sitzen bis direkt vor die Bühne zieht – dass kräftig mitgesungen und –geklatscht wird, ist da eine Selbstverständlichkeit. Im Gegenzug dürfen sich die Zuseher nach „The Great Escape“ noch über zwei Zugaben freuen, ehe sich MARILLION unter tosendem Applaus verabschieden.

  1. El Dorado: I. Long-Shadowed Sun
  2. El Dorado: II. The Gold
  3. El Dorado: III. Demolished Lives
  4. El Dorado: IV. F E A R
  5. El Dorado: V. The Grandchildren Of Apes
  6. No One Can
  7. Quartz
  8. The Party
  9. Seasons End
  10. Sounds That Can’t Be Made
  11. The Leavers: I. Wake Up In Music
  12. The Leavers: II. The Remainers
  13. The Leavers: III. Vapour Trails In The Sky
  14. The Leavers: IV. The Jumble Of Days
  15. The Leavers: V. One Tonight
  16. The Great Escape
  17. Mad
  18. Afraid Of Sunlight
  19. Three Minute Boy
  20. Cover My Eyes (Heaven And Pain)
  21. Garden Party

Die zarten, eleganten Töne, mit denen JENNIFER ROTHERY & RICCARDO ROMANO das heutige Konzert eröffnet haben, mögen nach einer Weile ein wenig ihren Reiz verloren haben, doch als Appetizer vor dem eigentlichen Hauptgang gelang es dem Piano-Pop-Duo definitiv, den Saal der Bank Austria Halle mit einem Gefühl des Willkommenseins zu füllen. MARILLION erfüllten im Anschluss sämtliche an eine Band von diesem Format gestellten Erwartungen: eine kreative, abwechslungsreiche Setlist und Performance, eine wundervoll darauf abgestimmte Licht- und Bildshow sowie einen herrlich sympathischen, zu Scherzen aufgelegten Hogarth, der sich auch gesanglich von seiner besten Seite zeigte. MARILLION mögen mittlerweile in die Jahre gekommen sein, Ermüdungserscheinungen kann man nach der heutigen Show jedoch immer noch nicht ausmachen.

 

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Fotos von: Stephan Rajchl

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